Der Weihnachtsabend - Eine Geistergeschichte. Charles Dickens

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Der Weihnachtsabend - Eine Geistergeschichte - Charles Dickens


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oder zürnend entgegen, sondern sah Scrooge an, wie ihn Marley gewöhnlich ansah: mit der gespenstigen Brille auf die gespenstige Stirn hinauf geschoben. Das Haar stand seltsam in die Höhe, wie von Wind oder heißer Luft gehoben; und obgleich die Augen weit offen standen; waren sie doch ohne jede Bewegung. Das und die leichenhafte Farbe machten das Gesicht schrecklich; aber seine Schrecklichkeit schien mehr außerhalb des Gesichts und nicht in seiner Macht, als ein Teil seines Ausdruckes zu sein.

      Als Scrooge fest auf die Erscheinung blickte, war es wieder ein Türklopfer.

      Zu sagen, er wäre nicht erschrocken, oder er hätte nicht ein grausendes Gefühl empfunden, das ihm seit seiner Kindheit ferngeblieben war, wäre eine Lüge. Aber er fasste sich gewaltsam, legte die Hand wieder auf den Schlüssel, drehte ihn um, trat in das Haus, und zündete sein Licht an.

      Aber doch zögerte er einen Augenblick, ehe er die Tür schloss, und er guckte erst vorsichtig dahinter, als fürchte er wirklich mit dem Anblick von Marleys Zopf erschreckt zu werden. Aber hinter der Tür war nichts als die Schrauben, welche den Klopfer fest hielten; und so sagte er: „Bah, bah“, und warf sie zu.

      Der Schall klang durch das Haus wie ein Donner. Jedes Zimmer oben, und jedes Fass in des Weinhändlers Keller unten schien mit seinem besonderen Echo zu antworten. Scrooge war nicht der Mann, der sich durch Echos erschrecken ließ. Er schloss die Tür, ging über den Hausflur und die Treppe hinauf, und zwar langsam, und das Licht heller machend, während er hinaufging.

      Die Treppe war breit genug, um eine Bahre der Quere nach hinaufzubringen, und das ist vielleicht die Ursache, warum Scrooge glaubte, er sähe vor sich eine Bahre sich hinaufbewegen. Ein halbes Dutzend Gaslampen von der Straße würden den Eingang nicht zu hell gemacht haben, und so kann man sich denken, dass bei Scrooges kleinem Licht es ziemlich dunkel blieb.

      Scrooge aber ging hinauf und kümmerte sich keinen Pfifferling darum. Dunkelheit ist billig, und das mochte Scrooge sehr. Aber ehe er seine schwere Tür zumachte, ging er durch die Zimmer, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Er erinnerte sich des Gesichtes noch gerade genug, um das zu wünschen.

      Wohnzimmer, Schlafzimmer, Abstellkammer, alles war, wie es sein sollte. Niemand unter dem Tisch, niemand unter dem Sofa; ein kleines Feuer auf dem Rost, Löffel und Teller bereit und das kleine Töpfchen Suppe (Scrooge hatte den Schnupfen) auf dem Feuer. Niemand unter dem Bett, niemand im Alkofen, niemand in seinem Schlafrock, der auf eine ganz verdächtige Weise an der Wand hing. Die Abstellkammer wie gewöhnlich; ein alter Kaminschirm, alte Schuhe, zwei Fischkörbe, ein dreibeiniger Waschtisch und ein Schüreisen.

      Vollkommen zufriedengestellt machte er die Tür zu und schloss sich ein und riegelte noch zu, was sonst nicht seine Gewohnheit war. So gegen Überraschung sichergestellt, legte er seine Halsbinde ab, zog seinen Schlafrock und die Pantoffeln an und setzte die Nachtmütze auf, um dann in dem Sessel vor dem Feuer seine Suppe zu essen.

