David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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      Die­se of­fen­kun­di­gen Be­wei­se un­ver­träg­li­cher Ge­müts­art be­wo­gen schließ­lich Miss Betsey, ihn mit Geld ab­zu­fer­ti­gen und eine Schei­dung auf ge­gen­sei­ti­ge Übe­rein­kunft durch­zu­set­zen.

      Er ging mit dem Ka­pi­tal nach In­di­en und wur­de dort nach ei­ner wil­den Le­gen­de in un­se­rer Fa­mi­lie ein­mal auf ei­nem Ele­fan­ten rei­ten ge­se­hen in Ge­sell­schaft ei­nes Babu. Es wird wohl ein Pa­vi­an ge­we­sen sein – oder eine Be­gum! Wie dem auch sei, ehe zehn Jah­re um wa­ren, kam aus In­di­en die Kun­de von sei­nem Tod.

      Wie mei­ne Tan­te es auf­ge­nom­men hat, weiß nie­mand. Gleich nach der Schei­dung nahm sie ih­ren Mäd­chen­na­men wie­der an, kauf­te sich ein Häu­schen in ei­nem Wei­ler weit drau­ßen an der See­küs­te und leb­te dort mit ei­ner ein­zi­gen Die­ne­rin in un­er­bitt­li­cher Zu­rück­ge­zo­gen­heit.

      Mein Va­ter muss­te einst ihr Lieb­ling ge­we­sen sein, aber sei­ne Hei­rat hat­te sie töd­lich be­lei­digt, da mei­ne Mut­ter nach ih­rer An­sicht nur eine »Wach­s­pup­pe« war. Sie hat­te mei­ne Mut­ter wohl nie ge­se­hen, wuss­te aber, dass sie sehr jung war – noch nicht zwan­zig.

      Mein Va­ter und Miss Betsey sa­hen ein­an­der nie wie­der. Er war dop­pelt so alt als mei­ne Mut­ter, als er sie hei­ra­te­te, und von zar­ter Ge­sund­heit. Ein Jahr dar­auf starb er; wie ich schon ge­sagt habe, sechs Mo­na­te, ehe ich zur Welt kam.

      So la­gen die Din­ge an je­nem, wie ich wohl sa­gen darf, er­eig­nis­vol­len und wich­ti­gen Frei­tag. Ich weiß na­tür­lich über sie nichts aus eig­ner An­schau­ung und stüt­ze mei­ne Erin­ne­run­gen auch nicht auf eig­ne Sin­nes­wahr­neh­mung.

      Mei­ne Mut­ter saß am Feu­er, kör­per­lich schwach und geis­tig sehr nie­der­ge­drückt, schau­te, die Au­gen voll Trä­nen, in das Feu­er und sann trü­be nach über das Schick­sal des vor der Ge­burt ver­wais­ten Kin­des, des­sen An­kunft bin­nen kur­z­em er­war­tet wur­de, und über ihre ei­ge­ne Zu­kunft.

      Es war ein hel­ler, win­di­ger Herbst­nach­mit­tag, und sie saß be­trübt und nie­der­ge­schla­gen da und von ban­gen Zwei­feln er­füllt, ob sie wohl glück­lich die zu er­war­ten­de schwe­re Stun­de über­ste­hen wer­de, als sie, ihre Au­gen trock­nend, auf­blick­te und durch das ge­gen­über­lie­gen­de Fens­ter eine frem­de Dame in den Gar­ten her­ein­kom­men sah.

      Beim zwei­ten Blick hat­te mei­ne Mut­ter schon die si­che­re Ah­nung, dass es Miss Betsey wäre. Die un­ter­ge­hen­de Son­ne schi­en über den Gar­ten­zaun auf die frem­de Dame, und die­se schritt auf die Türe zu mit ei­ner so un­beug­sa­men Stren­ge in Ge­sicht und Hal­tung, dass es nie­mand an­ders sein konn­te.

      Als sie das Haus er­reich­te, lie­fer­te sie noch einen an­de­ren Be­weis ih­rer Iden­ti­tät. Mein Va­ter hat­te oft er­wähnt, dass sie sich sel­ten wie ein ge­wöhn­li­cher Chris­ten­mensch be­neh­me; und nun trat sie wirk­lich, an­statt die Glo­cke zu zie­hen, an das nächs­te Fens­ter und drück­te ihre Nase mit sol­cher Ener­gie ge­gen das Glas, dass die­se im Au­gen­blick ganz platt und weiß wur­de, wie mei­ne Mut­ter oft er­zähl­te.

      Sie be­kam dar­über einen sol­chen Schre­cken, dass ich es mei­ner Über­zeu­gung nach nur Miss Betsey zu dan­ken habe, wenn ich an ei­nem Frei­tag zur Welt kam.

      Mei­ne Mut­ter war in ih­rer Auf­re­gung auf­ge­stan­den und hin­ter den Stuhl in eine Ecke ge­tre­ten. Miss Betsey sah sich durch die Schei­ben lang­sam und for­schend im Zim­mer um, wo­bei sie am an­de­ren Ende der Stu­be an­fing, und wen­de­te au­to­ma­ten­haft wie ein Tür­ken­kopf auf ei­ner Schwarz­wäl­der­wand­uhr das Ge­sicht, bis ihre Bli­cke auf mei­ner Mut­ter haf­ten blie­ben. Dann zog sie die Brau­en zu­sam­men und wink­te wie je­mand, der zu be­feh­len ge­wohnt ist, dass man ihr die Türe auf­ma­chen sol­le. Mei­ne Mut­ter ge­horch­te.

