Butler Parker Staffel 12 – Kriminalroman. Günter Dönges
Читать онлайн книгу.Will Conders«, präzisierte der Butler. »Nach Mitteilung des Misters Patch arbeitet das Ehepaar zur Zeit in Paris. Ob das den Tatsachen entspricht, müßte sich feststellen lassen.«
»Wie kommen Sie ausgerechnet auf dieses Ehepaar, Mister Parker? Speisen Sie mich nur nicht mit Vermutungen ab!«
»Ich denke an das Sprengstoffattentat auf die drei Kaskadeure Stream, Witman und Lormers«, antwortete der Butler höflich, wie es seiner Art entsprach. »Nur intime Freunde konnten diese Sprengladung derart wirkungsvoll installieren.«
»Das ist ja völlig neu für mich, Mister Parker. Wie war diese Sprengladung denn angebracht worden?«
»Laut Superintendent Needle an der Innenseite der verschlossenen Tür zur Wohnung«, schloß Parker. »Der oder die Mörder müssen logischerweise in der Wohnung gewesen sein und sie auf einem ziemlich waghalsigen Weg wieder verlassen haben.«
»Natürlich, das klingt plausibel«, freute sich Agatha Simpson. »Wieso ist der Weg aus der Wohnung waghalsig?«
»Sie konnte nur auf dem Umweg über das Dach verlassen worden sein«, fügte Parker hinzu, »und das deutete auf Kaskadeure hin, wenn ich mir diese Schlußfolgerung erlauben darf.«
*
Diesmal hatte man ihr keinen Spielraum gelassen.
Kathy Porter war an Händen und Füßen gefesselt worden. Sie lag auf einer schmalen Pritsche und fühlte sich hundeelend. Man hatte eine zerschlissene Decke über sie geworfen, die ihre Blöße nur notdürftig bedeckte.
Sie schaute sich neugierig in ihrem Gefängnis um und stellte zu ihrer Überraschung fest, daß sie sich diesmal auf einem Dachboden befand, der mit Gerümpel aller Art vollgestopft war. Ausrangierte Möbel, Kisten, Schließkörbe, und verschnürte Zeitungsbündel schufen ein wildes Chaos. Die Lichtverhältnisse unter dem Dach waren nicht besonders gut. Durch einige fast blinde Fenster fiel Sonne ein, die aber nicht ausreichte, um Einzelheiten zu erkennen.
Kathy hatte Durst, hielt es aber für sinnlos, sich durch Rufe bemerkbar zu machen. Warum man sie aus dem Keller geschafft hatte, wußte sie nicht. Sie vermutete nur, daß Parker den Entführern bereits dicht auf den Fersen war. Kathy überlegte, wer diese Leute sein konnten. Sie fragte sich, ob Lady Simpson inzwischen schon das verlangte Lösegeld gezahlt hatte, und weiter, ob man sie nach dieser Zahlung freilassen würde.
Sie hörte von irgendwoher ein Geräusch, das aus der Dunkelheit des Dachbodens kam und sich langsam näherte. Die junge Frau hob den Kopf, um besser sehen zu können.
Es war ein Vampir!
Er stand plötzlich neben dem alten Schrank, dessen Tür quietschend aufging. Der Vampir war fast nur zu erahnen, und sah unheimlich und unwirklich aus. Er trat jetzt weiter vor und ließ sich in ganzer Größe sehen.
Es war ein Vampir mit blonden Locken, wie Kathy überrascht zur Kenntnis nahm.
Der weibliche Vampir war etwas über mittelgroß, schlank und sah in dem schwarzen, eng anliegenden Trikot sportlich trainiert aus. In dem fast weißen Gesicht glühten dunkle Augen. Die schmalen Lippen waren leicht geöffnet und gaben de Blick frei auf überlange dolchartige Stoßzähne. Das lange, bis auf die Schultern reichende Haar war weißblond und gelockt. Die Finger liefen in spitzen Krallen aus.
Das alles war es nicht, was Kathy nervös machte und erschreckte. In den Händen des blonden Vampirs befand sich ein verdrillter Damenstrumpf, der immer wieder gestrammt wurde. Die Absicht der Besucherin war eindeutig. Sie schien sich darauf versteift zu haben, Kathy Porter zu erwürgen.
»Hätten Sie nicht einen Schluck Wasser für mich?« frage Kathy und ignorierte den Damenstrumpf in den Händen des blonden Vampirs.
»Du braucht kein Wasser mehr«, war die Antwort. »Ich werde dich umbringen!«
»Und warum, wenn ich fragen darf?« Kathy zwang sich zur Ruhe. Sie hatte den Eindruck, es mit einer Verrückten zu tun zu haben.
»Du bist schamlos«, erwiderte der blonde Vampir.
