Wechselgeld für einen Kuss. Ruth Gogoll

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Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll


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Nicola, um sich an den Ärger zu erinnern, der sie stundenlang in Aufregung versetzt hatte, und sie fühlte ihn sofort wieder in sich hochsteigen, bis das brodelnde Gefühl zurückkehrte. »Ich dachte, Sie wollten über den Balkon kommen?«, keifte sie Lian an.

      Lian zuckte die Schultern. »Tja, das wollte ich, aber das letzte Mal war ich dafür noch passender gekleidet.« Sie lachte und wies auf den eleganten Abendanzug, den sie trug. »Nun bin ich es leider nicht mehr.« Etwas spöttisch verzog sie einen Mundwinkel. »James Bond würde natürlich trotzdem an der Fassade hochklettern und hätte hinterher kein Stäubchen auf dem Anzug, aber leider bin ich nicht James Bond. Deshalb wollte ich das meinem Anzug nicht antun.« Sie schmunzelte.

      »Zweifellos sind Sie nicht James Bond«, schnappte Nicola. »Und selbst wenn Sie es wären . . . Als Bond-Girl bin ich nicht geeignet.« Mit einem abweisenden Gesichtsausdruck verschränkte sie die Arme vor der Brust.

      »Das habe ich auch in keiner Weise angenommen«, erwiderte Lian galant. »Dafür sind Sie viel zu intelligent.«

      Diese Bemerkung nahm Nicola ein wenig den Wind aus den Segeln. »Ähm . . . ja«, konnte sie fast nur stottern, was sie maßlos ärgerte. »Kommen Sie rein.« Sie trat zurück, ließ die Wohnungstür offen und ging durch die kleine Diele in das große Zimmer voraus, das gleichzeitig Aufenthaltsraum, Schlafzimmer und Küche war. Die Küchenzeile war ein wenig abgeteilt, und ihr Bett stand in einer Art Nische, aber das war auch alles, was es an Unterteilung gab.

      Warum tue ich das jetzt? dachte sie. Warum lasse ich sie nicht einfach draußen stehen und schlage ihr die Tür vor der Nase zu? Plötzlich musste sie innerlich schmunzeln. Damit sie dann doch noch über den Balkon kommt?

      Kurz stellte sie sich vor, wie die Nachbarn dann die Feuerwehr rufen würden, weil sie alle Einstiegsmöglichkeiten verriegelt hatte und Lian wie ein Klammeraffe an der Fassade hing. Aber das würde sie natürlich nicht. Sie würde vermutlich ganz elegant und James-Bond-mäßig hinunterklettern. Genauso elegant, wie sie gerade in ihrem Anzug vor Nicola stand.

      »Ich war nicht ganz sicher, ob Sie mir überhaupt öffnen würden«, sagte sie jetzt und zeigte beim Lächeln ihre ebenmäßigen weißen Zähne.

      Ob die überkront sind? dachte Nicola. Solche Zähne konnte doch kein Mensch von Natur aus haben. »Hätte ich auch nicht«, gab sie gereizt zurück. »Aber meine Nachbarin wollte sich Zucker leihen.«

      »Da habe ich aber Glück gehabt.« Lians Lächeln hätte wirklich aus der Zahnpastawerbung stammen können.

      Vielleicht war sie das auch, ein Model für Werbung, ging es Nicola durch den Sinn. Gut genug dafür sah sie auf jeden Fall aus. »Haben Sie«, bestätigte sie knapp. »Und was wollen Sie jetzt aus diesem Glück machen?«

      Mit einem suchenden Blick schaute Lian sich um. »Veilchen mögen Sie wohl nicht?«

      Nicola hatte die Veilchen in der Küche stehenlassen, sie wusste nicht, warum. Sie hätte sie natürlich auch in den Mülleimer werfen können, so wütend, wie diese Geste sie gemacht hatte, aber irgendetwas hatte sie davon abgehalten. Vielleicht hatte sie es einfach nur den armen, unschuldigen Blümchen, die ja schließlich nichts für die Unverschämtheit der Frau konnten, von der sie kamen, nicht antun wollen oder können.

      »Etwas anderes war Ihnen wohl zu teuer?«, fauchte sie Lian an. »Hat das Benzingeld, das ich Ihnen gegeben hatte, nicht gereicht?«

      »Siebzehn Cent?« Lian lachte. »Aber zu Ihrem Temperament passen Veilchen wirklich nicht. Das hätte ich bedenken sollen.«

      »Hätten Sie vielleicht«, stimmte Nicola grimmig zu. »Oder Sie hätten gleich darauf verzichten sollen, mir Blumen zu schicken, welcher Art auch immer. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?« Ihre Augen blitzten Lian an. »Sie haben sich doch nicht etwa irgendetwas davon versprochen?«

      Lian hob die Augenbrauen. »Sollte ich das?« Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Ein Abendessen vielleicht?«, fragte sie. »In einem Restaurant Ihrer Wahl?«

