G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
Читать онлайн книгу.Und dann war er herausgestiegen. Die Musik zog Abe Panhurst an, Abe, der immer so gern getanzt hatte, obgleich er gar nicht richtig tanzen gelernt hatte. Spaß hatte er daran gehabt, der rothaarige Abe, nichts als Spaß, wenn er die Girls geschwenkt und sie vor Vergnügen gekreischt hatten.
Der kann das ja, dachte Abe verwundert, und wie der das kann, dieser Bursche. Wenn er das gespielt hat, dann frage ich ihn, ob er auch den Cake-Walk kann und für mich spielen möchte. Mensch, das ist ein Ding, da haben wir nun unsere eigene Musik. Hätte ich nie gedacht, daß es hier noch so lustig werden würde. Bekommen der Alte und das Girl eben noch mal Musik zu hören. Blas zum Sterben, Jericho, hoho, das ist ein Spaß!
Er ging auf Zehenspitzen zur Tür, öffnete sie spaltbreit und lugte hinaus, aber er mußte sie schon weiter öffnen, wenn er diesen seltsamen Spaßvogel sehen wollte. Nun sah er ihn, sah seine Pausbacken, die Hand, die um den blitzenden Bügel lag und die Finger, die die Ventile drückten.
Teufel auch, dachte Abe, nun sehe ich das mal ganz aus der Nähe. Also so macht er das – da muß man drücken? Hätte ich mal wissen sollen, dann hätte ich das Ding auch zum Tröten gebracht, wetten? He, was hat der denn – erschrickt der sich so…
Der Mann auf der Bank sah ihn aus den Augenwinkeln, nahm erschrocken den Blick herum und schien eine Sekunde vor Schreck zu erstarren.
Mein Gott, schoß es Jericho durch den Kopf, Herr im Himmel, geh zurück, du Idiot, geh doch zurück, hau ab! Weiterspielen, bloß weitermachen. Der kommt heraus, das hätte ich nie gedacht. Dabei bin ich so sicher gewesen, daß ich nun das Glück gepachtet hätte. Nichts ist – Pech, rabenschwarzes Pech. Was macht der denn, der Narr, was winkt der? Ach, ich soll mich nicht stören lassen? Lasse ich mich auch nicht, blöder Hund. Nein, nein, nicht setzen, Mensch, nicht neben mich setzen!
»Tut mir leid«, sagte Abe halblaut, indem er beruhigend abwinkte. »Ich wollte dich nicht erschrecken, Mann. Spiel nur weiter, laß dich nicht stören, ich bin auch ganz still, ich setze mich hier neben dich, ich störe bestimmt nicht.«
Er wollte wirklich nicht stören, er war ja bescheiden, wollte nur dieses Spiel der Finger auf den Ventilen ganz genau studieren. Also setzte er sich, beugte sich etwas zur Seite, um besser auf die Ventile sehen zu können.
Abes Linke glitt über das rauhe Holz der Bank, näherte sich vollkommen unbewußt dem Tuch, das dort lag und im Posaunentrichter gesteckt hatte.
Nein, dachte Jericho, nein, Mensch, schiebe es nicht weg, nicht doch anrühren. Du kannst doch die Hand drauflegen, du kannst doch… Nein!
Die linke Hand Abes legte sich auf das größere Tuch, die rechte kam nach, stützte Abes sich vorneigenden und immer mehr zur Seite kommenden Oberkörper ab. Die Rechte kam dem Tuch immer näher, jenem zweiten, das wie ein Ball aussah und zuunterst im Trichter gesteckt hatte – richtig festgestopft.
Jericho schielte auf diese Hand, an der so seltsam schwarze Striche waren, durch die Abe wohl etwas gezogen hatte, was wie ein dicker Sielenpechdraht gewesen sein mußte. Schwarze Streifen – Pechspuren, oder?
Weiterspielen, dachte Jericho verzweifelt, nur nichts merken lassen. Das ist nicht mehr zu verhindern, ich kann den Kerl nicht bremsen. Stehe ich auf, wird James Edson drüben aufmerksam. Oh, Herr im Himmel, steh mir bei!
Er schielte, spürte, wie ihm der kalte Angstschweiß ausbrach. Dieser Rotschopf hob die Rechte, hob sie und…
Aus, dachte Jericho und spielte ganz mechanisch weiter, nahm nun das linke Bein zurück und stemmte es ein, aus, Jericho, der legt die Hand auf das Tuch, auf diesen Ball. Und dann – jetzt!
In dieser Sekunde passierte es.
Abe Panhurst senkte die Hand auf den Stoffball aus weichem Handtuchstoff. Und Jericho saß sprungbereit da und wußte, was gleich passieren mußte. Noch wunderte sich Abe nicht, noch merkte er gar nichts, aber gleich…
Abe hatte die Hand auf dem Ball aus weichem Stoff. Abe glotzte auf die Finger Jerichos, die auf und nieder gehenden Ventile.
