Wie künstlich ist Intelligenz?. Andreas Eschbach

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Wie künstlich ist Intelligenz? - Andreas Eschbach


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du noch ein paar salbungsvolle Worte sagen, ehe sie losgeht?«

      Alan schüttelte den Kopf. »Lass das. Nicht jetzt. Wir starten morgen früh in aller Ruhe.«

      Rob verzog enttäuscht das Gesicht. »Haben wir die Zeit?«

      »Wir nehmen sie uns«, sagte Alan. »Jetzt heißt es, volle Konzentration auf das Projekt Tammy One

      Er ignorierte Robs Augenrollen und ging duschen. Er schaffte es sogar, was Frisches anzuziehen, ehe um sieben Uhr abends das Telefon klingelte: Tammy, die in ihrem schicken roten Sportcoupé vorgefahren war und Alan wissen ließ, er müsse ihnen mit dem eigenen Wagen zum Kino folgen, alle vier Plätze seien besetzt.

      »Ich fahr mit«, erklärte Rob kurz entschlossen. »Einer muss ja auf dich aufpassen.«

      Das war Alan gar nicht so unrecht. »Können wir dann vielleicht deinen Wagen nehmen? Ich glaube, ich hab nicht mehr genug Benzin.«

      »Klar, kein Problem.«

      Doch als sie unten waren, fiel Rob ein, dass er noch mal hoch musste, weil er seinen Autoschlüssel nicht dabei hatte. »Flirt’ ein bisschen mit den Mädels«, meinte er. »Ich bin gleich wieder da.«

      Auch das noch. Alan schlenderte zu Tammys Wagen hinüber und fragte, um Zeit zu gewinnen, wieso Martha nicht dabei war.

      »Die nehmen wir nicht mit«, erklärte die Brünette. »Sonst reden Tammy und sie die ganze Zeit nur über Computer.«

      »Martha«, ergänzte die Blonde spöttisch, »ist sowieso eher der Typ, der ins Theater geht.«

      Da tauchte Rob endlich wieder auf, klimperte mit den Schlüsseln seines alten, rostigen Hondas und rief: »Auf zum Weltuntergang!«

      Der Film war … nun ja, im Grunde genau so, wie Tammy ihn angekündigt hatte: Viel Krach und Katastrophe, die Welt ging unter, aber nur fast, denn der Held rettete sie in letzter Minute und kriegte das Mädchen, und alles war gut.

      Alan hingegen kriegte sein Mädchen nicht, denn nach viel Gegacker und Hin und Her kam er am Ende doch nicht neben Tammy zu sitzen, sondern neben der Brünetten, die ihn nicht leiden konnte. Sie hieß Paige und ermahnte ihn gleich zu Beginn, seine Hände bei sich zu behalten, obwohl er weder Annäherungsversuche gemacht hatte noch die Absicht, welche zu unternehmen.

      Seine Laune war entsprechend, als sie wieder herauskamen. Es kostete ihn Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Immerhin, die anderen Mädels waren alle mit ihren Freunden verabredet und hatten es eilig, mit ihnen zu verschwinden. Kurz sah es aus, als würde es darauf hinauslaufen, dass er und Tammy am Schluss allein dastanden und sich überlegen konnten, was sie noch unternehmen wollten …

      Seine Träume zerstoben jäh, als Rob, anstatt sich ebenfalls vornehm zu verdrücken, plötzlich sagte: »Alan – ich glaube, ich muss dir was gestehen.«

      Sie sahen ihn beide verdutzt an, Alan genauso wie Tammy. Er schaute irgendwie bedenklich verlegen drein.

      »Es ist so«, druckste er herum. »Ich hab, bevor wir gegangen sind, das Programm einfach mal gestartet. Als ich noch mal oben war. Weil wir doch so knapp in der Zeit liegen. Und jetzt hab ich ein blödes Gefühl deswegen und würde lieber noch einmal ins Labor zurück.« Er spielte nervös mit dem Autoschlüssel herum. »Ich meine, vielleicht kann Tammy dich ja heimfahren -?«

      »No way«, unterbrach ihn Tammy. »Du hast eine hochkarätige KI vier Stunden lang unbeaufsichtigt rennen lassen? Das will ich sehen.« Sie holte die Schlüssel ihres BMW-Coupés aus der Tasche. »Fahr voraus. Alan und ich folgen dir.«

      Auf den ersten Blick sah alles harmlos aus. Peinlich war nur das Chaos, das Tammy mit anzüglichem Heben der Augenbrauen zur Kenntnis nahm. Auf dem Bildschirm zuckten ein paar Kennzahlen, die Hinweise auf den Zustand der künstlichen Intelligenz gaben.

