Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek

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Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus - Andreas Suchanek


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doch ihm sagten weder die farblich abgestuften Bereiche noch die Markierungen etwas.

      Petrova zoomte mit einer geübten Handbewegung jenes Areal heran, in dem sich sein Chip befand. Eingebettet in ektodermales Gewebe sah er genauso aus wie beim letzten Mal, als Jayden einen holografischen Scan seines Gehirns gesehen hatte.

      »Beginnen wir mit den guten Nachrichten«, sagte Doktor Petrova und setzte ein Lächeln auf, das so gar nicht zu ihr passen wollte. »Die Funktionen des Chips sind nicht beeinträchtigt. Ebenso ist die Datenstruktur intakt.« Sie machte eine Pause, blickte noch einmal auf ihr Memopad und straffte die Schultern. »Leider gibt es ein Problem mit der bioneuralen Schnittstelle.« Sie zoomte die entsprechende Stelle heran. Winzige Fäden verbanden den Chip mit diversen Nervenknoten des Hirns. »Wie Sie vermutlich wissen, werden die Kontaktfäden des Kommandochips mittels Nanotechnik an die Nerven gekoppelt. Durch einen entsprechenden Funkimpuls lösen diese bei Bedarf diese Kopplung. Was immer auf dem Mars geschehen ist, hat diese Entkoppelungsfunktion zerstört. Die Naniten haben die Kontaktfäden nun sogar mit den Nerven verschmolzen.« Sie machte eine bedeutungsschwere Pause.

      »Sie wollen damit sagen, dass der Chip nicht entfernt werden kann?«

      Doktor Petrova nickte. »Er funktioniert tadellos, doch er kann nicht mehr extrahiert werden. In der Regel geschieht dies durch die Zufuhr spezieller Naniten, die in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Diese zersetzen den Chip, und seine Reste werden über die Blutbahn abtransportiert. Als ich versuchte, einen Nanitenstamm einzuschleusen, der die Kontaktfäden ihres Chips entfernen und ersetzen sollte, konnte ich keinen Erfolg feststellen. Im Gegenteil erlebte ich einen kolossalen Fehlschlag: Die Naniten wurden von ihren Chip-Pendants vollständig zerstört.«

      Jayden erinnerte sich an das Chaos auf dem Mars, das von dem Artefakt ausgelöst worden war. »Haben Sie Ihre Untersuchungsergebnisse bereits an die Admiralität weitergeleitet?«

      Petrova nickte. »Das habe ich, Sir. Man hat damit begonnen, jeden Kommandooffizier zu untersuchen, der sich im Einflussbereich des Artefakts befand. Doch bisher waren alle Ergebnisse negativ. Aus irgendeinem Grund ist nur Ihr Chip beeinflusst worden. So wie auch nur Sie die Koordinaten des nächsten Artefakts kannten.«

      »Und vergessen Sie nicht meine plötzlichen Kenntnisse über die Schriftsprache der unbekannten Erbauer des Artefaktes.«

      »Der Speicher des in den Kommandochip integrierten Translators wurde mit neuen Datensätzen gefüllt«, bestätigte Petrova. »Unnötig zu erwähnen, dass keine Kopie davon angefertigt werden kann. Ich fürchte, Sie werden bald sehr viel Zeit mit den Linguisten an Bord verbringen, um manuell die Syntax und Semantik dieser fremden Sprache zu dokumentieren.«

      Jayden graute es schon jetzt davor. Was ihn jedoch viel mehr beunruhigte, war die Verschmelzung seines Chips mit seinem Hirn. Wer konnte schon sagen, was dieses verdammte Artefakt noch angestellt hatte?

      »Doktor«, Jayden räusperte sich, »ich weiß, die Frage mag seltsam erscheinen, aber der Chip ist doch nicht in der Lage, mich zu kontrollieren?«

      Petrova lachte auf. »Ich versichere Ihnen, Captain, ein solches Szenario ist völlig abwegig. Als die Chips eingeführt wurden, machten sich viele Kommandooffiziere darüber Sorgen, dass sie durch diese ferngesteuert werden könnten, man ihre Gedanken darauf speichern oder ihnen Erinnerungen einpflanzen würde. Das alles ist nicht möglich. Die Verbindung zwischen Chip und Hirn ist unidirektional. Sie können auf die Daten des Chips zugreifen, der Chip kann jedoch keine Daten von sich aus senden. Zudem besteht überhaupt kein Zugriff vom Chip zu höherwertigen Funktionen des Hirns. Machen Sie sich darüber also keine Sorgen.«

      »Wenigstens etwas. Also gut, Doktor, was werden wir tun? Ich will diesen Chip aus meinem Hirn heraus haben, und zwar lieber heute als morgen.«

      »Einstweilen können wir nichts tun. Und solange ich die genaue Reaktion der Naniten nicht voraussagen kann, werde ich auch auf einen chirurgischen Eingriff verzichten.« Doktor Petrova wirkte bei diesem Geständnis nicht gerade glücklich. »Ich werde in nächster Zeit mit verschiedenen Nanostämmen experimentieren. Doch bis ich eine Möglichkeit gefunden habe, die Barriere zu umgehen, werden Sie mit dem Chip leben müssen.«

      Jayden freute sich schon auf die Diskussion mit Admiral Sjöberg, der seinerseits die übrige Admiralität davon überzeugen musste, dass sich der Kommandant der HYPERION nicht über Nacht in eine tickende Zeitbombe verwandelt hatte.

