Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
Читать онлайн книгу.Task, setzen Sie einen Verfolgungskurs«, befahl Noriko. »Lieutenant McCall, ich brauche eine Verbindung zu Captain Cross.«
Die HYPERION setzte sich in Bewegung – für Norikos Geschmack jedoch viel zu langsam.
*
Alorasul (Hauptstadt von Rental IV), Rental-System, 12. Januar 2266, 17:30 Uhr
Jayden lauschte gebannt den Worten von Al-Re-Al. Die Übersetzung drang in einwandfreiem Solar aus zwei Mikro-Lautsprechern, die an der Innenwand seiner Gehörgänge klebten. Gleichzeitig filterten sie die Originalklänge, wodurch es für Jayden so wirkte, als spräche der rentalianische Rudelführer Solar.
»Wir wurden völlig überrumpelt.« Al-Re-Al legte die Ohren an. Ein Zeichen für Schwäche, Unterwürfigkeit oder Kraftlosigkeit, wie Jayden mittlerweile wusste. »Ein Team aus Wissenschaftlern fand bei der Ausschachtung eines Asteroiden vor einem halben Zyklus uralte Kavernen.«
Vor sechs Monaten, dachte Jayden. Das war lange bevor wir das Fraktal fanden.
»Darin schwebte ein Würfel. Seine schwarze Oberfläche glänzte im Schein der Bergungsstrahler. Ich selbst sah nur Aufnahmen, doch allein diese wirkten … Grauenerregend. Wir ließen das Artefakt von einem unserer Schiffe abholen. Doch kurz bevor es hier eintraf, beschleunigte das Schiff und wechselte in den Phasenraum.«
Jayden runzelte die Stirn. Sein erster Gedanke war, dass die Besatzung dem Fraktal zum Opfer gefallen war, doch dann hätte das Raumschiff kaum davonfliegen können. Anscheinend wirkte die Strahlung auf die Rentalianer anders als auf Menschen. Oder dieser Würfel besaß generell eine andere Wirkung als sein Pendant auf dem Mars. »Ich nehme an, Sie haben seitdem nichts mehr von diesem Schiff gehört?«
»So ist es.«
Bevor Jayden weiter nachhaken konnte, erklang ein dumpfer Ton im Raum. Auf der Oberfläche von Al-Re-Als Tischplatte erschien eine Meldung.
Jayden konnte sich nicht damit anfreunden, dass die Rentalianer ihre Monitore flach in die Tischplatten integrierten. Das bot nun allerdings den Vorteil, dass er ebenso darauf sehen konnte wie der oberste Rudelführer.
Ein Schreck durchfuhr ihn, als er mehrere wrackgeschossene Raumer entdeckte. Im Hintergrund schwebte die HYPERION.
Ein Berater stürzte herein, beugte sich über den Rudelführer und begann hektisch zu sprechen.
Jayden sprang auf. »Was ist passiert?«
»Nun, Captain«, sagte Al-Re-Al. »Es sieht so aus, als hätten wir unser Schiff soeben wiedergefunden.«
*
»Sir!« Noriko ließ sich ihre Erleichterung nicht anmerken. »Sind Sie über die Ereignisse informiert?«
»Das bin ich. Wie ist der Status der HYPERION?«
»Minimale Schäden«, berichtete Noriko. »Keine Opfer.«
Der Captain lächelte. »Sehr gut. Wir müssen schnell handeln. Das Schiff, das Sie gerade verfolgen, hat vor wenigen Minuten einen Entertrupp über ein Transmittertor auf den Asteroiden geschickt. Sie haben eine Antimateriebombe von dort geholt. Auf dem Schiff befindet sich einer der Würfel!«
»Ich kann nicht behaupten, dass mich das überrascht. Aber offensichtlich ist die Besatzung noch am Leben.«
»Scheinbar wirkt die Strahlung bei ihnen anders. Ich weiß es nicht. Doch was auch immer ihr Ziel ist: Sie dürfen diese Bombe nicht einsetzen. Heften Sie sich an ihre Fersen.«
Noriko überdachte die Optionen. »Sir, bei Unterlichtgeschwindigkeit sind die Rentalianer zu höheren Geschwindigkeiten fähig als wir. Sie werden in den Phasenraum wechseln, bevor wir sie einholen können. Zwar können wir sie auf Interlink theoretisch überholen, doch da wir nicht wissen, wo sie wieder in den Normalraum wollen, wird es schwierig, sie aufzuhalten. Und solange sie im Phasenraum sind, können wir nicht angreifen.«
»Das ist mir bewusst, Commander.« Der Captain machte keinen sehr glücklichen Eindruck. »Ich werde hier am Boden versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Irgendeinen Hinweis muss es geben. Doch bis Sie wieder von mir hören, kleben Sie an dem rentalianischen Schiff wie eine weganische Genfliege. Die Heimatflotte des Systems verteilt sich gerade über die Planeten und Habitate, um die Antimateriebombe aufzuhalten, falls das Schiff sie abfeuert. Damit sind ihre Kräfte allerdings gebunden und die Verfolgung wird problematisch, falls das Fraktal-Schiff das System verlässt.«
»Verstanden, Sir.«
»Gute Jagd. Cross Ende.«
Das Abbild des Captains erlosch.