      »Tja«, meinte Rob verlegen, »ich hab offenbar Gespenster gesehen.«

      Dann drückte er eine Taste, die den zweiten Bildschirm wieder aufweckte.

      Einen Bildschirm voller Text. Sie beugten sich darüber und lasen die Namen von Servern und ihren Standorten, überall auf der Welt. Russische Server. Chinesische Server. Server der NSA, der CIA, des Pentagon. Server großer Konzerne, darunter die Server der Kreditkartenunternehmen. Alle fortlaufend durchnummeriert, und die Nummern waren schon sechsstellig.

      Und hinter jedem Namen stand: Zugang verschafft.

      »Uh-oh«, machte Rob.

      »Sag, dass ich das nur träume«, keuchte Alan. NSA! Zugang verschafft um 10:43:23 p.m.!

      Googles Alpha Zero hatte vier Stunden gebraucht, um der beste Schachspieler aller Zeiten zu werden. Ihr Programm hatte weniger Zeit gebraucht, um der beste Hacker aller Zeiten zu werden!

      Was immer das über den Zustand der Sicherungssysteme in aller Welt aussagte.

      »Auf jeden Fall hat es funktioniert«, sagte Rob bemüht munter.

      »Sieht eher aus, als hätte es zu gut funktioniert.« Alan fuhr sich unwillkürlich mit beiden Händen durch die Haare. »Rob – das Programm hat in jedem dieser Server praktisch unsere verdammte Visitenkarte hinterlassen! Wenn auch nur einer von denen zwei und zwei zusammenzählt, dann sind die uns schon auf der Spur! Oder?« Er sah sich nach Tammy um.

      Die war ein paar Schritte rückwärtsgegangen. »Jungs«, sagte sie, »ich glaube, ihr ruft jetzt besser eure Anwälte an. Und ich … Ich war nie hier.«

      Damit ging sie.

      »Was können die uns schon tun?«, argumentierte Rob. »Ich meine, NSA, CIA, Pentagon … das sind die größten Cracks in Sachen Computersicherheit, Verschlüsselung und so weiter, oder? Wenn die sich von zwei Studenten hacken lassen, dann sind die doch quasi selber schuld, würde ich sagen!«

      Alan lag wie erschlagen in seinem Sessel, starrte die Liste an, die immer noch länger wurde …

       130.981 – TUI Zentrales Buchungssystem

       130.982 – NASA Back-up Server

       130.983 – Rechenzentrum des Europäischen Parlaments

       130.984 – Interpol

       130.985 – Server Central Disease Control

      … und sah sein Leben in die Brüche gehen.

      »Es spielt keine Rolle, was du sagst, Rob«, stöhnte er. »Es kommt nur drauf an, was die sagen!«

      »Wieso? Wir tun denen doch einen Gefallen! Wir zeigen ihnen, dass ihre Systeme verwundbar sind. Wenn wir die Logs auswerten, das neuronale Netz rückübersetzen, dann kriegen wir vielleicht auch raus, wie …«

      »Die werden uns einsperren. Vielleicht nicht in ein Gefängnis, aber ganz bestimmt in eine geheime Entwicklungsabteilung, wo wir für den Rest unseres Lebens nichts anderes mehr machen.«

      »Ach was, das ist doch halb so …« Rob hielt inne, ließ die Schultern sinken. »War keine so gute Idee, hmm?«

      »Nein. Keine gute Idee.«

      »Und was machen wir jetzt?«

      Alan merkte, dass er unwillkürlich schon lauschte, ob sich draußen Autos näherten. »Ich weiß es nicht.« Er seufzte. »Tammy hat recht, wir sollten unsere Anwälte anrufen. Ich hab bloß gar keinen. Und erst recht nicht das Geld, einen zu bezahlen.«

      »Geht mir genauso.« Rob sah auf die Uhr, deren düster rot glühende Ziffern zwei Minuten vor Mitternacht anzeigten. »Überhaupt ist Freitagnacht der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um einen guten Anwalt zu finden, schätze ich.«

      »Vor allem, wenn man ihm gleich sagen muss, dass man kein Geld hat.«

      »Vor allem dann, ja.«

      Alan fühlte sein Herz rasen. Sein Hemd war schweißnass.

      Ein Fehler.


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