      »Ich verstehe. Danke, Doktor.«

      Jayden verließ die Krankenstation. Er brauchte einige Minuten allein. Von Anfang an hatte er den verdammten Chip verabscheut. Es gab genug andere Möglichkeiten, Alpha-Dateien und Kommandocodes zu schützen. Aber nein, die Admiralität hatte der Empfehlung des Komitees zur sicheren Datenspeicherung von militärisch sensiblen Dateien nachgegeben und die Chips eingeführt. Vielleicht sollte er ein persönliches Gespräch mit dem Komiteevorsitzenden führen. Jayden atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen.

      Doktor Petrova würde eine Möglichkeit finden, den Chip wieder abzukoppeln, daran bestand kein Zweifel. Die Frau mochte ja ein wenig barsch sein, ihre Kompetenz stand jedoch außer Frage. Bis dahin würde er sich mit der Situation arrangieren. Nicht, dass er eine Wahl gehabt hätte.

      *

      Seit über einer Stunde saß Admiral Juri Michalew in einem der Konturensessel und starrte auf den Stasetank. Er konnte einfach nicht den Blick abwenden, sich keiner anderen Arbeit widmen – obwohl es genug davon gab.

      Direkt vor ihm, nur eine Armeslänge entfernt, lag der Stasetank von der PROTECTOR. Unter einer konvexen Oberfläche aus transparentem Stahl zeichneten sich die Konturen des darin liegenden Parliden ab. Juri lachte auf. Des niederen Parliden. Ein Unterschied, der weit deutlicher ins Gewicht fiel, als das Gros der Menschheit auch nur ahnte.

      Bevor Captain Cross den Tank aus dem Elnath-System mit nach Hause gebracht hatte, waren Juris Pläne klar gewesen, und obendrein entwickelte sich alles prächtig. Doch jetzt hatte sich alles verändert. Er konnte den nächsten Schritt nicht einleiten, nicht handeln. Er musste warten, bis die Wissenschaftler ihre Arbeit vollendet hatten. Ihm wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass er die einmalige Chance vertan und für eine Intervention gestimmt hatte.

      »Sir?«

      Juri zuckte innerlich zusammen, ließ sich äußerlich jedoch nicht anmerken, dass er seinen Adjutanten nicht hatte kommen hören.

      »Randall, Sie hier«, sagte er. »Was gibt es?«

      Wie immer wand Randall Trace sich wie ein Aal.

      Der hochgewachsene dürre Mann wirkte kaum wie ein Offizier der Space Navy. Die Uniform schlackerte an seinem Körper, das Haar war meist fettig, und aufgrund der Blässe, die seine Haut überzog, hätte man den Offizier für eine wandelnde Leiche halten können.

      »Schlechte Neuigkeiten? Nun spucken Sie es schon aus!« Juri stand nicht der Sinn danach, diesen Waschlappen zu schonen. Er hatte ihn überhaupt nur als seinen Adjutanten angenommen, weil er seiner Familie einen Gefallen schuldete. Eines musste man Randall immerhin lassen: Er glich wahrlich einer Spinne. Sein Netz aus Informanten durchzog die Space Navy ebenso wie das Kabinett der Präsidentin.

      »Sir, es tut mir leid, aber mir ist soeben zu Ohren gekommen, dass Admiral Sjöberg über Admiral Zhang bei der Präsidentin interveniert, um ebenfalls Zugriff auf den Parlidenkörper zu erhalten.«

      »Der Waschlappen hat sich Zeit gelassen«, erwiderte Juri abfällig. Sjöberg war eine wahre Plage. Zuerst riss er das HYPERION-Projekt an sich, dann schnappte er sich die Federführung über das Fraktal-Projekt. »Aber darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Als er den Wissenschaftlern gestattete, das Fraktal auf dem Mars zu platzieren – und das, obwohl er durch Cross' Bericht hätte wissen müssen, wie gefährlich es ist –, hat er sich selbst einen Pulserschuss ins Bein gejagt.« Juri schüttelte den Kopf über so viel Dummheit. Ein Wunder, dass es nur einige Leichtverletzte gegeben


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