Der Fürstentrust. Christian Bommarius

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Der Fürstentrust - Christian Bommarius


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und deren Vertraute wanderten vom Wirtschaftsteil der Zeitungen in die Rubrik »Aus dem Gerichtssaal«. Wenige Tage vor der Reise Wilhelms nach Portugal erreichte den Gesandten Tattenbach ein Brief von Pannwitz, in dem dieser angesichts »des bevorstehenden Kaiserbesuchs in Lissabon« die »eigenartigen Verhältnisse« in der Madeira-Gesellschaft offenlegte, insbesondere die Rolle, die Hofmann dabei spielte. Wie es »der Zufall fügte«, schrieb Pannwitz, habe er von einem befreundeten Richter, dem er die Madeira-Affäre geschildert habe, folgendes Schreiben erhalten: »Rascher als ich gedacht, bin ich mit Herrn Hofmann, früher in Köln, jetzt unbekannten Aufenthalts, bekannt geworden. Heute stand in unserer Kammer eine Klage eines Züricher Rentiers wegen eines fälligen Teilbetrags von 86.500 M. gegen Herrn Hofmann, jetzt Vorstandsmitglied der Madeira-Gesellschaft, an. Hofmann hatte den Kläger vor Jahren um 600.000 M. erleichtert, da der Kläger kein Geld wiedersah, klagte er schließlich. Von Hofmann lag sogar notarielle Anerkenntnis seiner Schuld vor. In dem Prozesse selbst wird sein Vorleben aufgedeckt und er als ein Industrieritter schlimmster Sorte geschildert, der sich nicht scheute, heute zu erklären, dass wenn er verurteilt würde, er sofort ins Ausland reisen würde.« Ähnliche Warnbriefe von Pannwitz erhielten offenbar auch einige portugiesische Behörden, der Leibarzt des Königs von Portugal und das Auswärtige Amt in Berlin. Doch zunächst reagierte nur Ernst Hofmann. Er verklagte Pannwitz wegen Beleidigung, weil der ihn als »Schwindler« bezeichnet hatte. Pannwitz wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von dreißig Mark verurteilt, obwohl festgestellt wurde, dass mit der Erlangung der Konzession für die Madeira-Gesellschaft die »Unlauterkeit Hofmanns« bewiesen sei – allerdings sei nicht festgestellt, »dass die Unlauterkeit eine dauernde Eigenschaft Hofmanns« sei. Damit hatte eine Serie von Beleidigungsklagen, Meineidverfahren und Rufmord-Prozessen begonnen, die noch jahrelang die Berichte über die Madeira-Gesellschaft füllten.

      Wenn der deutsche Gesandte in Lissabon schon 1903 an die wohltätigen Zwecke des Madeira-Unternehmens nicht recht glauben mochte, wenn er unmittelbar vor dem Lissabon-Besuch des Kaisers nachdrücklich gewarnt wurde – wie konnte es dann geschehen, dass sein Stellvertreter Hans Arthur von Kemnitz im November 1905 für das betrügerische Projekt die Enteignung auf Madeira erzwingen wollte und die portugiesische Regierung mit einem angeblichen Ultimatum – nicht nur ohne Zustimmung, sondern ohne Kenntnis seiner Zentrale in Berlin – zu bluffen versuchte? Erstens hatte Kemnitz freie Hand. Tattenbach hatte als ausgewiesener Marokko-Experte Wilhelm nach dessen Lissabon-Besuch nach Tanger begleitet und war bald nach seiner Rückkehr so schwer erkrankt, dass er sich in ein echtes Sanatorium begeben musste, so dass Kemnitz ihn vom 26. Juli 1905 bis 14. Mai 1906 als Geschäftsträger vertrat. Zweitens hatte Kemnitz in Berlin offenbar, jedenfalls für einige Zeit, Verbündete. So wie der Kaufmann Goncalves in Lissabon »hochstehende Persönlichkeiten« für sich eingenommen hatte, so hatten seine Auftraggeber in Berlin – mit Hilfe einiger zehntausend Mark16 – Unterstützer im Auswärtigen Amt gefunden. Und drittens hatte Kemnitz ein starkes Motiv. Der Legationssekretär war fest entschlossen, England endlich einmal die Stirn zu bieten und zugleich mit dem Coup in Lissabon seine Karriere zu beschleunigen. War es bisher seine frustrierende Aufgabe gewesen, Pressemappen zusammenzustellen und Visa-Anträge zu bearbeiten, blühte er nach Übergabe der Geschäfte durch Tattenbach auf. Das Engagement, das er in seiner kurzen Zeit als Geschäftsträger für das hochadlige Betrugsprojekt zeigte, dürfte ohne Beispiel sein. Einerseits unterdrückte er alle Dokumente, die die geplante Gaunerei bewiesen. Andererseits schrieb er unermüdlich Berichte, in denen er von Berlin schärfere Drohungen gegen die portugiesische Regierung verlangte und immer abstrusere Vorschläge machte, Lissabon zur Enteignung auf Madeira zu zwingen – durch koordinierte Verkäufe von portugiesischen Staatsanleihen könnten die Finanzen Portugals an den internationalen Finanzmärkten so unter Druck gesetzt werden, dass die derzeitige Regierung stürze, ihre Nachfolger würden bestimmt gefügiger sein. Schließlich wurden Kemnitz’ Berichte von den Beamten in Berlin, die die Enteignung anfangs noch unterstützt hatten, gar nicht mehr gelesen. Das war ein Fehler, denn so hatte niemand bemerkt, dass der deutsche Geschäftsträger in Lissabon zu einer »loose cannon« geworden, mit anderen Worten: vollkommen aus dem Ruder gelaufen war.

