Der Abt vom Petersberg. Alice Frontzek

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Der Abt vom Petersberg - Alice Frontzek


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der mit blauen und goldenen Fliesen gestaltet war. Um ein großes Schwimmbecken mit türkis leuchtendem Wasser befanden sich Säulen mit Bänken oder Steinliegen dazwischen. Der eher dunkle Raum, der nur blau-grün verglaste kleine Lichtluken besaß, war mit Laternen ausgestattet, die ein warmes oranges Licht verbreiteten. Nun erschienen vier augenscheinlich junge Orientalinnen, die nichts trugen als einen Schleier um Haar und Mund, ein bauchfreies Oberteil, das die Brüste zur oberen Hälfte freigab, und fast durchsichtige Pluderhosen aus bunter hauchdünner Seide. Eine jede in einer anderen Farbe. Wenn sie liefen, klingelten die talerartigen Verzierungen an ihren schmalen, gebräunten Taillen, was ihnen das Aussehen von Bauchtänzerinnen verlieh. Jede von ihnen trug ein großes Tuch über dem Arm und nahm sich nun einem der Männer an.

      Nikolaus merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Er war überrascht von so viel Freizügigkeit und wunderte sich über die Art des Angebots an sie als geistliche Herren. War nicht das Hauptthema ihrer Reise, Versuchung und Laster aus der Geistlichkeit zu vertreiben? Und nun ertappte er sich, wie sich Begehren in ihm regte. Er nahm sich zusammen und schaute zu seinen Freunden, die ähnlich konzentriert wie er der Dinge harrten, die da kommen sollten. Keiner ließ sich etwas anmerken. Protestieren wollte ebenfalls niemand. Vermutlich wäre es eine Beleidigung gewesen, die freundliche Geste eines erfrischenden Bades abzuschlagen.

      Seine Badedame verneigte sich vor ihm und zeigte ihm einen Umkleideschirm. Mit Gesten erklärte sie ihm, dass er das Tuch umlegen solle. Alle verschwanden sie hinter den Schirmen und kamen fast gleichzeitig wieder hervor, jeder mit einer anderen Wickeltechnik. Sie mussten lachen und die Situation entspannte sich. Nikolaus erahnte ein verschmitztes Grinsen hinter dem Schleier seiner Orientalin. Ihre Augen waren groß, dunkel und schauten ihn aufmerksam an. Dann wurden die Männer zu Zubern geführt, wo sie, geschickt und ohne ihre Männlichkeit zu offenbaren, ins Wasser glitten und dabei die Tücher abgenommen bekamen. Nun übergossen die Damen sie mit Kannen warmen Wassers und rieben sie mit wohlriechenden Seifen an Haupt und Körper ein. Nach dem Abspülen boten ihnen die Orientalinnen an, im Becken zu schwimmen. Alle nahmen an, und jeder war überrascht, dass sie allesamt das Schwimmen recht gut beherrschten. Beim Aussteigen aus dem Wasser wurden ihnen die Tücher aufgehalten und abschließend durften sie eine Massage mit duftenden Ölen genießen, wozu sie sich bäuchlings auf die gepolsterten Steinbänke legten. Dann konnten sie sich wieder ankleiden.

      Als sie hinter den Schirmen hervorkamen, waren die Frauen verschwunden. Nikolaus sah sich suchend um und bedauerte, nur seine Freunde zu sehen.

      Inzwischen war der Diener von vorhin erneut erschienen. »Ihr werdet nun im Speisesaal erwartet.«

      Er ging wieder vorneweg. Die Männer folgten ihm durch lange Flure mit übergroßen Herrscherporträts, Gemälden von Frauen und Bildern vergangener Schlachten und Kreuzzüge. Dann öffnete sich eine große Holztür und sie traten in einen steinernen Saal, der mit prunkvollen Perserteppichen ausgelegt war. An einer langen Tafel saß am anderen Ende auf einem breiten Stuhl mit rot-samtenen Armlehnen Kaiser Johannes VIII. Palaiologos, hinter ihm stand sein Sekretär. Mit einer Handbewegung bedeutete er den Gesandten, sich direkt neben ihn an die vorbereiteten Plätze zu setzen. Er erhob sich zum Gruße auf Augenhöhe, wobei er freundlich nickte und die Geistlichen eine leichte Verbeugung andeuteten. »Seid herzlich willkommen. Ich halte nicht viel von Schaugeplänkel. Wir wollen dasselbe: Das Zentrum, der Ursprung der christlichen Kirche, die christlichen Stätten von Byzanz, müssen gegen die Osmanen verteidigt werden. Ich unterstütze Eure Mission, der Patriarch von Konstantinopel ist mit mir einer Meinung. Wir werden mit Euch gen Westen zu Verhandlungen aufbrechen. Wir benötigen Eure Armee gegen die Türken. Die Glaubenslehren besprecht mit ihm und den Bischöfen der Ostkirche. Wir werden uns gemeinsam mit Euch auf die Schiffsreise begeben. Bis dahin seid Ihr meine Gäste. Morgen werdet Ihr in der Apostelkirche erwartet.«

      Die Delegierten waren sprachlos. Diese Direktheit hatten sie nicht erwartet. Auch nicht, dass die Ostkirche bereits Reisepläne hatte und sie ihre künftigen Mitreisenden in jedem Fall als Erfolg auf dem Weg zu einer geeinten Kirche verbuchen konnten.

