Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3. Dirk van den Boom

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Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 - Dirk van den Boom


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treffe.«

      »Wozu?«

      »Damit ich erfahre, was hier passiert, ehe ich bei Hofe ankomme und in das Wespennest trete.«

      »Du hast Angst, dass sie dich gleich festnehmen?«

      »Nein«, erwiderte Darius nach kurzem Nachdenken. »Das werden sie nicht tun. Dafür hätte ich schon die Hand gegen meinen Vater erheben müssen, was ich niemals getan habe. Nein. Aber der imperiale Hof ist ein eigener Mikrokosmos, der Realität und Wahrheit anders interpretiert, als normale Menschen das tun. Dort werden Dinge entweder gar nicht oder verzerrt wahrgenommen, je nachdem, wie der Kaiser es gerne hätte. Es fällt einem schwer, sich diesem Mikrokosmos zu entziehen. Es ist ein wenig wie im Taschenuniversum der Kath, in dem diese sich eigene Gesetze gegeben haben. Der Unterschied ist, dass der imperiale Hof von sich behauptet, mit der Realität zu interagieren – und sie sogar zu bestimmen. Ich würde gerne vorher erfahren, was die Leute denken, die sich in keiner so exaltierten, aber nichtsdestotrotz kompetent informierten Position befinden. Der Hofzeremonienmeister wäre jemand gewesen, der sich in beiden Welten auskennt. Du entsinnst dich unseres Freundes Horton Vigil? Er dürfte jetzt auch schon hier im System angekommen sein und seine eigenen Pläne verfolgen.«

      »Was ist mit ihm?«

      »Mattilaa war sein Chef. Das erschwert die ganze Sache ein wenig. Ich hoffe, Vigil kann trotzdem problemlos operieren.«

      »Du machst dir Sorgen?«

      »Er ist auf unserer Seite, irgendwie. Und wenn er herausfindet, wer für das Signal verantwortlich war, woher es kam, dann haben wir eine Idee davon, wer hier für Dendh arbeitet.«

      Sol nickte und trank.

      Es verging eine gute Stunde, ehe sich die Leitstelle wieder meldete, diesmal nicht in Gestalt der gut aussehenden Frau, sondern in der eines livrierten Beamten, männlich, alt, streng, die Personifizierung des Hofes, und ein Gesicht, auswechselbar mit allen anderen, eines, das Darius kannte, obgleich er es nie zuvor erblickt hatte. Eine Hofschranze, vorgeschickt und vorgeschoben, damit klar war, dass Darius zwar ein Recht auf Zugang zu seiner Familie hatte, er aber andererseits kein allzu herzliches Willkommen zu erwarten habe.

      »Mein Prinz«, sagte der Beamte förmlich und ohne Herzlichkeit, »willkommen zurück! Ich bin Edmund, Gehilfe des Zeremonienmeisters und angewiesen, Ihre Rückkehr zu … begleiten.«

      »Edmund«, grüßte Darius den Mann mit einem Kopfnicken. Er hatte nicht die Absicht, ihn zu beleidigen oder anderweitig in Verlegenheit zu bringen, das wäre kleinlich und kindisch gewesen. »Ich bedanke mich für den Gruß. Wann darf ich meinen Vater treffen?«

      »Ihre Majestät ist sehr beschäftigt. Die Situation ist ernst.«

      »Deswegen möchte ich ja mit ihm reden. Ich verfüge über wichtige Informationen.«

      »Ah ja.« Edmund ließ Darius durch diese beiden Laute wissen, dass er die Dringlichkeit dieser Erkenntnisse nicht für gegeben hielt. »Mein Prinz, Ihr wart lange fort und es herrschte große Ungewissheit über Euren Verbleib. Die Art Eurer Rückkehr, Eure Verwicklung in gewisse Vorkommnisse im Canopus-System … all dies hat Fragen aufgeworfen. Ich wurde gebeten, Euch vor einer Audienz dem Chef des Militärgeheimdienstes vorzustellen. Direktor Kalebonian freut sich bereits darauf, Sie näher kennenzulernen.«

      Kalebonian. Der Name tauchte immer wieder auf, und meist in keinem guten Licht. Darius wollte keine Konfrontation, er wollte ihn gar nicht treffen, er hielt ihn für eine Gefahr, möglicherweise für einen Verräter. Horton Vigil würde derzeit damit befasst sein, sich der Dinge zu vergewissern. Kalebonian war jemand, der über große Macht verfügte. Er würde Darius nicht mit Samthandschuhen anfassen, und dies mit voller Billigung seines Vaters.

