Viel mehr als nur Körpersprache – Executive Presence. Kay-Sölve Richter

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Viel mehr als nur Körpersprache – Executive Presence - Kay-Sölve Richter


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zu sein, ist zur Bewertungskategorie geworden, wenn wir über Wirkung in der öffentlichen Kommunikation sprechen. Insbesondere, wenn man sich bewusst macht, mit welchen Merkmalen Authentizität assoziiert wird – bezeichnet das lateinische authenticus doch das Echte und Eigentliche. »Authentizität wird mit Zuverlässigkeit, Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Unverfälschtheit und Eigenhändigkeit assoziiert.«9 Anders gesagt: »Wer sich authentisch verhält, hat nichts zu verbergen.«10

      Dabei spielt das Thema Vertrauen als zentrales Kapital von Unternehmen und ihren Managern in der ersten Reihe eine Rolle. Während »authentisch rüberzukommen« positiv besetzt ist, führt fehlende Authentizität leicht zu einem nicht stimmigen Gesamtbild von Körpersprache, Stimme und Inhalten: Was Sie sagen und wie Sie es sagen, passt in der Wahrnehmung Ihres Publikums irgendwie nicht zusammen. Gerade in der Krisenkommunikation von Top-Führungskräften hat solch ein Störmoment fatale Auswirkungen: Es sorgt schnell für Misstrauen beim Gegenüber. Ein hohes Maß an Authentizität dagegen kann zu starken öffentlichen Auftritten und hoher Glaubwürdigkeit führen.

      Authentizität ist etwas, das man Ihnen verleiht, es wird Ihnen zugeschrieben und niemals sich selbst attestiert. Wenn Sie als authentisch wahrgenommen werden wollen, sollten Sie eines auf keinen Fall tun: sagen, dass Sie »eher der authentische Typ« sind. Wer für sich selbst Authentizität reklamiert, weckt ebenfalls Misstrauen – nach dem Motto: Der scheint es ja nötig zu haben.11

       »Gut gemeinte« Ratschläge zur sichtbaren Authentizität im Scheinwerferlicht

      Kann das überhaupt funktionieren: im Scheinwerferlicht authentisch zu agieren? Schließlich wird Authentizität auch als Gegenpart zur Inszenierung beschrieben.12 Und das klingt durchaus einleuchtend: Wenn man sich der Betrachtung und seiner Wirkung bewusst ist – setzt man sich dann nicht automatisch in Szene? Inszeniert sich selbst und kann dadurch gar nicht mehr authentisch sein? Wie lässt sich damit umgehen?

      Ein gerne gegebener Rat lautet: Egal, wie groß die Bühne ist, sprechen Sie nicht zu einem Publikum, sondern zu Ihrem besten Freund. Blenden Sie die Gegebenheiten aus und tun Sie so, als stünden Sie im lockeren Small Talk am Buffet. Von der Idee her ist das gar nicht so schlecht: Raus aus den steifen Präsentationsklamotten, rein in den Freizeitdress und die eigene (Alltags-)Sprache wiederfinden. Guter Ansatz mit dem kleinen Haken, dass er den Praxistest selten besteht. Sie stehen, vielleicht zum ersten Mal in diesem Quartal oder sogar zum ersten Mal in diesem Jahr, vor 800 Zuhörern im großen Kongress-Saal oder vor einer Ansammlung von Reportern. In diesem Moment das Setting ausblenden? Beiseite wischen, was in diesen Momenten stresst (Bühne, Licht, Unruhe, Technik) – das wird bei vielen verständlicherweise nicht funktionieren oder so viel Konzentration fressen, dass sie möglicherweise keinen klaren Gedanken mehr fassen könnten.

      Der zweite Ratschlag: Sie sollten akzeptieren, dass Sie eine Rolle spielen, schließlich stehen Sie als Funktionsträger vor Publikum, Kamera oder Mikrofon. Authentizität habe in der öffentlichen Kommunikation nichts verloren. Auch dieser Gedanke behagt uns nicht so ganz. Denn was heißt es für Sie als Rednerin oder Redner, wenn Sie freiwillig Ihre Stärken abstreifen und ausgerechnet für die von vielen beobachteten Bühnenmomente in einen fremden Präsentationsanzug schlüpfen? Wenn Sie ausgerechnet in diesen doch besonders wichtigen Momenten eine Sprache sprechen, die nicht die Ihre ist?

      Beim ersten Versprecher, bei der überraschenden Zwischenfrage, dem ersten Hänger oder der ersten Abweichung von der Agenda wird sich das rächen. Warum? Weil Sie keinen jahrzehntelang gelernten Ausweg parat haben. Von frühester Kindheit an versprechen wir uns alle, und zwar in so gut wie jedem Gespräch. Sich zu versprechen, gehört zur normalen Kommunikation, und genauso gehört es dazu, diese Versprecher ganz natürlich aufzufangen – indem wir den Gedanken leicht variiert zu Ende bringen oder auch einfach komplett neu ansetzen –, ohne eine große Sache daraus zu machen. Gehen wir aber mit einer »fremden« Sprache auf die Bühne oder vor die Kamera, sind diese über Jahre geübten und damit gelernten und inkorporierten Exitstrategien plötzlich nicht mehr greifbar. Wir werden darauf später noch zu sprechen kommen: Das beste Rezept gegen Blackouts ist die eigene Sprache.