      Es war wirklich ein sehr kleines Feuer, so gut wie gar keins in einer so kalten Nacht. Er musste sich dicht daran setzen und sich darüber hinbeugen, um die geringste Wärme von einer solchen Handvoll Kohlen zu genießen. Der Kamin war vor langen Jahren von einem holländischen Kaufmann gebaut worden und rings um mit seltsamen holländischen Fliesen mit biblischen Bildern belegt. Da sah man Cain und Abel, Pharaos Töchter, Königinnen von Saba, Engel durch die Luft auf Wolken gleich Bettfedern herabschwebend, Abraham, Belsazar, Apostel in See gehend auf Butterschiffen, Hunderte von Figuren, seine Gedanken zu beschäftigen; und doch kam das Gesicht Marleys wie der Stab des alten Propheten und verschlang alles andere. Wenn jede glänzende Fliese weiß gewesen wäre und die Macht gehabt hätte, aus den vereinzelten Fragmenten seiner Gedanken ein Bild auf seine Fläche zu zaubern, auf jedem wäre ein Abbild von des alten Marleys Gesicht erschienen.

      „Dummes Zeug!“ sagte Scrooge und schritt durch das Zimmer.

      Nachdem er einige Male auf und ab gegangen war, setzte er sich wieder nieder. Wie er den Kopf in den Stuhl zurücklegte, fiel sein Auge wie von ungefähr auf eine Klingel, eine alte, nicht mehr gebrauchte Klingel, welche - zu einem jetzt vergessenen Zweck - mit einem Zimmer in dem obersten Stockwerk des Hauses in Verbindung stand. Zu seinem großen Erstaunen und mit einem seltsamen unerklärlichen Schauer sah er, wie die Klingel anfing sich zu bewegen; erst bewegte sie sich so wenig, das sie kaum einen Ton von sich gab; aber bald schellte sie laut und mit ihr jede Klingel des Hauses.

      Das mochte eine halbe Minute oder eine Minute gedauert haben, aber es schien ihm eine Stunde zu sein. Die Klingeln hörten gleichzeitig auf, wie sie gleichzeitig angefangen hatten. Dann vernahm man ein Klirren, tief unten, als ob jemand eine schwere Kette über die Fässer im Weinhändlers Keller schleppe. Jetzt erinnerte sich Scrooge gehört zu haben, dass Gespenster Ketten schleppen sollten.

      Die Kellertür flog mit einem dumpf dröhnenden Schall auf und dann hörte er das Klirren viel lauter auf dem Hausflur unten; dann wie es die Treppe herauf kam; und dann wie es geradewegs auf seine Tür zukam.

      „’s ist dummes Zeug“, sagte Scrooge. „Ich glaub nicht dran.“

      Aber doch veränderte er die Farbe, als es ohne zu verweilen, durch die schwere Tür und in das Zimmer kam. Als es herein trat, flammte das sterbende Feuer auf, als ob es riefe: “ich kenne ihn, Marleys Geist!”, und sank wieder zusammen.

      Dasselbe Gesicht, ganz dasselbe. Marley mit seinem Zopf, seiner gewöhnlichen Weste, den engen Hosen und hohen Stiefeln; die Troddeln der letzteren standen in die Höhe, wie sein Zopf und seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopf. Die Kette, welche er hinter sich her schleppte, war um seinen Leib geschlungen. Sie war lang und ringelte sich wie ein Schwanz; und war, denn Scrooge betrachtete sie sehr genau, aus Geldkassen, Schlüsseln, Schlössern, Hauptbüchern, Verträgen und schweren Börsen aus Stahl zusammengesetzt. Sein Leib war durchsichtig, so dass Scrooge durch die Weste hindurch die zwei Knöpfe hinten auf seinem Rock sehen konnte.

      Scrooge hatte oft sagen gehört, Marley habe kein Herz, aber er glaubte es jetzt erst.

      Nein, er glaubte es selbst jetzt noch nicht. Obgleich er das Gespenst durch und durch und vor sich stehen sah; obgleich er den kalten Schauer seiner toten starren Augen fühlte und selbst den Stoff des Tuches erkannte, welches um seinen Kopf und sein Kinn gebunden war und das er früher nicht bemerkt hatte, war er doch noch ungläubig und sträubte sich gegen das Zeugnis seiner Sinne.

      „Nun“, sagte Scrooge, spöttisch und kalt wie gewöhnlich, „was wollt ihr?“

      „Viel!“ Das war Marley’s Stimme.

      „Wer seid Ihr?“

      „Fragt mich, wer ich war.“

      „Nun, wer wart Ihr?“ sagte Scrooge lauter.

      „Als ich lebte, war ich Euer Compagnon, Jacob Marley.“

      „Könnt Ihr Euch setzen?“ fragte Scrooge, ihn zweifelnd ansehend.

      „Ich kann es.“

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      Marleys Geist

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