Der Fürstentrust. Christian Bommarius

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Der Fürstentrust - Christian Bommarius


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       Christian Bommarius

       Der FÜRSTENTRUST

       Kaiser, Adel, Spekulanten

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       Vorwort

       VORSPIEL AUF MADEIRA

       ERSTER SPIELERChristian Kraft

       ZWEITER SPIELER – Max Egon

       DAS SPIEL

       ENDSPIEL

       NACHSPIEL

       Anmerkungen

       Literatur

      Jede Epoche hat ihren wahren Fürstenkonzern.

      Annette Kolb

      Zarastro. Westliche Tage (1921)

       Vorwort

      Die Geschichte des größten Wirtschaftsskandals im wilhelminischen Kaiserreich ist noch nicht geschrieben worden. Sie wird auch hier nicht erzählt. Die hochriskanten Geschäfte des Fürstentrusts – ein gemeinsames Projekt der schwerreichen Fürsten Christian Kraft zu Hohenlohe-Öhringen und Max Egon II. zu Fürstenberg – waren nicht nur selbst für intime Kenner unüberschaubar, vielmehr hatten, damals wie heute, alle Beteiligten aus naheliegenden Gründen das größte Interesse, der Öffentlichkeit jeden Einblick zu verwehren. Als die Handelsvereinigung AG – so die amtliche Bezeichnung des Fürstentrusts – zusammenbrach, vernichteten die Fürsten wichtige Unterlagen; der Großteil der Akten und Urkunden, die für eine präzise Rekonstruktion des Skandals nötig sind, ruht jedoch in den Archiven der hochadligen Familien in Neuenstein (Hohenlohe-Öhringen) und Donaueschingen (Fürstenberg), die Anträge auf Akteneinsicht ebenso höflich wie ausnahmslos zurückweisen.1

      Nicht nur deshalb ist der Skandal heute vergessen. Selbst Experten der Wirtschaftsgeschichte haben von ihm bestenfalls gehört. Weil er sich unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg ereignete, galt er nur kurz als Sensation und verschwand dann schnell in Giftgasschwaden und Schützengräben. Aber die Schneise der Verwüstung, die die Geschäfte des Fürstentrusts vor allem in die Vermögensverhältnisse der Magnaten schlugen, hat Spuren hinterlassen in öffentlichen Archiven, in Zeitschriften, Büchern und Chroniken. Wer ihnen folgt, begegnet Zentauren. Christian Kraft und Max Egon waren die Chefs ihrer fürstlichen Häuser, Feudalherren alter Schule, die auf Schlössern residierten und als Waidmänner Furore machten; zugleich waren sie moderne Finanzbarone, die dem schnellen Geld so entschlossen nachsetzten wie dem Fuchs auf der Hetzjagd. Ihr Fall ist ungewöhnlich, denn für ihre ruinösen Geschäfte haben vor allem die Fürsten selber bezahlt. Das unterscheidet sie von Spekulanten der Gegenwart, die in Sekundenschnelle an den sogenannten Finanzmärkten auf fremde Rechnung Millionen verdampfen lassen. Im Übrigen aber ist der Fall unverändert aktuell: Der Dilettantismus, die Rücksichtslosigkeit, die Habgier, die die Fürsten und ihr Personal an den Tag legten, sind dem heutigen Zeitgenossen bestens vertraut. Allerdings hat sich die Rolle, die die Banken dabei spielen, seitdem offenkundig verändert. Damals beauftragte sie der Kaiser mit der Rettung der Fürsten (womit sie glänzend verdienten); heute lassen sie sich selbst von den Regierungen retten (und verdienen wiederum glänzend). Damals wie heute gilt: Unabhängig vom System ist Systemrelevanz eine Überlebensgarantie.

      Sollte der Leser oder die Leserin an manchen Stellen dieser physiognomischen Skizze befürchten, den Überblick zu verlieren, ist das kein Grund zur Sorge. Noch jeder, der die Geschäfte des Fürstentrusts aus der Nähe zu betrachten versuchte, wurde früher oder später von Schwindelgefühlen erfasst.

