Sherlock Holmes - Seine Abschiedsvorstellung. Arthur Conan Doyle

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Sherlock Holmes - Seine Abschiedsvorstellung - Arthur Conan Doyle


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sein; im selben Zustand wurde ich zum Zug geschafft. Erst da, als die Räder sich schon beinah in Bewegung setzten, kam mir plötzlich zum Bewußtsein, daß ich selbst meine Freiheit in der Hand hatte. Ich sprang hinaus, sie versuchten, mich zurückzuzerren, und ohne die Hilfe dieses braven Mannes hier, der mich zu einer Droschke führte, wäre es mir nie gelungen, zu entkommen. Nun aber bin ich Gott sei Dank auf immer ihrer Gewalt entronnen.«

      Wir alle hatten diesem bemerkenswerten Bericht mit gebannter Aufmerksamkeit gelauscht. Es war Holmes, der schließlich das Schweigen brach.

      »Damit sind wir aber noch nicht am Ende unserer Schwierigkeiten«, sagte er kopfschüttelnd. »Die Polizeiarbeit hätten wir zwar abgeschlossen, aber die juristische Arbeit fangt erst an.«

      »Genau«, pflichtete ich ihm bei. »Ein spitzfindiger Anwalt könnte die Sache immer noch so drehen, daß sie sich wie ein Akt der Notwehr ausnehmen würde. Mögen auch Hunderte von Verbrechen im Hintergrund liegen, so ist es doch nur dieses eine, für das sie belangt werden können.«

      »Ach was«, sagte Baynes munter, »da habe ich aber eine bessere Meinung von unseren Gesetzen. Notwehr ist eine Sache; aber einen Mann kaltblütigen eine Falle zu locken, um ihn zu ermorden, ist eine andere, ganz gleich, was für Gefahren von ihm drohen mögen. Warten Sie's nur ab, wir alle kommen schon zu unserem Recht, wenn wir bei der nächsten Tagung des Geschworenengerichts von Guildford die Bewohner von High Gable wiedersehen.«

      Es ist indessen eine historische Tatsache, daß es noch eine Weile dauern sollte, bis der Tiger von San Pedro seine verdiente Strafe fand. Dreist und gerissen, wie er und sein Spießgeselle nun mal waren, schüttelten sie ihren Verfolger ab, indem sie eine Pension in der Edmonton Street betraten und durch den Hintereingang, der auf den Curzon Square geht, wieder verließen. Von jenem Tag an wurden sie in England nicht mehr gesehen. Etwa sechs Monate später wurden in Madrid der Marquese von Montalva und sein Sekretär, ein Signor Rulli, in ihrem Zimmer im Hotel Escorial ermordet. Das Verbrechen wurde den Nihilisten zugeschrieben, und die Mörder wurden nie gefaßt. Inspektor Baynes besuchte uns in der Baker Street mit einer gedruckten Beschreibung des dunklen Gesichts des Sekretärs und der herrischen Gesichtszüge, des magnetischen Blicks der schwarzen Augen und der buschigen Augenbrauen seines Herrn. Es gab keinen Zweifel, die Gerechtigkeit hatte die beiden, wenn auch spät, ereilt.

      »Ein chaotischer Fall, mein lieber Watson«, sagte Sherlock Holmes bei seiner Abendpfeife. »Es wird Ihnen kaum gelingen, ihn in der gedrängten Form, die Ihnen so sehr am Herzen liegt, zu präsentieren. Er erstreckt sich über zwei Kontinente, umfaßt zwei Gruppen geheimnisumwitterter Personen und wird überdies noch kompliziert durch die äußerst respektable Mitwirkung unseres Freundes Scott Eccles, dessen Einbeziehung davon zeugt, daß der verstorbene Garcia ein talentierter Ränkeschmied und ein Mann mit einem stark entwickelten Selbsterhaltungstrieb war. Bemerkenswert an diesem Fall ist eigentlich allein die Tatsache, daß inmitten dieses undurchdringlichen Dschungels von Möglichkeiten wir und unser geschätzter Mitarbeiter, der Inspektor, das Wesentliche immer fest im Auge behielten und so dem gekrümmten und gewundenen Pfade folgen konnten. Gibt es noch irgendeinen Punkt, der Ihnen nicht ganz klar ist?«

      »Der Grund für die Rückkehr des Mulattenkochs ...«

      »Ich denke, den Anlaß dazu dürfte das seltsame Geschöpf in der Küche gegeben haben. Der Mann war ein primitiver Wilder aus den Urwäldern von San Pedro, und dieser Gegenstand war sein Fetisch. Als er und sein Gefährte zu dem vorher bestimmten Versteck geflüchtet waren, wo zweifellos noch ein weiterer Verbündeter ihrer harrte, hatte ihn sein Gefährte überredet, einen so kompromittierenden Einrichtungsgegenstand zurückzulassen. Der Mulatte hing jedoch so sehr daran, daß es ihn am folgenden Tag zu dem Haus zurücktrieb, wo er aber, als er durchs Fenster spähte, feststellen mußte, daß Constable Walters die Stellung hielt. Er wartete noch einmal drei Tage, dann aber trieb ihn seine Frömmigkeit oder sein Aberglaube zu einem weiteren Versuch. Inspektor Baynes, der mit der ihm eigenen Geriebenheit den Vorfall mir gegenüber heruntergespielt hatte, war sich seiner Bedeutung in Tat und Wahrheit wohl bewußt und stellte dem Mann eine Falle, in die dieser dann auch prompt gegangen ist. Sonst noch etwas, Watson?«

      »Dieser zerfetzte Vogel, der Eimer voll Blut, die verkohlten Knochen, all das rätselhafte Zeug in jener schauerlichen Küche.«

      Lächelnd schlug Holmes eine Eintragung in seinem Notizbuch auf.

      »Ich habe einen Vormittag im British Museum verbracht, um dies und noch ein paar andere Punkte nachzulesen. Dies hier ist ein Zitat aus Eckermanns Voodoo-Kult und Negerreligionen:

      Der echte Voodoo-Anhänger nimmt nichts Wichtiges in Angriff, ohne zuvor bestimmte Opfer dargebracht zu haben, deren Zweck es ist, seine unreinen Götter günstig zu stimmen. In extremen Fällen kommt es bei diesen Ritualen zur Opferung von Menschen, verbunden mit Kannibalismus. Gebräuchlichere Opfer sind ein weißer Hahn, der lebendig in Stücke gerissen wird, oder eine schwarze Ziege, der die Kehle durchgeschnitten und deren Körper dann verbrannt wird.

      Wie Sie sehen, ist unser wilder Freund bei seinem Ritual also ganz orthodox vorgegangen. Grotesk, Watson«, fügte Holmes hinzu, während er bedächtig sein Notizbuch zuklappte; »aber wie ich bereits die Gelegenheit hatte zu bemerken, vom Grotesken zum Entsetzlichen ist es nur ein Schritt.«

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