Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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Mö­bel ihr »Gold« und ihre Klei­der auf­be­wahr­ten, die frü­her fast im­mer aus »Mo­hair« ge­macht wa­ren, und daß ar­moi­re ein kor­rum­pier­tes Wort sei. Po­tier, Tal­ma, die Mars sei­en zehn­fa­che Mil­lio­näre und leb­ten nicht so wie an­de­re mensch­li­che We­sen; der große Schau­spie­ler äße ro­hes Fleisch, die Mars ge­nös­se zu­wei­len auf­ge­lös­te Per­len, um es ei­ner be­rühm­ten ägyp­ti­schen Schau­spie­le­rin gleich­zu­tun. Der Kai­ser habe in sei­nen Wes­ten le­der­ne Ta­schen, um sei­nen Ta­bak gleich hand­voll zu sich neh­men zu kön­nen, er rei­te im Ga­lopp die Trep­pe der Oran­ge­rie in Ver­sail­les hin­auf. Die Schrift­stel­ler und Künst­ler stür­ben im Ho­spi­tal in­fol­ge ih­rer Ab­son­der­lich­kei­ten; sie sei­en üb­ri­gens alle Atheis­ten und man müs­se sich sehr hü­ten, sie bei sich zu emp­fan­gen.

      Jo­seph Le­bas er­zähl­te mit Ent­set­zen die Ge­schich­te der Ehe sei­ner Schwä­ge­rin Au­gus­ti­ne mit dem Ma­ler Som­mer­vieux. Die Astro­no­men leb­ten von Spin­nen. Die­se Hö­he­punk­te ih­rer Kennt­nis­se in der fran­zö­si­schen Spra­che, der dra­ma­ti­schen Kunst, der Po­li­tik, der Li­te­ra­tur, der Wis­sen­schaf­ten las­sen den Um­fang die­ser bour­geoi­sen In­tel­li­gen­zen er­ken­nen. Wenn ein Dich­ter durch die Rue des Lom­bards geht, so kann er, wenn er Wohl­ge­rü­che wahr­nimmt, von Asi­en träu­men. Er be­wun­dert Tän­ze­rin­nen in ei­ner Wirt­schaft und meint den Duft des Ve­ti­ver­gra­ses ein­zuat­men. Ge­blen­det von dem Glanz der Co­che­nil­le, glaubt er dar­in Dich­tun­gen der Brah­ma­nen, in­di­sche Re­li­gio­nen und Kas­ten wie­der­zu­fin­den. Wenn er ro­hes El­fen­bein sieht, so steigt er in Ge­dan­ken auf den Rücken ei­nes Ele­phan­ten, in ein Zelt von Mus­se­lin und pflegt dar­in der Lie­be wie der Kö­nig von La­ho­re. Aber der klei­ne Kauf­mann hat kei­ne Ah­nung, wo­her die Pro­duk­te, mit de­nen er han­delt, kom­men, noch wo sie wach­sen. Der Par­füm­händ­ler Bi­rot­teau ver­stand nicht ein Jota von Na­tur­ge­schich­te und Che­mie. Wenn er Vau­que­lin für einen großen Mann hielt, so be­trach­te­te er ihn als eine Aus­nah­me; er selbst stand auf der Höhe je­nes ehe­ma­li­gen Krä­mers, der eine Dis­kus­si­on über den Be­zug des Tees da­mit schloß, daß er mit schlau­er Mie­ne sag­te: »Der Tee kommt ent­we­der mit der Ka­ra­wa­ne oder aus Le Ha­vre.« Nach Bi­rot­te­aus Mei­nung gab es Aloe und Opi­um nur in der Rue des Lom­bards. Das an­geb­li­che Kon­stan­ti­no­pe­ler Ro­sen­was­ser wür­de wie das Köl­ni­sche Was­ser in Pa­ris fa­bri­ziert. Die Ur­sprungs­na­men sei­en Auf­schnei­de­rei­en den Fran­zo­sen zu Ge­fal­len, die die Er­zeug­nis­se ih­res Lan­des nicht ha­ben woll­ten. Ein fran­zö­si­scher Kauf­mann müs­se sei­ne Er­fin­dun­gen als eng­li­sche be­zeich­nen, wenn er sie in Auf­nah­me brin­gen