      Der portugiesische Ministerpräsident war ratlos und offenbar erschüttert, dass das deutsche Kaiserreich wegen einer verzögerten Enteignung für eine Sanatorien-Gesellschaft einen Krieg in Aussicht stellte. Konsterniert schrieb er Kemnitz, seine Regierung sei an guten Beziehungen zu Deutschland »lebhaft« interessiert, doch gebe sie zu bedenken, dass »die Angelegenheit, um die es sich handelt, verhältnismäßig gering ist«. Nicht davon überzeugt, mit dem Appell an die Vernunft bei den Deutschen Erfolg zu haben, wandte sich die portugiesische Regierung an ihren Verbündeten in London. Dort hielt man die Angst der Portugiesen zwar für übertrieben – nicht einmal die drohwütigen Deutschen würden wegen ein paar Sanatorien einen Weltbrand riskieren –, doch wurde vorsorglich der britische Botschafter in Berlin in Bewegung gesetzt. Sir Frank Lascelles sprach bei Reichskanzler Bülow vor, der sich schockiert zeigte vom Amoklauf des subalternen Diplomaten in Lissabon und versprach, die Sache im Sinne der englischen und portugiesischen Regierung zu klären. Der Krieg fiel aus, Kemnitz wurde wenig später nach Peking versetzt, John Blandy durfte seine Farm behalten, und die Deutschen bauten weder Sanatorien noch Casinos auf Madeira. Am 2. März 1906 meldete der Londoner Standard: »So endet die Geschichte des Sanatoriums auf Madeira, die beinahe zur Erschütterung Europas geführt hätte.«17

      Das war zumindest voreilig. Weder Prinz Friedrich Karl noch seine Geschäftsfreunde Ernst Hofmann und Manuel Goncalves waren bereit, Madeira mit leeren Taschen zu verlassen. Als schon feststand, dass man sich nicht länger auf die – wissentliche oder unwissentliche – Mithilfe der deutschen Regierung verlassen konnte, kam Ernst Hofmann der Gedanke, eine Madeira-Goldminen-Aktiengesellschaft zu gründen. Anfang 1906 landete auf dem Schreibtisch eines Berliner Geologen eine mit Erden und Erzen gefüllte Kiste und ein Begleitschreiben mit der Bitte, den Inhalt auf seinen »Goldgehalt« zu untersuchen. Der Professor fand kein Gold, Hofmann schickte die nächste Kiste, wieder fand der Geologe nichts, in der dritten Sendung aber wurde er endlich fündig. Allerdings war das Gold nicht natürlicher Bestandteil der Lieferung, sondern offensichtlich irgendwo abgekratzt und der Erde beigemischt worden.

      Empört bestellte der Geologe Hofmann telegrafisch ein, der aber alles bestritt und die Schuld auf Manuel Goncalves schob, der nun mal ein »Schwindler« sei. Dennoch sei er, Hofmann, davon überzeugt, auf Madeira Gold zu finden, weshalb er den Professor bitte, auf Kosten der Madeira-Aktiengesellschaft vor Ort zu suchen. Tatsächlich ließ sich der Geologe zu der Expedition überreden. Nachdem er auf der Insel erwartungsgemäß nicht ein einziges Goldkorn gefunden hatte, versuchte Hofmann, der Phantasie des Geologen auf die Sprünge zu helfen: »Nun, wir wollen ja nicht, daß Sie in Ihrem Berichte sagen, Sie hätten Gold gefunden, Sie sollen nur die Möglichkeit zugeben, daß sich hier Gold finden könne.« Als der Professor erwiderte, er gebe überhaupt nichts zu, erklärte Hofmann ihre Zusammenarbeit für beendet: »Na, mein Lieber, für unser Unternehmen können wir Sie nicht brauchen – Sie sind uns denn doch zu sehr Ehrenmann.«18

      Für einen unkomplizierteren Weg der Bereicherung hatte sich Manuel Goncalves entschieden. Als der frühere Zuchthäusler in den Dienst der Madeira-Aktiengesellschaft getreten war, hatte er »keinen roten Pfennig«.19 Doch schon nach kurzer Zeit hatte er 200.000 Mark auf dem persönlichen Konto und war in Funchal Eigentümer eines Hotels – ohne Wissen der Aktionäre eingerichtet mit den Möbeln und der Bibliothek der Gesellschaft –, einer Villa – die er dem Zolldirektor von Madeira inklusive einer gefüllten Vorratskammer vorsorglich unentgeltlich zur Verfügung stellte – sowie mehrerer Schiffe: »Alle seine Besitzungen haben einen bedeutenderen Wert als die unfertigen Gebäude der Sanatoriengesellschaft, mit deren Geld sie wahrscheinlich erworben wurden.«20 Mit einer etwas zu üppig ausgefallenen Spesenabrechnung hatte er es jedoch eines Tages übertrieben. Er wurde nach Berlin einbestellt, wo er sich – wie sein Hausblatt, der Heraldo de Madeira, beschwichtigend meldete – vor dem Aufsichtsrat in »allen Anklagen«21 rechtfertigte. Das wird ihm nicht leichtgefallen sein, denn er hatte von der Gesellschaft die Bezahlung von 250.000 Mark Spesen für die Legung einer Kanalisation von seiner Villa zum Hafen gefordert.

      Aber Manuel Goncalves wurde von Friedrich Karl noch gebraucht, um die Sanatorien-Konzession doch noch zu Geld zu machen. Nachdem sich seine Pläne auf Madeira zerschlagen hatten, präsentierte


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