      VORSPIEL AUF MADEIRA1

      Ende März des Jahres 1905 besuchte der deutsche Kaiser Lissabon, die Hauptstadt des Königreichs Portugal. Als der moderne Hapag-Postdampfer Hamburg, vom Kanonenboot Friedrich Karl begleitet, vor Anker ging, kam König Dom Carlos in einer Galabarke mit achtzig Ruderern heran, um Wilhelm II. zu empfangen. Anschließend Festzug durch die prächtig geschmückten Straßen hinauf zum Palácio de Belém, dem Königspalast, voran dreihundert berittene Stadtgardisten in historischen Uniformen, gefolgt von vier königlichen Vorreitern in Galalivree, sodann sieben Rokoko-Glaskarossen, im achten Wagen Kaiser und König, begleitet von Hochrufen der Menge – allein 75.000 Übernachtungsgäste zählte die Hotellerie – und den Grüßen junger Frauen, die aus Fenstern Blumen streuten. Der Tag war Operette, am Abend ging es in die Oper, vorbei an Triumphbögen mit Flammenschrift: »Salve Germania!«2

      »Alles sehr liebenswürdig«, schrieb Wilhelm seinem Reichskanzler von Bülow nach Berlin. Aber »diese namenlose Hitze« und dann die Angst: »In Tanger ist bereits der Teufel los, gestern ein Engländer fast ermordet.«3 In wenigen Tagen würde er in der marokkanischen Hafenstadt sein, um »Paris eins auszuwischen«.4 Eine Blitzvisite, um Frankreichs Einfluss in Marokko zu begrenzen, eine Drohgebärde, um der französischen Regierung vorzuführen, dass ihr Bündnis mit England im Ernstfall nichts wert sei, vor allem ein Einschüchterungsversuch, um »die Gegenwart Deutschlands im Weltkonzert«5 zu beweisen. Wilhelm wusste, dass für ihn dort keine Glaskutsche bereitstehen würde, sondern nur ein »fremdes Pferd«,6 auf das er zu seinem Unbehagen »trotz meiner durch den verkrüppelten linken Arm behinderten Reitfähigkeit«7 würde steigen müssen, und statt Blumenmädchen würden ihn schlimmstenfalls unberechenbare Anarchisten begrüßen.

      Wilhelms Husarenritt wurde zum Symbol der ersten Marokko-Krise, der schwersten außenpolitischen Krise des jungen Jahrhunderts, mit der die Vorkriegszeit begann. »Sie werden bemerkt haben«, schrieb er der venezianischen Gräfin Annina Morosini unmittelbar nach seiner verzagten Machtdemonstration in Tanger, »dass ganz Europa jetzt meinen Willen tut – aus Angst vor mir«.8 Als jedoch Anfang 1906 auf Verlangen der Deutschen im Hotel Reina Cristina in der spanischen Stadt Algeciras eine internationale Konferenz zusammentrat, um die Ansprüche des Kaiserreichs in Marokko zu prüfen, stellte sich heraus, dass die Deutschen mit ihren Drohgebärden niemanden eingeschüchtert, aber fast alle gegen sich aufgebracht hatten.

      Nur einer europäischen Regierung fuhr zwischenzeitlich der Schrecken in die Glieder, als sie es mit den Deutschen zu tun bekam. In seinem Trinkspruch auf Schloss Belém hatte Wilhelm dem portugiesischen König noch zugerufen, die »freundschaftlichen innigen Beziehungen« zwischen König- und Kaiserreich sollten sich »fernerhin befestigen und entwickeln«.9 Kurze Zeit später riefen die Portugiesen aus Angst vor einem Krieg England zu Hilfe.

      Am Freitag, dem 3. November 1905, stellte Hans Arthur von Kemnitz, Legationssekretär und Vertreter des erkrankten deutschen Gesandten in Lissabon, dem portugiesischen Ministerpräsidenten ein Ultimatum. Erfülle die portugiesische Regierung nicht die Forderung des Deutschen Reiches bis


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