Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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un­er­schüt­ter­li­che Zu­nei­gung aus, daß sich Frau Bi­rot­teau im In­ners­ten be­wegt fühl­te; aber wie alle Frau­en be­nütz­te sie die Lie­be, die sie ein­flö­ßte, um die Sa­che zu ih­ren Guns­ten zu ent­schei­den.

      »Nun also, Bi­rot­teau,« sag­te sie, »dann laß mich doch auf mei­ne Wei­se glück­lich wer­den. We­der du noch ich ha­ben eine Er­zie­hung ge­nos­sen, wir kön­nen we­der uns un­ter­hal­ten noch einen Die­ner ma­chen, wie die Leu­te der fei­nen Ge­sell­schaft: und wie sol­len wir da in ei­ner öf­fent­li­chen Stel­lung Er­folg ha­ben? Und ich, ich wür­de so glück­lich in Tré­so­rières sein! Im­mer habe ich die Tie­re und die klei­nen Vö­gel gern ge­habt, und ich wür­de so gern mein Le­ben da­mit ver­brin­gen, für die Hüh­ner zu sor­gen und eine Land­frau zu sein. Wir wol­len un­ser Ge­schäft ver­kau­fen, Cäsa­ri­ne ver­hei­ra­ten und du laß dei­nen Grö­ßen­wahn fah­ren. Wir wer­den den Win­ter in Pa­ris le­ben, bei un­serm Schwie­ger­sohn, wir wer­den so glück­lich sein, und nichts, was in der Po­li­tik oder im Han­del pas­siert, wird uns­re Le­bens­wei­se be­ein­flus­sen kön­nen. Wa­rum wol­len wir denn die an­dern tot ma­chen? Ge­nügt un­ser jet­zi­ges Ver­mö­gen nicht für uns? Wenn du Mil­lio­när sein wirst, kannst du dann zwei­mal Mit­tag­brot es­sen? Wünschst du dir noch eine an­de­re Frau als mich? Denk doch an mei­nen On­kel Pil­ler­ault! Der hat sich ver­stän­di­ger­wei­se mit sei­nem klei­nen Ver­mö­gen be­gnügt und ver­bringt sein Le­ben da­mit, an­dern Gu­tes zu tun. Braucht der etwa schö­ne Mö­bel? Na­tür­lich hast du schon die Mö­bel für mich be­stellt: ich habe Bra­schon hier ge­se­hen, und er ist si­cher nicht her­ge­kom­men, um Par­füms zu kau­fen.«

      »Ja­wohl, mein Herz, dei­ne Mö­bel sind schon be­stellt und mit den Ar­bei­ten hier wird mor­gen an­ge­fan­gen; ge­lei­tet wer­den sie von ei­nem Archi­tek­ten, den mir Herr von La Bil­lar­diè­re emp­foh­len hat.«

      »Mein Gott,« rief sie aus, »er­bar­me dich un­ser!«

      »Aber so sei doch ver­nünf­tig, lie­bes Kind. Willst du dich denn mit sie­ben­und­drei­ßig Jah­ren, so frisch und hübsch, wie du bist, in Chi­non be­gra­ben? Ich bin ja auch erst, Gott­lob, neun­und­drei­ßig. Das Glück er­öff­net mir eine neue Lauf­bahn, soll ich sie nicht be­tre­ten? Wenn ich mich hier mit der ge­bo­te­nen Vor­sicht be­we­ge, dann kann ich ein Haus be­grün­den, das un­ter der Pa­ri­ser Bour­geoi­sie eh­ren­voll ge­nannt wird, wie das frü­her ge­sche­hen ist; dann kann ich die Bi­rot­te­aus be­grün­den, wie es die Kel­lers gibt, die Ju­les Des­ma­rets, die Ro­gu­ins, die Guil­lau­mes, die Le­bas, die Nu­cin­gens, die Sail­lards, die Po­pi­nots, die Ma­ti­fats, die in ih­rem Vier­tel et­was be­deu­ten oder be­deu­tet ha­ben. Und wenn noch die­se Sa­che nicht so si­cher wie Gold wäre …«

      »Si­cher?«

      »Ja­wohl, si­cher. Seit zwei Mo­na­ten habe ich es mir aus­ge­rech­net. Ohne daß je­mand et­was ge­merkt hat, habe ich über die Bau­ten im Stadt­hau­se und bei den Archi­tek­ten und Un­ter­neh­mern Er­kun­di­gun­gen ein­ge­zo­gen. Herr Grin­dot, der jun­ge Archi­tekt, der un­se­re Woh­nung um­än­dern soll, ist un­glück­lich, daß ihm das Geld fehlt, um sich an un­se­rer Spe­ku­la­ti­on zu be­tei­li­gen.«

      »Weil er die Bau­ten aus­füh­ren will, des­halb drängt er euch dazu und will euch aus­nut­zen.«

      »Las­sen sich Leu­te wie Pil­ler­ault, Karl Cla­paron und Ro­guin aus­nut­zen? Nein, der Ge­winn ist so si­cher wie bei der Sul­tan­in­nen-Pas­te.«

