Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl

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Mami Staffel 12 – Familienroman - Sina Holl


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war zu Angela, was bedeutete das schon? Nicht allzuviel. Das verlorene Kind würde dazwischenstehen. Sie, Monika, war doch auch eine Mutter und vermochte es nachzuempfinden.

      War es nicht, wie immer man es betrachtete, ein großes Problem? Man mußte schon noch ein halbes Kind sein wie Anja, um es nicht so zu sehen. Was wußte man da schon vom Leben. Nichts.

      »Das würde aber auch bedeuten«, sagte Gerhard in die eingetretene Stille hinein, »daß ihr mich und Angela noch länger ertragen müßtest und du weiterhin doppelte Arbeit hättest, Mutti.«

      »Das will ich nicht gehört haben, Sohn«, gab Frau Monika auffahrend zurück. »Euch bei mir zu haben, ist doch die größte Freude für mich.«

      »Aber du, Vater, möchtest du nicht endlich deine Ruhe haben?« fragte Gerhard mit einem kleinen Augenzwinkern.

      »Dummes Zeug«, brummte Arno Schilling. »Würde mir doch was fehlen, wenn mein Enkelchen nicht mehr an meinem Bart zupfen würde!«

      *

      Diese schlicht abgefaßte, aber ins Auge fallende Anzeige in der großen Tageszeitung erregte einiges Aufsehen:

      Ihre Verlobung geben bekannt Gerhard Schilling

      Ariane Danegger

      geb. v. Korff

      Der Chef des Bankhauses hatte sie aufgegeben.

      »Damit alle wissen, wo Sie stehen, Gerhard, wenn Sie denn die Zeit noch nicht für reif halten, Ariane zum Standesamt zu führen«, waren seine Worte.

      Es hatte nur am Sonntagvormittag ein Sektfrühstück in der Villa gegeben. Anja war schmollend mit ihrer kleinen Nichte zu Hause geblieben.

      »Wir machen doch keine Feier, Anja«, tröstete Gerhard seine junge Schwester. »Es ist nur zum gegenseitigen Kennenlernen der Eltern, und ich fürchte, es wird ziemlich steif zugehen. Ariane wird dich bald zu einem zwanglosen Beisammensein einladen, das wird dann viel netter.«

      Es gestaltete sich in der Tat etwas schwierig auf beiden Seiten, Kontakt zu der neuen Verwandtschaft zu finden, so liebenswürdig und gewandt der Hausherr sich auch um die Gäste bemühte. Auch seine Frau Melanie versuchte gute Miene zu machen, nur fiel das festgeklebte Lächeln etwas säuerlich aus. Nun ja, es waren natürlich einfache Leute, die Schillings, die gesellschaftlichen Unterschiede fand sie spürbar. Aber man durfte nicht vergessen, was der Sohn wert war. Immerhin bekam er dafür ihre Tochter.

      Die geschliffenen goldumrandeten Sektkelche klangen aneinander, wie hingehaucht nur war der Verlobungskuß. Es gab keine Geschenke, denn es fehlte hier an nichts, und Ariane trug immer noch die beiden zusammengefügten Eheringe. Gerhard sagte nichts dazu.

      »Puh«, machte Vater Arno, als er sich daheim die ungewohnte Krawatte vom Hals zog, »einmal und nie wieder…«

      Anja kicherte. »Wirst dich schon noch dran gewöhnen müssen, Paps, daß wir eine vornehme Verwandtschaft kriegen.«

      Die Mutter verschwand stillschweigend in der Küche, band sich eine Schürze über das gute Dunkelblaue und setzte den vorbereiteten Braten auf. Von den raffinierten Häppchen, die ein Mädchen im weißen Tändelschürzchen reichte, hatte sie kaum etwas über die Zunge gebracht. Die weichen Teppiche, blinkenden Gläser, die getäfelten Wände und glänzenden Möbel hatten sie verwirrt. Es kam ihr vor, als verlöre sie ihren Sohn an eine andere Welt. Dazu die ausdruckslos und kühl blickenden Augen dieser Frau von Korff.

      »Aber das sage ich dir, Gerhard«, sprach sie, als er schnuppernd zu ihr in die Küche kam, »eine Oma wird die nie für Angela werden.«

      »Du bist und bleibst die einzige«, lächelte Gerhard und legte ihr den Arm um die Schultern.

      Es war nun ein anderes Arbeiten in der Bank, nachdem klare Verhältnisse geschaffen waren. Die Angestellten, die schon den drohenden Untergang gesehen hatten und damit um ihre Arbeitsplätze fürchten mußten, atmeten auf. Durch das eingebrachte Millionenvermögen war das Privatunternehmen wieder liquide, die Guthaben der Korff-Kunden durch den Einlagensicherungsfonds geschützt. Jener, der undurchsichtige und betrügerische Wechselgeschäfte gemacht hatte, war von sich aus gegangen, bevor ihm der Prozeß gemacht werden konnte. Sein Komplice hatte ebenfalls das Handtuch geworfen, denn jetzt wehte ein anderer Wind.

