Seligenstädter Einladung. Группа авторов

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Seligenstädter Einladung - Группа авторов


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Termitentürmen

      Pendler aus Seligenstadt

      Geld pulst im Asphaltgeäder

      Unfalltod real und ärgerlich

      Abends im Traumverlies

      den letzten Tropfen

      ins bunte Vergessen verschüttet

      so viel Zeit wieder

      vom großen Lebenslöffel

      Geleit

      Natalie Himmelsbach

      die Menschen sind Wanderer,

      nur ich, ich wandere nicht.

      ich sitze am Weg und du,

      du gehst wie ein Mond im Kreis.

      vom Weg habe ich gelernt,

      wie einer ein Ziel ist. das Zielen

      habe ich am Wegrand gelernt.

      ich ziele gut.

      ich sehe dich kommen.

      Schon von weitem erkenne ich

      deine Gestalt und Gang.

      wenn du nah bist, bewerfe ich dich

      mit Stöcken und gelegentlichen Steinen.

      das tue ich dir zum Zeichen.

      Ich nehme von den Stöcken die mürben

      und von den Steinen die weichen

      als meine Art, dir zu beweisen, Vorübergehender,

      wie ich zärtlich bin, dir zum Geleit.

      Erinnerung gesucht

      Peter Jabulowsky

      O

      ft fahre ich in diese Stadt am Untermain. Warum? Ich muss in einem früheren Leben ein Seligenstädter gewesen sein. Vielleicht suche ich nach Zeichen. Zu gern möchte ich mich erinnern.

      Vom Fastnachtszug im Schlumberland habe ich gehört. Den gibt es schon seit mehr als hundert Jahren. Auch fühle ich mich manchmal schlumberlich. Ob das von damals übrigblieb, kann ich nicht sagen, kann mich an eine alte Fastnacht nicht erinnern.

      Auch katholisch bin ich nicht. Habe bis vor Jahresfrist von Einhard nie gehört. Und doch erscheint er mir vertraut, der Baumeister und Biograph.

      Die Märtyrer Marcellinus und Petrus sind mir völlig unbekannt. Dennoch scheinen sie, bei meinem Gang durch die Basilika, mir im Geiste zu winken. Ich durchstreifte die Jahrhunderte in dicken, alten Büchern. Ob ich den Herren persönlich je begegnet war? Weder an den Priester noch an den Exorzisten kann ich mich erinnern.

      Sollte ein Beamter ich gewesen sein, der mit Grandeur den fahrenden Händlern den Löffeltrunk reichte? Oder habe ich gar als Offizier mit blankem Schwert und meinen Mannen raffgierige Händler auf ihrem Weg zur Stadt hinaus durch den düsteren Wald geleitet? Ich kann mich nicht erinnern.

      Der Abt Colchon und die Wallonen erschienen mir, als ich von dem Geschehen hörte, gleich sympathisch. Ich durchforste meinen Kopf und finde keinen Hinweis, ob ich dabei gewesen war. Ich kann mich einfach nicht erinnern.

      Vielleicht war ich doch nie ein Seligenstädter. Der pure Zufall will es, dass hier meine Freunde leben. Ich sitze gern mit ihnen vor herausgeputzten Fachwerkhäusern in einem grünen Gasthausgarten und trinke Glaabs.

      Außerdem traf ich hier Menschen, die mit Sprache spielen. Gemeinsam verhaken wir Worte zu klingenden Ketten. Wir knüpfen bizarre Gedankengobelins im Heute und dekorieren damit unsere Zukunft.

      Das Vergangene überlasse ich derweil seiner eigenen Erinnerung.

      Der Weg nach Frankfurt

      Reinhard Franz

      Alle vier Jahre

      hat Seligenstadt Stress,

      zum Zug der Kaufleut’

      zur Frankfurter Mess’,

      gedacht an die Zeit,

      als Wege noch weit,

      gerechnet in Tagen,

      mit Pferden und Wagen.

      Gefährlich die Pfade,

      von Räubern bedroht,

      nur Schutz durch des Kaisers

      schriftlich’ Gebot.

      Bis Frankfurt war nur noch

      ein halber Tag Reise,

      heut’ gibt es Straßen

      und auch ein paar Gleise

      die führ’ n zwar nach Frankfurt

      doch aus einer Zeit

      als Furcht vor der Großstadt

      die Wege bereit’.

      Statt Brücke die Fähre

      auf Umweg der Zug

      für heutige Umständ’

      der Stunden genug.

      Der Weg der Geschichte

      lebt hier so noch fort

      Tradition und Moderne

      verbunden am Ort.

      Von Pleiten und Perlen am Untermain

      S. Katharina Eismann

      Ein Büschel Petersilie

      für die Einhardsuppe geklaut

      in der Manteltasche verstaut

      die Geranie noch triste

      der Klosterhof düster

      die Turmwächterin faucht

      vor strammstehenden Touristen

      une am Main hawe mediterrane Tatare

      das Perlekettche versaut

      sich einen Palazzo nach dem anere gebaut

      Eiskaiser streckt das Zünglein raus

      sie hawe sich was notiert

      was ihnen net gehört

      sie hawe textoriert über mei

      liebenswertes Städtchen

      die Poetas blicken rezensiert

      sie hausmeistert vor dem Brünnlein

      in der Hintergass

      unser Fruchtwasser is selig

      Troubletroubadouren

      rauf und runter

      zu den Huren ins gelbe Haus

      bardet ins heilige Kraut

      die dicke Emma

      hat sich den zarten Reimhard geschnappt

      ist mit ihm durch den Schnee gestapft

      stuck stuck stuck

      von vaginalen Ranken umgarnt

      wem gehört die schönste Decke

      im Fachwerkverband?

      helau die Stuckpolizei

      hat Grafitti und Pisse gewittert

      ist Heimat nicht öffentlich zugänglich?

      das Kopfsteinpflaster ist ausgerastet

      Heimatbesuch

      Rolf Silber

      »D

      e Maa«, sagt der Mann hinter mir in einer exzellenten Mischung aus Südhessisch und kleinen Einsprengseln des Mainfränkischen, »de Maa iss doch’ n scheene Fluß.« Was zweifelsohne wahr ist. Schließlich fahren wir gerade, sehr früh am Morgen, in einem flachen Fischernachen,


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