      »Ich verstehe«, brachte Darius hervor, wollte Edmund nicht die Genugtuung geben, einen kaiserlichen Prinzen eingeschüchtert zu haben, obgleich exakt das gerade passiert war. Darius verfluchte seine Angst und seine Schwäche. Aber es war ja nun nicht so, als käme das völlig unerwartet. »Ich verstehe und akzeptiere das natürlich«, sagte er dann, neigte den Kopf. »Wohin soll ich mich begeben? Zum Palast, nehme ich an.«

      »Nein, der Direktor wünscht Euch im Hauptquartier des Militärgeheimdienstes zu treffen.«

      »Eine Anordnung meines Vaters?«

      »Nein, ein Wunsch des Direktors.«

      Darius zögerte unmerklich. Wusste sein Vater überhaupt, dass er hier war? Oder hatte Kalebonian eingegriffen und gleich den Kontakt an sich gerissen? Darius kam zu einem schnellen Entschluss.

      »Dann lehne ich ab. Ich bin ein Prinz des Imperiums. Der Palast ist auch mein Stammsitz. Ich kehre nach einer langen und anstrengenden Zeit in die Heimat zurück. Ich werde meine Gemächer aufsuchen und dort dem Direktor gerne eine Audienz gewähren. Aber wir sollten bei all den Fragen, die meine Abwesenheit aufgeworfen hat, doch nicht vergessen, wer hier zu den Herren gehört und wer zu denen, die dienen. Oder, Edmund, wollen wir das?«

      Oh ja. Darius erschauerte förmlich vor sich selbst. So zu reden, das lernte man von Kindesbeinen an, und obgleich er es selten tat, kam es ihm leicht und selbstverständlich von den Lippen, ein Hinweis darauf, dass auch in ihm, dem Renegaten, ganz tief drin ein kleines Arschloch steckte.

      Edmund rang mit sich. Seine Konditionierung, sein Auftrag, seine Indignation, sein Respekt, sein Gehorsam, alles widerstreitende Emotionen, die er nicht einmal richtig zeigen konnte, wollte er nicht sein Gesicht verlieren.

      »Bitte wartet auf der aktuellen Position und beendet Euren Anflug, Hoheit. Es ist … eine schwierige Situation. Ich muss Rücksprache halten.«

      »Mit wem genau? Meinem Vater? Dem Nachfolger Mattilaas? Wer ist das überhaupt?«

      »Ich melde mich bald wieder. Bitte behaltet die Position bei. Alle sind sehr nervös, mein Prinz. Wir wollen nicht … wir müssen vorsichtig sein. Bitte habt Verständnis.«

      Edmunds Gesicht verschwand vom Schirm. Darius drehte den Kopf langsam zu Sol, der ihn fragend ansah und sich dann vorsichtig äußerte: »Das ist nicht so gelaufen wie erwartet, oder?«

      Er hatte sein Glas geleert und die Flasche schon wieder in der Hand.

      »Im Grunde schon«, antwortete Darius gedehnt. »Dass mich mein Vater nicht mit offenen Armen empfangen würde, habe ich erwartet. Dass jemand wie der gute Edmund nervös sein würde, weil er nur der Überbringer schlechter Nachrichten ist, von denen er selbst nicht notwendigerweise viel hält – geschenkt. Aber er war am Ende zu unsicher. Das verursacht ein gewisses Unwohlsein bei mir. Ein starkes Unwohlsein.« Er wandte sich dem einfach gehaltenen Kontrollpult zu, über das er das Boot steuerte. Im Grunde konnte er dort nicht mehr tun, als dem Autopiloten Befehle erteilen. Das Schiff flog sich teilautonom und einen echten Piloten benötigte es nicht. Es war so, wie Aume nun einmal Raumfahrzeuge konstruierte: die Besatzung als Passagiere, aber nicht als Akteure. Es sagte einiges darüber aus, wie die Schiffsintelligenz ihre neuen Freunde betrachtete. Darius war froh, die Entscheidung getroffen zu haben …

      »Kip!«

      Sol nannte ihn manchmal noch so. Im Überschwang der Gefühle.

       Moment!

      Welcher Gefühle?

      Darius schaute auf die Kartenprojektion, die den Verkehr im System in Echtzeit abbildete, ein buntes Gewimmel sich bewegender Punkte, einer davon sie selbst. Er wusste erst nicht, was Sol beobachtet hatte, doch dann sah er es auch.

      Er pfiff. »Na so was!«

      »Was bedeutet das?«

      Darius berührte einige der sich langsam bewegenden Punkte. »Das hier. Das hier. Das hier. Leichte Kreuzer der Systemflotte.« Sein Finger tanzte durch die Projektion. »Das hier. Das hier. Korvetten der Systemflotte.« Wieder ein Sprung, diesmal von einem anderen Winkel. »Das hier. Drei Polizeiboote in Formation. Du hast es sofort gesehen. Meinen Respekt, alter Freund!«

      »Sie kommen von allen Seiten.«

      Darius lächelte freudlos. »Von allen Seiten wäre übertrieben.


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