      Das Personal war neu motiviert, setzte sich mit Feuereifer ein, damit es nun wieder aufwärts gehen konnte. Der Juniorchef, als den man Schilling schon betrachtete, hielt die Zügel straff in der Hand und hatte dennoch ein offenes Ohr und ein freundliches Wort für jeden. Und mit dem »Alten«, der müde und resigniert so lange alles hatte schleifen lassen, war eine Wandlung vor sich gegangen. Er hielt sich jetzt straff, wirkte förmlich verjüngt, und ein langer Arbeitstag schien ihm nichts mehr auszumachen.

      Manchmal gingen die beiden Herren zusammen zum Essen.

      »Ariane hat zu wenig von Ihnen, Gerhard«, sagte Korff heute zu seinem zukünftigen Schwiegersohn. »Sie sehen sich ab und zu mal am Abend, und sonst nur am Wochenende ein paar Stunden mit der Kleinen, wie sollen Sie sich da näherkommen.«

      »Wir kommen uns näher, Leonhard«, versetzte Gerhard mit einem feinen Lächeln – privat nannten sie sich beim Vornamen. »Ariane nimmt schon eine andere Haltung uns gegenüber ein. Sie ist weicher, offener geworden.«

      Korff nickte nachdenklich.

      »Ich gewinne auch allmählich den Eindruck, daß sie das Schlimmste überwunden hat. Aber sie ist noch weit davon entfernt, ein gewisses inneres Gleichgewicht zu haben. Einmal sah ich sie lachen mit Ihrer Angela, doch fast erschrocken verstummte sie wieder und der Moment einer Heiterkeit war vorüber.«

      »Aber es gab ihn. Ist das nicht schon ein Grund zur Hoffnung?«

      Mit einem warmen Blick sah Leonard von Korff den Jüngeren an, von dem so viel Kraft und Zuversicht ausging, die sich ihm mitteilte.

      »Sie hat uns der Himmel geschickt, lieber junger Freund«, sagte er spontan.

      *

      Ariane hatte ihrer Tante im Geschäft geholfen, neue Waren ausgepackt, Geschenkartikel schon für Weihnachten, Preislisten durchgesehen. Jetzt war Feierabend. Irene Keßler schloß die Tür hinter der Angestellten ab, die heute länger geblieben war. Sie ging mit Ariane nach oben, wo ihre Mäntel im Schrank hingen. Aber ihre Nichte sah sich unschlüssig um.

      »Könnte ich nicht noch irgend etwas tun?« fragte sie.

      »Wieso denn, du hast genug für heute getan.« Irene griff schon nach ihrem Mantel. »Kaum aufgeblickt hast du und warst fast nicht ansprechbar.« Sie lächelte dabei.

      Ariane trat an den Schreibtisch, auf dem noch einige unerledigte Briefschaften lagen. Sie schob sie hin und her. »Dann komme ich wenigstens nicht zum Denken«, sprach sie vor sich hin.

      Irenes Blick wurde aufmerksam. Hatte es Ariane wieder gepackt, tat der Abgrund von Trauer sich erneut vor ihr auf?

      »Wenn du nicht nach Hause möchtest, kannst du mit zu mir kommen, Ariane«, schlug sie vor.

      »Ich weiß nicht…« Ariane stemmte die Hände auf die Schreibtischplatte und sah vor sich nieder. »Am liebsten möchte ich weit fort«, stieß sie unvermittelt hervor.

      Die Tante legte den Mantel achtlos über die Stuhllehne. Das wollte sie erst wissen, was da nun wieder vor sich ging.

      »Möchtest du mal verreisen?« fragte sie behutsam.

      »Ich weiß nicht. Ja, vielleicht –«, antwortete Ariane zerrissen.

      »Warum nicht«, sagte Irene. »Es wäre zu überlegen. Du bist seit Jahren nicht mehr rausgekommen. Ein Tapetenwechsel würde dir sicher guttun.«

      »Aber wohin sollte ich denn? Es verfolgte mich doch überallhin«, kam es tonlos zurück.

      »Was verfolgt dich, Ariane?« Als die Nichte schwieg, sprach wie weiter: »Es hatte doch schon den Anschein, daß die Schatten der Vergangenheit dich nicht mehr peinigten. Als du neulich mit Gerhard und Angela bei mir warst, kam etwas von der früheren, lebendigen Ariane


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