Das lernt unsereins nie, dachte Abe Panhurst. Herauf und herunter – und jedesmal ein anderer Ton, das ist ja verrückt, so was kann man ja gar nicht lernen, das muß einem doch angeboren sein. Nanu, was ist das denn hier? Das ist doch Stoff, aber so hart?
Jericho sah auf die Hand, sah die Finger sich strecken, so ganz seltsam taten sie das. Und dann kam die andere Bewegung, diese Tastbewegung, die über den Ball ging, ihn sozusagen abkneten wollte.
Was ist denn da drin, dachte Abe, der Rotschopf, verwundert. Fühlt sich ja seltsam an. Was ist denn…
Die Linke griff nun auch zu, tat es blitzschnell, packte das eine Stoffende, während die Rechte den seltsamen Ball anhob. Dieser Ball war nichts als ein zusammengelegtes Handtuch, das sich jäh entrollte und…
Jericho hatte vielen Leuten in und auf die Augen gesehen. Er hatte Schreck und Freude, Kummer und Staunen in ihnen gesehen. Nun sah er noch eine Abart des Staunens – fassungsloses Staunen – ungläubiges, geradezu verrücktes Staunen.
Abe saß da und starrte auf das Ding, das jäh aus dem Handtuch fiel, dessen Stoff sich entrollte. Da lag es nun zu seinen Füßen, lag da wie hingezaubert, wie aus diesem Zylinder gekommen, den der Undertaker auf dem Kopf hatte. Ein Zauberkünstler, dieser Undertaker, ein Wundermacher, wie?
Da lag das Ding und schimmerte bläulich-schwarz in der Sonne, bis auf die eine nußbraundunkle Stelle.
Abe quollen die Augen beinahe aus dem Kopf. Sie traten immer weiter hervor und schienen dem nicht zu trauen, was sie da unten zwischen Abes schiefgelatschten und rissigen Stiefeln liegen sahen. Es war ja auch kein alltäglicher Anblick, daß ein Bandit, der ganz sicher war, daß der Gefangene keine Waffe mehr haben konnte, plötzlich einen Achtunddreißiger zwischen seinen Füßen entdeckte. Da lag er nun, der Colt mit dem kaum fingerlangen dicken Lauf, dieses Ding, das sie Stummelcolt nannten.
Wa… was, dachte Abe, das ist ja, das ist doch…
Er sah hoch, hatte die Musik noch in den Ohren. Es war so unwirklich, was Abe gerade erlebt hatte, daß er zuerst aufsah, aber gleich darauf den Blick wieder senkte, denn er mußte sich doch glatt getäuscht haben, das konnte ja gar nicht wahr sein, durfte nicht, gab es nicht, oder? Hatte dieser Zauberkünstler ihm einen Streich gespielt, hatte er den Colt etwa schon wieder in seinem Zauberzylinder verschwinden lassen?
Abes Blick zuckte wieder nach unten.
Es war kein Zaubertrick, der Colt lag immer noch dort.
Abes Augen waren nun so weit aus ihren Höhlen gequollen, daß sie regelrecht vorstanden. Sie wanderten in die Höhe, wollten zu diesem Zauberkerl blicken, der scheinbar völlig ruhig weiterspielte, oder?
Was denn, dachte Abe verstört, warum wird das denn so laut, warum… oaaah!
Der Mann neben ihm rutschte nur herum, schwenkte dabei seine Posaune und senkte sie. Und dann stieß er sie jäh vorwärts, blies noch einmal hinein – genau nach der Melodie, aber direkt vor Abes verzerrtem Gesicht. Im letzten Moment fuhren Jerichos Lippen vom Mundstück. Dann gab es ein schepperndes und messingblechernes Geräusch. Vor Abes Augen hatte es nur ganz kurz geblinkt, war jäh gelbes Metall. Und dann sah er mitten in den dunklen Trichter, sah nur noch schwarz vor seinen Stielaugen.
Irgendwo am Kinn war der Schmerz, an den Ohren schrammte etwas – gegen die Stirn prallte es und schleuderte Abe Panhurst zurück. Er schrie, als er das Ding vor den
Kopf bekam und die jähe Dunkelheit ihn beinahe zu Tode erschreckte. Dazu kam der Schmerz am Hals, denn dort drückte sich der aufgebogene Rand dieser Riesentröte ins Fleisch.
Zurück, dachte Abe noch, zurück!
Er schrie und warf sich zurück, sah einen Moment wieder Lichtschein und stand für einen weiteren winzigen Moment.
In dieser Sekunde wirbelte die Posaune herum, fuhr der Trichter von Abes Kopf herunter. Abe hatte in den Trichter gebrüllt und nicht geahnt, daß aus dem Mundstück nur ein plärrender Ton kommen würde. Dafür kam etwas mehr an Gebrüll links und rechts an Abes Gesicht vorbei aus dem