Cattle Valley: Mehr als gedacht. Carol Lynne
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Asa seufzte. Und mit sechsundzwanzig war er bereits Millionär gewesen, hatte beide Eltern verloren und einen Haufen Verwandte am Hals, die nach Geldgeschenken gierten. Die Geschwister und Cousins und Cousinen, die dem Kellerkind das Leben nicht gerade leicht gemacht hatten, erwarteten plötzlich von ihm, dass er sie unterstützte.
Was ihn wirklich wütend machte, war die Tatsache, dass er es tatsächlich getan hatte. Er hatte sich so sehr danach gesehnt, sich mit seiner Familie zu umgeben, dass er ihnen erlaubt hatte, ihm jahrelang auf der Tasche zu liegen. Erst sein Unfall hatte ihm das wahre Gesicht seiner Familie vor Augen geführt.
Kopfschüttelnd wies Asa sich selbst zurecht, weil er sich einen Moment lang in Selbstmitleid gesuhlt hatte. Er verdiente alles, was er gerade bekam, und das wusste er auch. Er war so von den schicken Menschen geblendet worden, die plötzlich um ihn herumscharwenzelten, dass er aus den Augen verloren hatte, was wirklich wichtig war. Es war recht schnell deutlich geworden, als seine sogenannten Freunde sich nach einer Woche schon gelangweilt hatten. Sie hatten sogar die Frechheit besessen, ihn zu fragen, ob er ihnen während seiner Rehabilitation eine Kreuzfahrt um Europa spendierte.
Asa wusste, dass er naiv war, aber er war ganz sicher nicht dumm. Er hatte sie auf die Reise geschickt, um die sie gebeten hatten, ihnen allerdings gesagt, dass sie nicht zurückkommen sollten. Was hatte das gebracht? Sicherlich hatten sie sich schon längst den nächsten Dummkopf gesucht, der sie aushielt, irgendeinen anderen armen Kerl, der an den falschen Orten nach Freunden suchte.
Und deshalb saß er hier, ein dreiundvierzigjähriger Mann, und war allein. Das Haus, für das er sein ganzes Leben lang gearbeitet hatte, bereitete ihm keine Freude.
Asas Gedanken wanderten zu Mario. Gott, der Mann war umwerfend. Er wollte ihn, seit er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Es war rasch offensichtlich geworden, dass Mario weit außerhalb seiner Liga spielte.
Mario war nicht nur heiß, er schien sich auch einen Dreck um Asas Geld zu scheren. Die meisten Menschen würden das als Pluspunkt ansehen, doch Asa bewies es nur, dass er niemals eine echte Chance bei diesem Mann haben würde. Ohne den Einfluss des Geldes war Asa nur ein durchschnittlich aussehender Mann mittleren Alters mit zurückweichendem Haaransatz.
Er hatte gewusst, dass ihm das Angebot, Mario anzustellen, auf die Füße fallen könnte. Er wusste auch, dass ihn eine Kombination aus dem Verlangen, den Mann zu sehen, und der Tatsache, dass er nur ein bisschen wütend auf ihn war, zu dem extremen Angebot getrieben hatte.
Nachdem er erkannt hatte, dass seine sogenannten Freunde überhaupt keine Freunde waren, hatte er zumindest gehofft, dass die Freunde, die er in Cattle Valley gefunden hatte, noch für ihn da sein würden. Doch seit der Tragödie waren zwölf Wochen vergangen und Mario hatte sich nie auch nur die Mühe gemacht, sich nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen. Nate hatte sich ein paarmal blicken lassen, doch Asa ahnte, dass das eher den Schuldgefühlen zu verdanken war.
»Scheiße, vielleicht sollte ich einfach alles verkaufen und mir eine einsame Insel leisten. Dann hätte ich wenigstens eine gute Ausrede, warum ich mich so einsam fühle.«
***
Als Mario wieder im Studio ankam, war er verwirrt genug, um Rio bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zur Seite zu nehmen.
»Was ist los?«, fragte Rio, als er sich auf der Couch in seinem Büro niederließ.
