Mami Staffel 10 – Familienroman. Lisa Simon

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Mami Staffel 10 – Familienroman - Lisa Simon


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Schneider mußte Kristin aus dem kleinen Büro holen, wo sie gerade am Computer saß und die Buchführung vervollständigte. Jetzt sah Kristin alarmiert auf.

      »Sind Sie sicher?«

      »Ja, ich kenne Johannes doch.«

      Kristin wollte nur einige Sekunden Zeit gewinnen, wie sie merkte. Was wollte Frederik hier? Und warum brachte er Johannes mit? Dachte er etwa, sie könne den Kleinen übernehmen, weil es ihm zuviel wurde? Nun, dann gewöhnte er sich besser gleich daran. Wenn er mit Marion leben wollte, gehörte Johannes dazu.

      »Ich komme sofort.«

      Frau Schneider ging wieder hinaus. Kristin schaute schnell in den Spiegel. Alles in Ordnung, sie sah aus wie immer. Keine Spur von Blässe oder Unsicherheit. Immerhin sah sie Frederik heute das erste Mal nach dem verunglückten Rendezvous wieder.

      Die beiden warteten bei der Sitzecke auf sie. Kristin lächelte, wenn auch nicht so strahlend wie früher.

      »Guten Tag, Frederik. Hallo, Johannes. Was kann ich für euch tun?«

      Das klang doch ganz passabel.

      »Entschuldige, Kristin, daß ich einfach so herkomme… Aber ich mache mir etwas Sorgen um Marion…«

      Verdammt. Es war immer noch komisch. Kristin hatte Mühe, das Lächeln auf ihren Lippen zu halten. Sie atmete etwas schneller.

      »Sie wollte um halb zwölf spätestens zurück sein. Jetzt ist es schon eins. Angerufen hatte sie mich kurz von der Praxis aus, daß es ein wenig länger dauert, aber so lange…«

      »Vielleicht hatte der Arzt einen Notfall. Es wird schon nichts passiert sein.«

      Eigentlich ein starkes Stück, daß er hierherkam, um sich auszuweinen.

      »Ich finde, es sieht ihr nicht ähnlich, nicht noch einmal Bescheid zu sagen. Mein Termin war wichtig, das wußte sie.«

      »Das tut mir leid.«

      Wie wollte Frederik wissen, was Marion ähnlich sah und was nicht? Er kannte sie doch genauso wenig wie er Kristin gekannt hatte…

      »Na ja, es hätte ja sein können, daß sie hier wäre. Dann gehe ich mal wieder.«

      Plötzlich tat er Kristin leid. Er machte sich wirklich Sorgen, das sah sie. Es war und blieb ihre Rolle – sie mußte großmütig verzeihen und ihm jetzt auch noch Trost zusprechen. Na ja, versuchen konnte sie es ja mal.

      »Soll ich Johannes hierbehalten? Würde dir das helfen?«

      »Nein, nein, für die Vorlesung ist es jetzt sowieso zu spät. Ich warte dann zu Hause auf Marion. Der kleine Spaziergang war für Johannes ja ganz gut.«

      »Wie du meinst. Ich würde dir aber sonst gern helfen.«

      »Du bist eine tolle Frau, Kristin. Es tut mir leid, daß alles ein bißchen anders als geplant gekommen ist.«

      Na also, er erkannte ihre großartige Haltung wenigstens an. Da fiel es schon nicht mehr ganz so schwer.

      »Schon gut. Marion ist meine Freundin und du jetzt ihr Freund. Bleibt ja in der Familie.«

      Sie schaffte sogar ein kleines, fröhliches Lachen. Frederik beugte sich vor und gab ihr einen dankbaren Kuß auf die Wange.

      Kristin war froh, als er sich gleich danach umdrehte und die Karre wieder Richtung Tür schob. Als sie ihm nachsah, erkannte sie den Mann, der neulich im Restaurant gesessen hatte und auch schon einmal hier im Laden gewesen war. Er sah zu ihr herüber, wandte den Blick aber gleich ab und schaute angelegentlich auf den Buchtitel im Regal.

      Hatte er gesehen, daß Frederik ihr einen Kuß gegeben hatte? Bestimmt. Jetzt glaubte er sicher, daß Frederik ihr Mann sei. Johannes war ja auch neulich hier bei ihr gewesen.