wol­le, wie ein eng­li­scher Dro­gist die sei­ni­gen für fran­zö­si­sche aus­ge­ben müs­se. Trotz­dem war Cäsar durch­aus nicht dumm oder tö­richt; sei­ne Recht­schaf­fen­heit und Her­zens­gü­te war­fen ih­ren Schim­mer über ihn, der al­les, was er tat, re­spek­ta­bel er­schei­nen ließ; wer im­mer als red­li­cher Mann han­delt, dem wird jede Un­wis­sen­heit ver­zie­hen. Sein be­stän­di­ger Er­folg er­füll­te ihn mit Zu­ver­sicht. In Pa­ris gilt eine sol­che Selbst­si­cher­heit schon als eine Macht, weil man sie als ein Zei­chen von Macht an­sieht. Nach­dem sie Cäsar in den ers­ten drei Jah­ren ih­rer Ehe ge­nau ken­nen­ge­lernt hat­te, war sei­ne Frau das Op­fer be­stän­di­ger Ängs­te; sie re­prä­sen­tier­te in die­sem Bun­de den scharf­sin­ni­gen und vor­sich­ti­gen Teil, den Zwei­fel, die Op­po­si­ti­on, die Furcht; wäh­rend Cäsar die Kühn­heit, den Ehr­geiz, die Tat und das höchs­te Glück, das Her­aus­for­dern des Schick­sals, ver­kör­per­te. Trotz die­ses äu­ße­ren An­scheins aber zit­ter­te der Kauf­mann in­ner­lich, wäh­rend sei­ne Frau in Wahr­heit Ge­duld und Mut be­saß. So ge­lang es die­sem klein­mü­ti­gen, mit­tel­mä­ßi­gen, un­ge­bil­de­ten Man­ne ohne ei­ge­ne Ge­dan­ken, ohne Kennt­nis­se, ohne aus­ge­präg­ten Cha­rak­ter, auf dem schlüpf­rigs­ten Plat­ze der Welt, wo er am we­nigs­ten Aus­sicht auf Er­folg hat­te, durch sein klu­ges Be­neh­men, durch sein Rechts­ge­fühl, sei­ne wahr­haft christ­li­che See­len­gü­te und durch die Lie­be zu der ein­zi­gen Frau, die er je­mals be­ses­sen hat­te, für einen be­mer­kens­wer­ten, mu­ti­gen und klug über­le­gen­den Mann zu gel­ten. Die Men­schen ur­tei­len nur nach dem Er­fol­ge. Au­ßer Pil­ler­ault und dem Rich­ter Po­pi­not wa­ren die Mit­glie­der sei­nes Krei­ses, die ihn nur ober­fläch­lich sa­hen, nicht fä­hig, ihn rich­tig zu be­ur­tei­len. Üb­ri­gens re­de­ten die zwan­zig bis drei­ßig Freun­de, die un­ter sich ver­kehr­ten, die­sel­ben Al­bern­hei­ten, sie wie­der­hol­ten die­sel­ben Ge­mein­plät­ze und hiel­ten sich alle für über­le­ge­ne Leu­te in ih­rem Fa­che. Die Frau­en be­streb­ten sich, mit gu­ten Di­ners und Toi­let­ten her­vor­zu­ste­chen; eine jede von ih­nen hielt sich für ver­pflich­tet, ver­ächt­lich von ih­rem Mann zu re­den. Nur Frau Bi­rot­teau hat­te so­viel Takt, den ih­ri­gen vor den an­dern mit Ach­tung und Re­spekt zu be­han­deln; sie sah in ihm den Mann, der trotz sei­ner ver­steck­ten Un­fä­hig­keit ihr Ver­mö­gen ver­dient hat­te und des­sen An­se­hen sie teil­te. Aber sie frag­te sich manch­mal, wie die Ge­sell­schaft be­schaf­fen sein müs­se, wenn alle an­geb­lich her­vor­ra­gen­den Per­sön­lich­kei­ten ih­rem Man­ne gli­chen. Ihr Be­neh­men trug nicht we­nig dazu bei, die re­spekt­vol­le Ach­tung auf­recht zu hal­ten, die man dem Kauf­mann in ei­nem Lan­de ent­ge­gen­brach­te, wo die Frau­en meist ge­neigt sind, ihre Män­ner zu ver­ach­ten und sich über sie zu be­kla­gen.