      »Mrs. Da­vid Cop­per­field ver­mut­lich«, sag­te Miss Betsey mit ei­ner Em­pha­se, die sich wahr­schein­lich auf die Trau­er­klei­der mei­ner Mut­ter und auf ih­ren Zu­stand be­zog.

      »Ja«, ant­wor­te­te mei­ne Mut­ter schüch­tern.

      »Ha­ben Sie schon von Miss Trot­wood ge­hört?« frag­te die Dame.

      Mei­ne Mut­ter ent­geg­ne­te, sie habe das Ver­gnü­gen ge­habt, hat­te aber da­bei das un­an­ge­neh­me Ge­fühl, nicht da­nach aus­zu­se­hen, als ob es ein über­wäl­ti­gen­des Ver­gnü­gen ge­we­sen wäre.

      »Jetzt steht sie vor Ih­nen«, sag­te Miss Betsey. Mei­ne Mut­ter ver­beug­te sich und bat die Dame, ein­zu­tre­ten.

      Sie gin­gen in das Wohn­zim­mer, aus dem mei­ne Mut­ter ge­kom­men, denn das Be­such­zim­mer auf der an­de­ren Sei­te des Gan­ges war nicht ge­heizt und nicht ge­heizt ge­we­sen seit mei­nes Va­ters Lei­chen­be­gäng­nis. Als sie bei­de Platz ge­nom­men hat­ten, Miss Betsey aber nichts sprach, fing mei­ne Mut­ter, nach ei­nem ver­geb­li­chen Be­mü­hen sich zu fas­sen, zu wei­nen an.

      »O still, still, still!« sag­te Miss Betsey has­tig. »Nur das nicht. Lass das, lass das!«

      Mei­ne Mut­ter aber konn­te sich nicht hel­fen, und ihre Trä­nen flos­sen, bis sie sich aus­ge­weint hat­te.

      »Nimm dei­ne Hau­be ab, Kind«, sag­te Miss Betsey, »da­mit ich dich se­hen kann.«

      Mei­ne Mut­ter war viel zu sehr ein­ge­schüch­tert, um die­ses selt­sa­me Ver­lan­gen ab­zu­schla­gen, selbst wenn sie ge­wollt hät­te. Da­her ent­sprach sie dem Wun­sche und tat es mit so zit­tern­den Hän­den, dass ihr Haar, das sehr reich und schön war, sich lös­te und auf ihre Schul­tern her­ab­fiel.

      »Gott be­wah­re!« rief Miss Betsey, »du bist ja noch ein wah­res Wi­ckel­kind.«

      Al­ler­dings sah mei­ne Mut­ter selbst für ihre Jah­re noch sehr ju­gend­lich aus. Sie ließ den Kopf hän­gen, als ob es ihre Schuld wäre, und sag­te schluch­zend, dass sie auch fürch­te, sie sei ein wah­res Kind von ei­ner Wit­we und wer­de auch ein Kind von ei­ner Mut­ter sein, wenn sie am Le­ben blie­be.

      In der kur­z­en Pau­se, die dar­auf folg­te, kam es ihr fast vor, als ob Miss Betsey ihr Haar be­rühr­te, und zwar nicht mit un­sanf­ter Hand; aber wie sie schüch­tern hof­fend auf­blick­te, hat­te sich die Dame mit auf­ge­schürz­tem Kleid be­reits hin­ge­setzt, die Hän­de über ein Knie ge­fal­tet, die Füße auf das Ka­min­git­ter ge­stützt, und starr­te grim­mig ins Feu­er.

      »Um Got­tes­wil­len?« frag­te Miss Betsey plötz­lich. »Wa­rum ei­gent­lich Krä­hen­horst?«

      »Sie mei­nen das Haus, Ma­da­me?«

      »Wa­rum Krä­hen­horst?« frag­te Miss Betsey. »Hüh­ner­hof wäre pas­sen­der ge­we­sen, wenn ihr bei­de einen Be­griff vom prak­ti­schen Le­ben ge­habt hät­tet.«

      »Mr. Cop­per­field hat ihm den Na­men ge­ge­ben«, er­wi­der­te mei­ne Mut­ter. »Als er das Haus kauf­te, mein­te er, es müss­te hübsch sein, wenn Krä­hen dar­in nis­ten wür­den.«

      Der Abend­wind feg­te in die­sem Au­gen­blick so ge­wal­tig durch die al­ten ho­hen Ul­men im Gar­ten, dass so­wohl mei­ne Mut­ter wie Miss Betsey un­will­kür­lich hin­aus­sa­hen. Als sich die Bäu­me zu­ein­an­der neig­ten wie Rie­sen, die sich Ge­heim­nis­se zu­flüs­ter­ten, und gleich dar­auf in hef­ti­ge Be­we­gung ge­rie­ten und mit ih­ren za­cki­gen Ar­men wild


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