      Aber warum tat ihr das jetzt so leid? Er hatte doch auch eine Frau oder Freundin oder was immer diese Dame gewesen war, mit der er beim Essen gesessen hatte. Sie mußte sich damit abfinden, ihr Liebesglück war gleich null. Sie würde die gute Tante werden, die man immer mal mit einlud, um kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man sie als Babysitter einspannte. Prost Mahlzeit, was für eine Vorstellung! Kristin wußte nicht, welche Rolle ihr weniger gefallen konnte.

      Sie nahm sich vor, den Stier bei den Hörnern zu packen. Frau Schneider war mit einem anderen Kunden beschäftigt, also ging sie zu dem Mann hinüber, der noch immer Buchrücken studierte.

      »Kann ich Ihnen helfen?«

      Er drehte sich zu ihr um. Sein Blick war reserviert. Kristin fand ihn aus der Nähe noch interessanter. Er war älter als Frederik, hatte kleine Fältchen um die Augen und graue Augen statt blauer. Ansonsten wirkte er markanter. Ein Mann mit Erfahrung.

      »Ich suche einen guten Atlas. Mit Zusatzinformationen. Und außerdem brauche ich ein Buch für eine Dame. Einen Roman. Vielleicht etwas Spannendes.«

      »Einen Psycho-Thriller vielleicht? Es gab da eine Reihe hervorragender Autorinnen, sowohl englische als amerikanische oder deutsche.«

      »Ich verlasse mich da ganz auf Ihre Empfehlung.«

      »Das ist nett. Dann schauen wir erst einmal nach dem Atlas. Kommen Sie mit dort hinüber?«

      Seine Stimme gefiel Kristin ausnehmend gut. Auch seine Art, sich zu bewegen. Sie merkte, daß ihre Gedanken nicht ganz bei der Sache waren. Er wollte schließlich kein Buch über Erotik, sondern einen Atlas.

      Ihrer Empfehlung folgte er auch hier. Er nahm den teuersten Atlas, den sie im Laden anbot, obwohl sie ihm auch die anderen gezeigt hatte. Bei den Romanen schlug sie ihm langatmig die verschiedensten vor, die in etwa in die gewünschte Richtung gingen. Kristin wollte seinen Einkauf so lange wie möglich auskosten. Wer wußte schon, wann sie ihn wiedersehen würde?

      Wahrscheinlich wäre jeder andere Kunde inzwischen schon nervös geworden. Bei ihm hatte Kristin den Eindruck, daß er es überhaupt nicht eilig hatte. Er las hier ein Stückchen, schaute sich interessiert Umschlagbilder und Klappentexte an und tat so, als gäbe es nichts Wichtigeres als dieses Geschenk.

      »Also, welches würden Sie nehmen?« fragte er schließlich, als die Möglichkeiten sich langsam erschöpften.

      »Dieses hier.«

      Das hätte sie ihm von Anfang an empfohlen, wenn es nicht so einen Spaß gemacht hätte, ihn zu beraten.

      »Gut. Könnten Sie es als Geschenk einpacken?«

      »Ja, gern. Kommen Sie bitte mit zur Kasse? Den Atlas ebenfalls als Geschenk?«

      »Nein, der ist für mich.«

      Er interessierte sich also für die Welt. Fein…

      Was er wohl beruflich machte? Kristin war so neugierig, daß sie am liebsten gefragt hätte. Aber möglicherweise war er zur Zeit ohne Arbeit, weil er immer tags-über hierhergekommen war. Dann könnte es ihm peinlich sein, diese Frage zu beantworten.

      Kristin verpackte das Buch mit aller Sorgfalt. Er schaute ihr auf die Finger, was sie ein bißchen hektisch machte. Andererseits wußte sie, daß sie schöne Hände hatte, mit gepflegten Nägeln und ohne Ringe. Auch keinenTrauring – er übrigens auch nicht, das hatte sie sofort gesehen. Aber leider hieß das heute ja auch nichts mehr.

      »So, das macht dann einhundertfünfundachtzig Mark…«

      »Nehmen Sie Kreditkarten?«

      »Selbstverständlich.«

      O wie schön, nun würde sie gleich seinen Namen erfahren… Dr. Claudius Bachner, ein wunderbarer Name. Er hatte also einen Doktortitel, aber leider ging aus der Karte nicht hervor, welcher Art der war. Von Mediziner bis… oje, da gab es viele Möglichkeiten.

      »Bitte schön, Herr Dr. Bachner, wenn Sie hier unterschreiben würden…«

      »Danke…«

      Er unterschrieb schwungvoll, aber leserlich. Damit schied schon fast aus, daß er Mediziner war. Jedenfalls nach Kristins Erfahrung.


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