      Kues fasste sich als Erster. Der Kaiser hatte fast schon alles gesagt. Dem war kaum etwas hinzuzufügen. Doch Nikolaus wollte mit Berechtigung diese weite Reise auf sich genommen haben. »Eure Hoheit können Gedanken lesen und besitzen ein besonders feines Gespür für Diplomatie und Taktik. Es freut uns, dass wir keine Eulen nach Athen tragen müssen und die tatsächlichen Notwendigkeiten und ein gesunder Menschenverstand allein Euch zu überzeugen vermochten. Nun stehen wir hoch in Eurer Schuld, weil wir Eure Gastfreundschaft in Anspruch genommen haben, wofür ich mich stellvertretend für meine Mitreisenden bedanken möchte. Der Besuch Eures Badehauses hat unsere von der Reise strapazierten Glieder entspannt und mit neuer Kraft versorgt. Wir ziehen gerne noch heute in eine Unterkunft der Kirche. Bescheidenheit ist eine unserer Hauptforderungen an den Papst höchstselbst.« Der Kaiser lachte tief und sein Bauch wackelte. »Eure Zimmer sind bescheiden. Ich will Euch gerne die meinen zeigen. Nein, der Patriarch und ich haben miteinander gesprochen. So ist es unser Wille. Mein Diener wird Euch nach dem Essen in die Kapelle führen. Dort könnt Ihr beten. Die Palastbibliothek ist gleich daneben. Das Bad steht Euch den ganzen Tag zur Verfügung. Ihr werdet es in der Hitze hier gerne nutzen. Die Damen sind ebenfalls jederzeit verfügbar. Ihr müsst nur nach ihnen klingeln. Wozu heiliger sein als der Papst!« Nun lachte er erneut ein schallendes Lachen, von dem er sich kaum erholen konnte. »Verzeiht. Ich habe mich lange nicht so amüsiert.«

      Tommaso und Nikolaus sahen sich ernst an. War das als Affront zu werten? Sollten sie sich diese Andeutungen verbitten, wenngleich sie nicht treffender hätten sein können? Sollten sie vielleicht sogar dankend auf die Mahlzeit und die Gastfreundschaft verzichten? Basilius legte seine Hand auf Nikolaus’ Unterarm. Giuliano deutete ein fast unsichtbares Nein an, indem er den Mund leicht spitzte, den Kopf kaum merklich schüttelte und beide eindringlich ansah. Nikolaus atmete durch und setzte sich. Die anderen folgten.

      Der Kaiser räusperte sich. »Spaß muss sein. Im Süden ist man nicht so ernst wie in Deutschland, oder, Erzbischof Bessarion? Wie ist es in Griechenland?«

      Der lachte und animierte die anderen, die Situation ebenfalls mit Humor zu tragen. Die Stimmung entspannte sich schnell auch bei den Gesandten. Man sprach nun über die Welt, Italien, Rom, den Vatikan; Deutschland, Köln, Erfurt, Hildesheim, Prag, Athen, Kaiser Sigismund, Papst Eugen, über die Sonne, das Meer, die Gesundheit, Früchte und nicht zuletzt Frauen.

      »Wie kommt es, dass Türkinnen zu Eurer Dienerschaft gehören, Hoheit?«, wollte Tommaso wissen.

      »Der Islam erlaubt dem Mann einen ganzen Harem! Sind sie gottesfürchtig, verschleiert und gehorsam, erhöhen sie den Wert des Mannes. Aber Ihr habt recht, was machen sie im Dienste eines Christen? Nun, ich zahle gut. Ihre Väter fühlten sich geehrt. Ich respektiere ihren Glauben. Lest doch in dem Koran, den ich auszugsweise ins Lateinische übersetzen ließ. Ihr findet die Handschrift in der Bibliothek!«

      Nikolaus liebte Bücher und merkte sich dieses Angebot vor. Nach dem üppigen Mahl dankten sich alle gegenseitig für das anregende, gute Gespräch sowie die hervorragende Gesellschaft und freuten sich auf eine Wiederholung. Der Kaiser zog sich zurück. Die vier Gesandten, deren Helfer fast unsichtbar nie weit entfernt waren, gingen in den Park des Palastes, setzten sich in den Schatten einer Zypresse auf den Rand eines Wasserspiels und überlegten ihr weiteres Vorgehen.

      »Es wird heiß. Ich gehe später noch einmal Schwimmen. Ich werde mir auch die Bibliothek anschauen. Vielleicht ist es eine gute Idee, wenn wir uns zum Abendgebet in der Kapelle treffen. Sehen wir uns das Messzeug an. Vielleicht gibt es auch einen Priester«, ordnete Nikolaus seine Gedanken.

      »Das klingt gut. Lasst uns noch ein bisschen im Garten spazieren, dann will ich mich ausruhen. Morgen sehe ich zuversichtlich und mit Freude dem Treffen mit der byzantinischen Geistlichkeit entgegen«, ergänzte Basilius.

      Eine Stunde später ging jeder von ihnen zunächst auf sein Zimmer. Nikolaus nur, um in den Spiegel zu schauen, seine halblangen Haare zu ordnen und sich den Mund auszuspülen. Fasern des Fasanenfleischs klemmten noch zwischen seinen Zähnen. Dann flanierte er alleine im Park des Palastes unter gleißender Sonne und steuerte das Badehaus an. Außer ihm hatte offensichtlich keiner der anderen die Idee. Er sah das kleine Glöckchen auf einer halben Säule gleich neben der Tür, nachdem


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