      4

      Die ers­ten Tage des Jah­res 1814, die für das kai­ser­li­che Frank­reich so ver­häng­nis­voll wa­ren, mar­kier­ten sich bei den Bi­rot­te­aus durch zwei Er­eig­nis­se, die in je­dem an­dern Hau­se we­nig be­deu­tet hät­ten, die aber einen tie­fen Ein­druck auf so ein­fa­che See­len wie die Cäsars und sei­ner Frau mach­ten, die, wenn sie auf ihre Ver­gan­gen­heit zu­rück­blick­ten, dar­in nur an­ge­neh­me Er­re­gun­gen fan­den. Sie hat­ten als ers­ten Kom­mis einen jun­gen Mann von zwei­und­zwan­zig Jah­ren an­ge­nom­men, mit Na­men Fer­di­nand du Til­let. Die­ser jun­ge Mensch, der von ei­nem Par­fü­me­rie­hau­se, wo man ab­ge­lehnt hat­te, ihn am Ge­winn zu be­tei­li­gen, ab­ge­gan­gen war und der für ge­ni­al be­gabt ge­hal­ten wur­de, hat­te sich vie­le Mühe ge­ge­ben, bei der Ro­sen­kö­ni­gin an­zu­kom­men, de­ren Um­stän­de, Leis­tungs­fä­hig­keit und Ge­schäfts­ge­ba­ren ihm be­kannt wa­ren. Bi­rot­teau nahm ihn an und be­wil­lig­te ihm tau­send Fran­ken Ge­halt mit der Ab­sicht, ihn ein­mal zu sei­nem Nach­fol­ger zu ma­chen. Fer­di­nand hat­te auf das Ge­schick die­ser Fa­mi­lie einen so großen Ein­fluß, daß es nö­tig ist, ei­ni­ge Wor­te über ihn zu sa­gen. Zu­erst nann­te er sich ein­fach Fer­di­nand, ohne Fa­mi­li­enna­men. Die­se An­ony­mi­tät hielt er für einen au­ßer­or­dent­li­chen Vor­teil zu ei­ner Zeit, da Na­po­le­on die Fa­mi­li­en aus­preß­te, um Sol­da­ten zu be­kom­men. Ir­gend­wie war er eben zur Welt ge­kom­men, als die Frucht ei­ner kal­ten wol­lüs­ti­gen Lei­den­schaft. Über sei­ne Per­so­na­li­en mö­gen die fol­gen­den we­ni­gen An­deu­tun­gen ge­nü­gen. Im Jah­re 1793 hat­te ein ar­mes Mäd­chen aus Til­let, ei­nem klei­nen Ort nahe bei les An­de­lys nächt­li­cher­wei­le im Gar­ten des Vi­kars der Kir­che von Til­let ein Kind zur Welt ge­bracht und sich dann, nach­dem sie an die Fens­ter­lä­den ge­klopft hat­te, er­tränkt. Der gute Pries­ter nahm das Kind zu sich, gab ihm den Vor­na­men des Ka­len­der­hei­li­gen je­nes Ta­ges, zog es auf und hielt es wie ein ei­ge­nes Kind. Die­ser


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