      Das trockene Auflachen, das sich Nicolas Kehle entrang, endete in einem Nicken. »Ja, sicher«, sagte sie. »Ich weiß schon, wie Sie sich das vorstellen. Erst essen, dann zu Ihnen nach Hause. Und dann muss ich das Abendessen abarbeiten, nicht wahr?«

      »Ts, ts, ts.« Lian bewegte einen Finger wie tadelnd durch die Luft. »Was haben Sie nur für eine schmutzige Phantasie. Ich esse gern gut, Sie nicht? Und das tut man im Allgemeinen in einem Restaurant.«

      »Wenn man nicht zu Hause kocht«, blaffte Nicola zurück. »Weil man sich Restaurants nicht leisten kann.«

      »Okay . . .«, erwiderte Lian gedehnt, legte leicht den Kopf schief und betrachtete Nicola kurz. »Dann essen wir eben zu Hause.« Blitzartig griff sie nach Nicolas Taille, zog sie in ihre Arme und küsste sie. »Wenn du es so willst«, fügte sie hinzu, als sie Nicola losließ und wieder einen Schritt zurücktrat.

      Nicola war von dem Kuss so überrascht worden, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte, die sie jetzt wieder ausstieß. »Du bist . . . Du bist wirklich . . .« Sie fand keine Worte. »Unverschämt ist gar kein Ausdruck für dich.«

      »Vielleicht finden wir zusammen noch einen anderen«, erwiderte Lian lässig und lächelte sie mit einer Harmlosigkeit an, als wäre gar nichts geschehen. »Im Restaurant. Ich habe nämlich wirklich Hunger.«

      »Wenn du denkst, dass ich jetzt mit dir in ein Restaurant gehe . . .« Nicola verschränkte die Arme vor der Brust und blies die Backen auf.

      »Ich denke«, sagte Lian langsam und sehr freundlich, »dass du doch auch Hunger haben musst. Ich sehe nämlich nicht, dass du gekocht hast.« Sie blickte kurz auf die Küchenzeile. »Also was spricht dagegen, dass wir zusammen essen gehen?« Mit einer harmlosen Geste zuckte sie die Schultern. »Jeder muss essen. Und offensichtlich sollten wir das beide jetzt tun, weil es unseren Bedürfnissen entspricht.«

      »Bedürfnissen!« Nicola lachte abschätzig auf. »Deine Bedürfnisse sehe ich!«

      Lian grinste. »Es gibt noch andere Bedürfnisse als essen, das ist wahr. Und wenn ich eine Frau wie dich sehe, kann ich auch nicht verhindern, daran zu denken –«

      »Denken!«, unterbrach Nicola sie empört. »War das eben Denken bei dir? Das nenne ich aber ganz anders!«

      »Ich musste doch wissen, ob es sich lohnt.« Lians Grinsen war ein Ausdruck äußerster Amüsiertheit.

      »Ob es sich . . .«, Nicola schnappte nach Luft, »lohnt? Was soll das denn heißen?«

      »Nun ja, ich hatte so einen Verdacht«, sagte Lian, »aber genau wissen konnte ich es natürlich nicht.«

      »Verdacht?« Nicola runzelte die Stirn. »Was für einen –« Sie brach ab. »Ach so. Ob ich auf Frauen stehe, meinst du«, fuhr sie dann mit einem genervten Augenrollen fort.

      Nickend bestätigte Lian diese Vermutung. »Es spielt zwar keine so große Rolle, weil auch viele Frauen, die mit Männern zusammen sind oder sein wollen, einem Abenteuer mit einer Frau nicht abgeneigt sind, aber ehrlich gesagt«, sie seufzte geradezu entsagungsvoll, »hatte ich darauf im Moment keine Lust.«

      »Ach, du Arme.« Gespielt bedauernd blickte Nicola sie an. »Haben sie dir so wehgetan, die bösen Heterofrauen?«

      Lian lachte. »So weit lasse ich es nicht kommen. Aber eine Frau, die wirklich weiß, was sie will, ist mir schon lieber.« Fragend hob sie die Augenbrauen. »Tatsächlich gar keinen Hunger?«

      Obwohl Nicola das eigentlich keiner Antwort würdigen wollte, knurrte in diesem Augenblick ihr Magen. Verräter! dachte sie.

      Doch Lian hätte sich nun fast ausgeschüttet vor Lachen. Dann riss sie sich zusammen und blickte nur noch belustigt. »Es ist gegen deine eigenen Interessen«, sagte sie. »Aber ich will dir da trotzdem nicht reinreden.«

      »Wie rücksichtsvoll von dir.« Nicola verzog das Gesicht. »Ich habe noch eine Tiefkühlpizza im Eisfach. Das reicht mir.«

      »Nur eine?«, hakte Lian nach.

      »Nur


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