      »Aber, Liebs­ter, was hat Ro­guin denn nö­tig, zu spe­ku­lie­ren, wenn er auf sein No­ta­ri­at nichts mehr schul­dig ist und ein Ver­mö­gen ge­macht hat? Ich sehe ihn manch­mal vor­bei­ge­hen, sor­gen­vol­ler als ein Staats­mi­nis­ter, mit et­was Ver­steck­tem in sei­nem Blick, was mir nicht ge­fällt; als ob er Sor­gen ver­ber­gen woll­te. Seit fünf Jah­ren hat er ein Ge­sicht wie ein al­ter Bumm­ler be­kom­men. Wer sagt dir, ob er nicht aus­rückt, wenn er euer Geld in der Ta­sche hat? So was ist schon vor­ge­kom­men. Ken­nen wir ihn denn wirk­lich ge­nau? Mag er sich im­mer seit fünf­zehn Jah­ren un­sern Freund nen­nen, ich möch­te nicht mei­ne Hand für ihn ins Feu­er le­gen. Den­ke dar­an, daß er eine Stin­kna­se hat und nicht mit sei­ner Frau zu­sam­men­lebt; si­cher hat er Mätres­sen, die ihn rui­nie­ren; ich kann mir kei­nen an­dern Grund für sei­ne trüb­se­li­ge Mie­ne den­ken. Wenn ich beim An­klei­den durch die Gar­di­nen gu­cke, sehe ich ihn mor­gens zu Fuß nach Hau­se gehn; nie­mand weiß, wo er da her­kommt. Ich habe den Ein­druck, daß er noch einen zwei­ten Haus­halt führt, er be­zahlt einen und sei­ne Frau einen. Ist das ein Le­ben, wie es sonst ein No­tar führt? Wenn man fünf­zig­tau­send Fran­ken ein­nimmt und sech­zig­tau­send aus­gibt, dann ist das Ver­mö­gen in zwan­zig Jah­ren auf­ge­braucht und man steht nackt da wie ein neu­ge­bo­re­nes Kind; weil man aber dar­an ge­wöhnt ist, groß auf­zu­tre­ten, plün­dert man ohne Er­bar­men sei­ne Freun­de aus; je­der ist sich selbst der Nächs­te. Er ist in­tim mit dem klei­nen du Til­let, die­sem Lum­pen, un­serm frü­he­ren Kom­mis; mir ahnt nichts Gu­tes bei die­ser Freund­schaft. Wenn er sich über du Til­let nicht klar ist, dann muß er sehr blind sein; wenn er es aber ist, warum ist er so ver­traut mit ihm? Du wirst mir ant­wor­ten, daß sei­ne Frau du Til­let liebt. Nun, ich hal­te nichts von ei­nem Man­ne, der in be­zug auf sei­ne Frau kein Ehr­ge­fühl hat. Und schließ­lich, sind die jet­zi­gen Be­sit­zer die­ser Ter­rains wirk­lich so dumm, daß sie für hun­dert Sous her­ge­ben, was hun­dert Fran­ken wert ist? Wenn dir ein Kind be­geg­net, das nicht weiß, wie­viel ein Louis­dor wert ist, wirst du ihm nicht sa­gen, wie­viel er gilt? Eure Sa­che kommt mir, ohne euch be­lei­di­gen zu wol­len, wie ein Schwin­del vor.«

      »Mein Gott, wie ko­misch seid ihr Wei­ber manch­mal, und wie bringt ihr alle Ge­dan­ken durch­ein­an­der! Wenn ein Ro­guin nicht bei der Sa­che be­tei­ligt wäre, dann wür­dest du sa­gen: du willst dich auf et­was ein­las­sen, Cäsar, wo Ro­guin nicht da­bei ist? dann ist die Sa­che nichts wert. Jetzt tritt er da­bei als Ga­rant auf, und nun sagst du …«

      »Ich den­ke, das ist Herr Cla­paron?«

      »Aber ein No­tar kann doch nicht mit sei­nem Na­men bei ei­nem Spe­ku­la­ti­ons­ge­schäft her­vor­tre­ten.«

      »Wes­halb macht er denn dann et­was, was das Ge­setz ver­bie­tet? Was denkst du denn dar­über, du, der du doch im­mer nur nach dem Ge­set­ze han­delst?«

      »Laß mich doch aus­re­den. Weil Ro­guin da­bei ist, soll die Sa­che nicht gut sein. Hat das einen Sinn? Dann sagst du, er macht et­was Ge­setz­wid­ri­ges. Aber er wird schon of­fen her­vor­tre­ten, wenn es nö­tig ist. Fer­ner sagst du: er ist aber doch schon reich. Kann man nicht von mir das­sel­be sa­gen? Wür­den viel­leicht Ra­gon und Pil­ler­ault zu mir ge­kom­men sein und ge­sagt ha­ben: Wes­halb be­tei­ligst du dich denn, wo du Geld hast wie ein Schwei­ne­händ­ler?«

      »Kauf­leu­te und No­ta­re ha­ben nicht die glei­che Po­si­ti­on«, sag­te Frau Bi­rot­teau.

      »Mein Ge­wis­sen ist hier­bei ganz ru­hig«, fuhr Cäsar fort. »Die Leu­te, die ver­kau­fen, tun das, weil sie dazu ge­zwun­gen sind; wir be­trü­gen sie eben­so­we­nig, wie man die be­trügt, von de­nen man Ren­ten zu fünf­und­sieb­zig kauft. Heu­te kauft man die Ter­rains für den Preis, den sie heu­te wert sind; in zwei Jah­ren ist er ein an­de­rer, wie bei den Ren­ten. Und das soll­test du wis­sen, Kon­stan­ze Bar­ba­ra Jo­se­fi­ne Pil­ler­ault, daß du Cäsar Bi­rot­teau nie­mals auf ei­ner Tat er­tap­pen wirst, die auch nur im ge­rings­ten der strengs­ten Recht­lich­keit, dem Ge­setz, dem Ge­wis­sen oder


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