»Lieutenant Task, Sie haben den Captain gehört«, sagte Noriko. »Heften Sie sich an das Schiff. Und bereiten Sie den Interlink-Flug vor.«
Peter Task nickte und begann Daten in seine Konsole einzugeben. Dabei waren seine Bewegungen langsam und bedächtig. Jedes Mal, wenn Noriko ihm zusah, wurde sie aufgrund seiner Behäbigkeit unruhig. Einmal hatte sie versucht, ein zwangloses Gespräch mit dem Lieutenant zu führen. Nach zehn Minuten hatte sie das Gefühl, sich durch zähen Treibsand zu bewegen. Er war ein sympathischer, aber phlegmatischer Kerl.
»Die rentalianische Raumüberwachung hat uns ein Signatur-Update geschickt«, meldete Lieutenant Tess Kensington. In Art und Auftreten war sie das genaue Gegenteil von Peter Task. Sie strahlte Energie und Elan aus, hatte stets ein etwas spöttisches Lächeln auf den Lippen und sprühte nur so vor Charme. In spätestens fünf Jahren würde sie ein eigenes Kommando übernehmen, da war sich Noriko sicher. »Wir verfolgen laut Datenbank das Schiff 'SE-RA-TA-LA-MU'. Furchtbar, diese Kettennamen. Wie soll man sich das merken?«
»Ich denke, wir tun uns allen einen Gefallen, Lieutenant, wenn wir uns auf 'SE-RA' beschränken.« Noriko hatte zwar kein Problem mit der langen Aussprache – sie hatte Linguistik als Wahlfach an der Akademie belegt –, doch nicht jeder kam damit so gut zurecht.
»Und wieder ein Protokollverstoß«, murmelte Lieutenant Bruce Walker.
Noriko dachte an die Ermahnung von Giulia. Sie hatte vorausgesehen, dass der Offizier versuchen würde, sie zu provozieren. »Wollten Sie eine Meldung machen, Lieutenant Walker?«
»Negativ, Ma’am.« Walker sprach in förmlichem Tonfall, dem keinerlei Emotionen zu entnehmen waren. »Wenn Sie sich dazu entscheiden, das Protokoll aufgrund persönlicher Erfahrungen zu umgehen und das Schiff eines assoziierten Volkes mit einer Bezeichnung zu betiteln, die im Gefecht leicht verwechselt werden kann, werde ich Ihre Entscheidung natürlich nicht kritisieren. Das steht mir als einfachem Lieutenant nicht zu. Trotzdem hoffe ich sehr, dass die HYPERION das Schicksal der INCEPTION nicht teilt, Ma’am.«
Obgleich Noriko damit gerechnet hatte, zuckte sie doch zusammen. Walker hatte ihr eine verbale Ohrfeige verpasst, ohne gegen die Regeln zu verstoßen. In seinen Augen lag ein gehässiges Funkeln, das jedoch nur Noriko bemerkte.
Als sekundärer Taktikoffizier besetzte Walker eine der Konsolen, die sich wie aufgefädelte Perlen an der Wand entlangzogen. Von dort aus bereitete er Daten für Lieutenant Commander Akoskin auf. Als wäre nichts geschehen, gab er weiter Informationen in seine Konsole ein.
Auf der Kommandobrücke war es unweigerlich still geworden. Lieutenant Kensington hatte die Augen weit aufgerissen, Sarah McCall rutschte tiefer in ihren Konturensessel, Peter Task gab sich völlig unbeeindruckt. Nur Akoskin runzelte wütend die Stirn. Zweifellos stand er kurz davor, Walker ordentlich eine zu verpassen.
»Sie haben Ihre Meinung geäußert, Lieutenant. Ich werde Ihre Bedenken im Logbuch notieren«, sagte Noriko. Sie zwang ihre Stimme zur gleichen Neutralität, wie sie auch Walker an den Tag gelegt hatte. »Ich bin sicher, dass jeder Offizier hinter einer Primärkonsole genug Kompetenz besitzt, keine Raumschiffbezeichnungen zu verwechseln. Und sollten die Rentalianer weitere Schiffe entsenden, die aufgrund der komplexen Namensgebung mit einer identischen Bezeichnung beginnen, werden wir auch dieses Problem zweifellos lösen.«
Über