»Das müssen Sie mir erst mal erklären«, gab Kathy schnell zurück. »Wessen Gefühle habe ich beleidigt?«
»Du bist Gift für die Männer«, antwortete der blonde Vampir ein wenig pauschal. »Flittchen wie dich muß man umbringen!«
»Sie müssen mich verwechseln«, gab Kathy zurück. »Zudem eine offene Frage: Warum benutzen Sie nicht Ihr Gebiß? Das würde zu Ihrer Maskerade viel besser passen.«
Der blonde Vampir war an einer weiteren Diskussion nicht mehr interessiert. Mord war seine Absicht. Das eigenartige Wesen warf sich auf Kathy und hatte tatsächlich vor, die junge Dame zu strangulieren.
Kathy hatte diesen Angriff aber erwartet und setzte sich energisch zur Wehr. Sie ließ ihre angezogenen Beine vorschnellen und traf den Leib des Vampirs, der aufschrie, zurückgeschleudert wurde und dann in der geöffneten Schranktür landete. Der Spiegel nahm dies übel und ging in Scherben.
Bevor der blonde Vampir sich aufraffen konnte, beobachtete Kathy einen zweiten und dann einen dritten Vampir. Es handelte sich um zwei Wesen, die ihr nicht ganz unbekannt waren. Ein Vampir war groß und dürr, der zweite rundlich und untersetzt. Sie warfen sich auf den blonden, rissen ihn zurück und schleiften ihn in die Dunkelheit und Tiefe des Dachbodens.
Der weibliche Vampir war mit dieser Behandlung nicht einverstanden und stieß gellende, fast hysterische Schreie aus. Die beiden männlichen Vampire hatten ihre liebe Mühe und Not, den weiblichen Vampir zu bändigen. Es dauerte einige Zeit, bis Kathy Porter nichts mehr hören konnte. Das abrupte Schweigen hing mit einem dumpfen Schlag zusammen.
Kathys erster Eindruck verstärkte sich noch. Der weibliche Vampir mußte verrückt sein. Er war im letzten Augenblick wieder eingefangen worden. Wer mochte diese Frau sein? Warum hatte sie sie umbringen wollen?
Die Gefahr war zwar vorerst gebannt, doch mit der Rückkehr dieser rachedurstigen Frau war jederzeit zu rechnen. Da Kathy verständlicherweise keine Lust hatte, sich von dem blonden Vampir umbringen zu lassen, verstärkte sie ihre Anstrengungen, um sich ihrer Fesseln zu entledigen.
Durch die ruckartige Bewegung ihrer Beine hatte sich der Strick gelockert, mit dem sie auf dem Bett festgezurrt war. Kathy machte sich sofort daran, diesen kleinen Vorteil weiter auszubauen. Es spielte jetzt keine Rolle mehr, ob sie beobachtet wurde oder nicht. Sie mußte dieses Risiko einfach eingehen …
*
Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, das er vor dem Haus des Managers Morgan Patch abgeholt hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte er ein paar aufschlußreiche Sätze mit Patch gewechselt und wußte jetzt, wo das Kaskadeur-Ehepaar Conders normalerweise wohnte, wenn es sich in London aufhielt.
Im Fond seines Wagens saß Agatha Simpson und machte einen entschlossenen Eindruck. Dank ihrer Verbindung zum Außenamt wußten sie und Josuah Parker, daß das Kaskadeur-Ehepaar keineswegs in Paris arbeitete. Es mußte sich noch in England aufhalten. Nun war das skurrile Zweigespann Butler Parker-Lady Simpson auf dem Weg, der Wohnung der beiden miteinander verheirateten Kaskadeure einen Besuch abzustatten.
»Eine fußlahme Schnecke würde Sie mit Sicherheit überholen«, raunzte die ältere Dame. »Falls Sie sich nicht trauen, ein wenig schneller zu fahren, werde ich das Steuer übernehmen.«
»Mylady werden ab sofort mit meiner Wenigkeit zufrieden sein«, versprach Parker, dem ein heftiger Schrecken durch Mark und Bein fuhr. Er kannte den verwegenen Fahrstil seiner Herrin, der stets ein wenig an Selbstmordabsichten erinnerte. Parker gab also Gas und überschlug in Gedanken die Anzahl der Strafmandate, die auf ihn zukamen. Aber das war immer noch leichter zu ertragen als eine Lady Simpson in Aktion!
Sie erreichten den südlichen Stadtteil Lambeth und ließen den hochbeinigen Wagen in einer Seitenstraße stehen. Den Rest des Weges legten sie zu Fuß zurück. Lady Simpson glich dabei einer kriegsbereiten Fregatte vor dem Wind. Ihr Tempo war beeindruckend. Das fanden auch einige harmlose Passanten, die von ihr gnadenlos gerammt wurden, als sie leichtsinnigerweise den Kurs der Dame kreuzten.
Laut