»Hast du in letzter Zeit mal mit Asa gesprochen?«
»Nein, aber ich weiß, dass Nate ein paarmal bei ihm war, wieso?«
Mario legte seine Füße auf dem Sofatisch ab und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Er sieht nicht gut aus.«
»Bestimmt dauert es eine Weile, bis er wieder fit und auf den Beinen ist.«
»Nein, darum geht es nicht. Er scheint einfach nicht er selbst zu sein.« Mario wusste, dass das keinen Sinn ergab. »Okay, du weißt doch, dass sein Aussehen dem Kerl normalerweise echt wichtig ist, oder? Na ja, ich glaube, er hat sich seit einer Woche oder so nicht mal die Mühe gemacht, zu duschen. Ich weiß jedenfalls, dass er sich nicht rasiert hat.«
»Du hast recht. Das klingt nicht nach ihm.«
»Ich weiß und jetzt mache ich mir Sorgen.«
»Ist es das, worüber du reden wolltest?«
Mario nickte. »Ich meine, wie oft kann man sich von jemandem einen Korb holen, bevor man aufgibt?«
»Wann hat er dir, abgesehen von der Sache im Krankenhaus, noch einen Korb gegeben?«
»Ständig. Zum Beispiel während des Festivals, als wir im Schatten gesessen haben. Er stand genau da, aber hat er sich die Mühe gemacht, zu uns zu kommen und Hi zu sagen?«
Rio schmunzelte. »Ich erinnere mich aber auch nicht daran, dass du den Arsch hochgekriegt hast, um ihm Hi zu sagen.«
»Was willst du damit sagen?«
Rio zuckte mit den Schultern. »Nur, dass ihr beide jetzt lange genug umeinander herumgetanzt seid. Wenn du ihn willst, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um ihn dir zu holen.« Er zwinkerte ihm zu. »Es wird um einiges leichter sein, ihn mit zwei gebrochenen Beinen einzufangen.«
»Wenn er mich so sehr will, warum wollte er mich im Krankenhaus dann nicht sehen?«
»Keine Ahnung. Hast du ihn je gefragt?«
Mario schnaubte. »Ja, genau, das würde auch überhaupt nicht verzweifelt klingen.«
Verspielt stieß Rio Mario den Ellbogen in die Seite. »Für mich klingt das so, als wärt ihr beide ziemlich unglücklich. Warum gehst du das Risiko nicht ein? Was ist das Schlimmste, was passieren könnte?«
Mario begann, seine inneren Argumente an den Fingern abzuzählen. »Ich könnte am Ende wie ein Idiot dastehen. Ich könnte am Ende mit einem gebrochenen Herzen dastehen.« Er warf Rio einen Blick zu. »Und ganz wichtig: Ich könnte am Ende herausfinden, dass er mich nur für Sex benutzt, weil ich so gut aussehe.«
»Scheiße. Nicht schon wieder die ganze Sache mit dem hübschen Accessoire.« Rio seufzte.
»Hey. Ich bin der Sohn eines hübschen Accessoires. Ich weiß, was diese Behandlung einem Menschen antun kann.« Mario biss sich auf die Lippe. Obwohl Rio sein bester Freund war, hatte er nicht vorgehabt, die Geheimnisse seiner Familie auszuplaudern.
Er konnte Rios Blick auf sich spüren. Rio war zu höflich, um nachzuhaken, doch Mario wusste, dass er die Aussage entweder erklären oder sich darauf einstellen musste, diesen Blick zwanzigmal am Tag zu bekommen. »Es ist keine große Sache, ehrlich. Meine Mom war eine wunderschöne Frau, sie hat einen reichen Mann kennengelernt, er hat sie zu den angesagtesten Partys der Stadt mitgenommen… bla, bla, bla. Als sie mit mir schwanger wurde, hat er ihr einen Haufen Geld bezahlt und sie aufgefordert, zu verschwinden.«
»Fuck. Das ist beschissen. Und er hat sich nie bemüht, dich zu sehen?«
Mario lachte auf. »Ich weiß noch nicht mal, wer er ist. Sein Name steht nicht auf meiner Geburtsurkunde.« Er zuckte mit den Schultern. »Soll mir recht sein. Ich muss niemanden kennen, der ihr so etwas angetan hat.«
»Aber jetzt steckst du Asa in dieselbe Schublade. Vielleicht ist er überhaupt nicht so. Ich weiß jedenfalls, dass ich nie diesen Eindruck von ihm hatte.«
Marios Finger wanderten zu seinem Unterlippenbärtchen und zogen leicht daran. War es das, was er getan hatte?
Wieder wurde ihm ein Ellbogen in die Seite gestoßen. »Jetzt gib dem Mann wenigstens eine Chance, hm?«
Mario fühlte sich in die Ecke gedrängt. Wie zu erwarten war, tat er genau das, was er immer getan hatte, und ging in die Offensive. »Der Mistkerl hat versucht, mich zu bestechen.«
»Inwiefern?«, fragte Rio. Um seine Lippen spielte dieses diabolische Lächeln, das bedeutete, dass er etwas zu beweisen versuchte.
»Indem er versucht, mich zum doppelten Gehalt anzustellen? Wie nennst du das sonst?«, platzte