Sophienlust Box 16 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Box 16 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Herr Rethy.«

      »Lassen wir doch die feierlichen

      Anreden. Ich finde es viel schöner, wenn ich Josefa sagen darf. Dass ich Alexander heiße, wissen Sie ja inzwischen.«

      »Ja, Alexander.« Es klang hübsch und ein wenig fremdländisch, als sie seinen Namen mit dem russischen, stark gerollten ›R‹ aussprach.

      Dieser Akzent war es auch gewesen, der ihn gleich zu Anfang hatte fragen lassen, woher sie stammte. So hatte er erfahren, dass sie die Heimat schon als Kind verloren hatte und gemeinsam mit den Eltern in Deutschland angekommen war. Wie schwer war ihr Leben gewesen, wie hart hatte sie kämpfen müssen! Beinahe schämte er sich jetzt, dass er selbst es immer leicht gehabt hatte. Zwar hatte auch er die Eltern früh verloren, doch sie hatten ihm ein ansehnliches Vermögen hinterlassen, das es ihm erlaubt hatte, den Beruf zu wählen, der seiner Leidenschaft für das Fliegen entgegenkam. Als Chefpilot einer amerikanischen Fluglinie bezog er nun schon seit Jahren ein hohes Einkommen.

      All diese Gedanken hatte das russische ›R‹ in Josefas Aussprache in ihm wachgerufen. »Beherrschen Sie das Russische noch?«, fragte er nachdenklich und versonnen.

      »Ja, es war die Sprache meiner Kindertage. Aber ich habe selten Gelegenheit, Russisch zu sprechen. Hin und wieder kommt es vor, dass ich bei Patienten dolmetschen muss.«

      »Ich möchte Ihnen eine Freude mache, Josefa«, sagte Alexander Rethy spontan. »Aber mir fällt nichts ein als dieser Sommerausflug. Wir könnten morgen noch einen zweiten unternehmen, falls es Ihnen nicht zu langweilig ist, mit einem Vater und seiner Tochter unterwegs zu sein, die beide erst lernen müssen, dass sie zueinandergehören.«

      »Sie machen mir eine große Freude mit dieser Einladung. Aber ich glaube, dass auch die von Schoeneckers zu ihrem Recht kommen sollten. Frau von Schoenecker hat mir aufgetragen, Sie für morgen oder übermorgen einzuladen, damit Sie einen Tag in Sophienlust miterleben und den Abend dann nochmals drüben in Schoeneich verbringen können.«

      »Wie nett von Frau von Schoenecker! Ich werde so unbescheiden sein und den Wunsch äußern, dass die abendliche Einladung auch auf Sie ausgedehnt wird. Gäste haben doch sicherlich einen Wunsch frei.«

      Sie schaute ihn aus ihren unwahrscheinlich blauen Augen an und lächelte. »Die von Schoeneckers sind die gastfreieste Familie, die ich kenne. Darüber brauchen wir uns gewiss keine Sorgen zu machen.«

      »Bleiben wir also morgen in Sophienlust«, beschloss Alexander Rethy. »Lexi will mir auch ihre Reitkünste zeigen. Darauf bin ich wirklich gespannt, denn Vivian ritt wie der Teufel. Sie war ein Naturtalent. Vielleicht hat unser Töchterchen diese Begabung geerbt.«

      »Vivian muss eine ungewöhnliche Frau gewesen sein«, meinte Josefa leise.

      »Sie war anders als alle Frauen, die mir in meinem Leben begegnet sind. Trotzdem habe ich sie verlassen. Ich kann mir selbst nicht mehr erklären, wie es dazu kommen konnte. Vielleicht, weil sie nicht mehr mit meiner Crew flog, sondern im Büro tätig war. Ich bin so faul und dumm im Schreiben. Sie mag wohl gedacht haben, ich wolle nichts mehr von ihr wissen, weil ich mich nicht bei ihr meldete. Später besuchte ich sie, doch sie war kühl und abweisend und zu stolz, um mir zu gestehen, wie bitter mein Schweigen sie gekränkt hatte. Sie ließ mich nichts von ihrer Erkrankung wissen und auch nichts davon, dass sie ein Kind erwartete. Ich blieb von diesem Tag an ausgeschlossen aus ihrem Leben. Trotzdem haben wir niemals aufgehört, einander zu lieben, obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte. Aber wir haben beide ein Glück versäumt, das immerhin sechs Jahre hätte dauern können. Ich fürchte, dass ich mir das nie werde verzeihen können.«

      »Sie haben Vivian wahrscheinlich in den letzten Stunden ihres Erdendaseins für all das entschädigt, was sie in den vergangenen sechs Jahren hatte entbehren müssen. Nie werde ich ihr glückliches Lächeln vergessen.« Josefa konnte darüber urteilen, denn sie war gemeinsam mit dem Kollegen Dr. Wellner Trauzeugin bei der Eheschließung gewesen.