       Der »dritte Weg« zu Ihrer Executive Presence im Scheinwerferlicht

      Wir arbeiten lieber mit einem Weg, für den Sie weder das Setting ausblenden noch eine Inszenierung abliefern müssen. Wir setzen auf eine gezielte Vorbereitung und möchten gemeinsam mit Ihnen die Voraussetzung dafür schaffen, sich authentisch und der eigenen Stärken bewusst in einem alles andere als alltäglichen Rahmen zu präsentieren. Der oben beschriebene individuelle Zugang zum Thema ist nur eine von mehreren Möglichkeiten; sie wird in Teil B weiter ausgeführt und mit Übungen unterfüttert.

      Wenn es Ihnen gelingt, jede Bühne so zu Ihrer Bühne zu machen, dass Sie Ihre ganz persönliche Executive Presence zeigen können, haben Sie Ihr Ziel erreicht. Okay, es sitzen 800 Menschen im Publikum (oder acht Millionen vor dem Fernsehgerät). Und ja, die Aktienkurse werden steigen oder fallen, je nachdem, wie überzeugend Sie in den nächsten Minuten sind. Die Lampen blenden, das Mikrofon hängt unangenehm dicht vor den Lippen und die Krawatte ist zu eng. Um in dieser wenig angenehmen Situation dennoch souverän zu agieren und das Beste daraus zu machen, haben Sie jede Menge an klassischem Handwerkszeug zur Verfügung, das Sie wahrscheinlich aber zu wenig nutzen: Struktur und Dramaturgie, Sprache und Stimme, Haltung und Haltung.

       Übung zur Selbsteinschätzung: Wie authentisch zeige ich mich eigentlich?

      a)Ich gebe mich in jeder öffentlichen Kommunikation so, wie ich nun mal bin. Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

      b)Ich schlüpfe ganz bewusst in das Rednerkostüm, weil das von mir erwartet wird, wenn ich auf der Bühne oder vor der Kamera stehe.

      c)Authentizität ist in der öffentlichen Kommunikation ein Tabu für mich, weil es niemanden etwas angeht, wie ich wirklich bin.

      d)Ich wäre gerne mehr »ich selbst« auf der Bühne, aber die Gegebenheiten lassen es nicht zu: Formalitäten, Faktenvermittlung, Zuhörererwartungen.

      e)Wahrscheinlich agiere ich vor Publikum genauso echt oder unecht wie die meisten Redner. Man guckt sich halt ab, wie andere es machen.

      Und damit zurück zur Eingangsfrage: Warum ist es so schwierig, authentisch zu sein – auf dem Podium, der Vortragsbühne, vor den Fernsehkameras? Also gerade dann, wenn es wichtig ist und viele Menschen zuschauen?

      Die Antwort ist simpel und man muss es nicht komplizierter ausdrücken: Eben weil es wichtig ist und viele Menschen zuschauen. Weil Sie von sich erwarten, natürlich zu agieren, in einer alles andere als natürlichen Situation. Weil Sie im Fokus stehen und Ihr Wort nicht nur gehört, sondern gespeichert und bewertet wird. Weil Sie sich bewusst sind, dass Sie wirken. Man müsste die Frage umdrehen: Wie sollte es bitteschön gelingen, in einer Situation, die nichts mit täglichen Routinen zu tun hat, man selbst zu sein und authentisch?

      Ein erster wichtiger Schritt: Seien Sie sich der Ausnahmesituation bewusst. Wenn Sie so tun, als wäre alles easy und wie immer, um dadurch easy und wie immer zu wirken, funktioniert das nicht. Schweißhände sind erlaubt und Anspannung ist sogar Voraussetzung für Präsenz.

       Authentizität braucht Übung – so absurd das auch klingen mag.

      Haben Sie das akzeptiert, ist Ihr Kopf frei für eine Vorbereitung, die Authentizität erst möglich macht und die viele Aspekte umfasst: die Suche nach der eigenen Haltung zu einem Thema, nach den eigenen (!) Worten und einem persönlichen Einstieg, das Löschen von tausendfach gehörten Rednerphrasen, den Blick auf die wichtigsten Botschaften und ihr Hörbarmachen durch Bilder und Beispiele. Die Auseinandersetzung mit Ort, Zeit, Anlass und Publikum ist entscheidend. Erst dadurch können Sie in einer nicht natürlichen Situation bei sich sein, bei Ihrem Thema und bei Ihrem Publikum. Das hat nichts mit Soft Skills zu tun, sondern schlicht mit hoher Professionalität. Authentizität


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