      »Wie lieb Sie das sagen, Josefa! Trotzdem kann ich mich von meinen eigenen Vorwürfen nicht so leicht freisprechen. Ich muss mit der Erinnerung an Vivian leben, mit dem Bewusstsein, dass ich mich ihr gegenüber schlecht benommen habe.«

      »Ist es nur Schuldbewusstsein, das jetzt Ihre Haltung Alexa gegenüber bestimmt?«, forschte sie ein wenig erschrocken.

      »Nein, ich liebe mein Kind. Ich muss mich nur daran gewöhnen. Es fällt mir immer wieder ein – ganz plötzlich, wenn ich die Maschine hoch in der Luft habe, wenn ich einen Sonnenaufgang erlebe oder einen besonders schönen Ausblick auf ein Gebirge mit Schnee, auf die sich kräuselnden Wellen des Meeres oder auch auf die unendliche, drohende Weite der Wüste Afrikas. In Deutschland wartet Vivians Kind auf mich! Das ist ein schöner Gedanke, der mich jedoch auch hin und wieder etwas erschreckt. Werde ich der Aufgabe, Alexa zu einem Menschen, wie Vivian es war, zu erziehen, gewachsen sein?«

      »Das sind Sie sicher. Warum zweifeln Sie an sich? Sie sollten mehr Vertrauen zu sich selbst haben, dann würde das Verhältnis zwischen Ihnen und Lexi von selbst natürlicher werden.«

      »Sie geben also zu, dass es das bis jetzt nicht ist?«

      »Nun ja, Sie kennen einander ja kaum. Lexi sucht Ihre Liebe. Der Liebe ihrer Mutter konnte sie gewiss sein. Sicher hat Vivian in ihrer Verlassenheit das Kind täglich zärtlich in die Arme genommen und ihm versichert, dass sie es lieb habe. Jetzt ist sich Lexi nicht recht darüber klar, ob sie auch von Ihnen Liebe erwarten kann. ›Mag er mich eigentlich, Tante Josi?‹, fragte sie immer wieder. Doch es nützt nicht viel, wenn ich ihr das versichere. Alexa muss es selbst erleben und spüren. Dazu gehört Zeit und Geduld von Ihrer Seite.«

      »Sie glauben also nicht an die Stimme des Blutes?«

      »Doch, denn Lexi vertraut Ihnen und sucht Ihre Zuneigung. Aber für das Kind ist zu viel geschehen. Es muss die Dinge erst einmal innerlich verarbeiten. Manchmal weint Lexi bitterlich, weil ihre Mutti nicht wiederkommen kann. Aber meist gibt sie sich Mühe, fröhlich zu sein, weil sie Vivian dieses Versprechen gegeben hat.«

      »Ich dachte, ein fünfjähriges Kind vergisst rasch.«

      »Nein, Vivian wird von Lexi nie vergessen werden. Dazu ist das Kind innerlich schon zu reif. Im Grunde ist das auch gut so. Denn die Erinnerung an die Mutter ist etwas unendlich Kostbares.«

      Sie konnten gut miteinander sprechen. So, wie Alexa sich bei Josefa ausweinen konnte, vermochte der Vater der Ärztin gegenüber all das auszusprechen, was sein Herz bewegte, seit das Kind auf dem Flughafen unerwartet vor ihm gestanden hatte.

      Später schwammen sie um die Wette, und er konnte feststellen, dass die kluge Doktorin ausgezeichnete sportliche Fähigkeiten besaß. Doch er erinnerte sie rechtzeitig daran, dass sie sich wegen der überstandenen Krankheit nicht überanstrengen dürfte.

      »Vorsicht, Josefa! Sie vergessen, dass Sie noch Patientin sind. Es ist zwar ein sehr plumper Versuch, meine eigenen schwachen Fähigkeiten im Schwimmen zu entschuldigen, aber wir sollten kein Wettschwimmen veranstalten, sondern uns gemächlich fortbewegen und dann wieder in die Sonne legen.«

      Josefa lachte ihn an. »Sie können sowieso schneller schwimmen als ich, wenn ich auch im Gymnasium alle Schwimmpreise nach Hause holte und noch als Studentin allerlei Medaillen gewann. Aber Sie haben recht, ich darf mich nicht überanstrengen. Also werde ich vernünftig sein.«

      Als die Sonne schon schräg stand, riefen sie Lexi, die das warme klare Wasser nur ungern verlassen wollte, sich aber am Ende doch anzog, als sie hörte, dass man unterwegs noch anhalten wolle, um Kuchen zu essen.

      »Und Kakao?«, fragte sie, indem sie sich die Lippen leckte.

      »Natürlich bekommst du Kakao – so wie damals, als wir uns kennengelernt haben.«

      Lexi nickte. »Warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass du mein Vati bist?«, forschte sie ernsthaft. »Das wäre viel besser gewesen.«

      Alexander holte tief Atem und warf Josefa einen hilfesuchenden Blick zu.

      »Vielleicht hat dein Vati gedacht, dass du es weißt«, warf die Ärztin vorsichtig ein.

      »Nein,


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