Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer

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Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer


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Nachmittag, sollten die beiden sich jetzt nicht noch wegen irgendeiner Nichtigkeit in die Haare bekommen.

      Fröhlich verstaute sie die Einkäufe im Kühlschrank, fütterte den ungeduldigen schwarzen Kater, der empört maunzend behauptete, während der Abwesenheit der Familie dem Hungertod nahe gewesen zu sein und stellte zwei Gläser Orangensaft für die Mädchen auf den Tisch.

      Wartete.

      Zuerst auf Luise und Paula.

      Etwa anderthalb Stunden später, zunehmend besorgt, auf Patrick.

      Noch später begann sie zu telefonieren.

      Mit Martin.

      Mit gemeinsamen Freunden.

      Sogar mit Eric, was richtig Überwindung kostete.

      Viel später mit der Polizei.

      3

      Der erste Stoß traf ihn völlig unerwartet.

      Er strauchelte, fing sich wieder. War irritiert, warf einen vorwurfsvollen Blick auf den Weg, als habe eine Wurzel unfair nach ihm gepackt.

      Ein zweiter Stoß folgte, hart, unerbittlich. Der Schmerz flutete langsam an. Breitete sich über die gesamte linke Seite aus. Die Rückenmuskulatur verkrampfte sich.

      Er spürte, wie eine Flüssigkeit warm über seine Beine lief.

      Tasten nah der Quelle war eher ein Automatismus.

      Er betrachtete überrascht die Finger, die über die Stelle gestrichen waren.

      Rötlichbräunliches Zeug. Klebrig.

      Blut!

      Mein Blut!, erschloss sich seinem Denken langsam.

      Wie ein Sturm brausten Überlegungen, Theorien, Erklärungsversuche hinter seiner Stirn wild durcheinander.

      Er verwarf sie alle.

      Kam nun vollkommen aus dem Rhythmus.

      Stürzte.

      Der zweite, noch heftigere Schmerz erschien ihm wie eine logische Folge des ersten, wenngleich sich das dahinterstehende Denkschema dem Zugriff verweigerte.

      Er war nicht einmal mehr überrascht.

      Als er den Angreifer unscharf wie einen Schemen sah, der sich über seinen am Boden liegenden Körper beugte, war er sich sicher.

      Vorbei und aus.

      Schade, dachte er in der letzten Sekunde, bevor sich der kalte Stahl seinen Weg zwischen den Rippen hindurch in Richtung Herz bahnte, sehr schade.

      4

      »Du liebe Güte!« Maja Klapproth war wenig begeistert. »Der Mann hat sich vielleicht nur verlaufen. Da ist es möglicherweise etwas hoch angesetzt, wenn die Kriminalpolizei anrückt. Unser Schwerpunkt ist Mord!«, erinnerte sie den Kollegen scharf.

      »Das ist alles wahr. Es erscheint aber auch möglich, dass ihm etwas zugestoßen ist. Politiker geraten schon mal in brenzlige Situationen. Vor Kurzem erst Farbbeutel gegen das Parteibüro – und nun ein verschwundenes, sehr aktives Parteimitglied. Er hat sich in letzter Zeit häufig exponiert. Alles ist denkbar.« Nachtigall war bereits aufgestanden, hatte die Jacke in der Hand und wartete ungeduldig. »Komm.«

      Widerwillig schob die Kollegin ihren Stuhl zurück.

      Folgte Nachtigall in den Gang hinaus.

      »Ich habe schon organisiert, dass uns ein Suchtrupp bei der Familie erwartet. Möglicherweise ist der junge Mann gestürzt, liegt hilflos im Wald, hatte kein Handy dabei oder es ist kaputtgegangen. Ausschließen können wir nichts.« Er atmete tief durch. »Selbst die schlimmste Variante nicht«, ergänzte er düster.

      »Jaja. Und am Ende ist er schlicht der häuslichen Enge entflohen. Soweit ich mich erinnere, ist er verheiratet und hat zwei Töchter. Möglich, dass er eine Flucht in den ewigen Sommer mit einem sexy Girl vorgezogen hat.« Klapproth zwinkerte dem Kollegen zu. »Sei ehrlich! Das ist eine viel schönere Vorstellung, als zu glauben, er läge irgendwo hilflos im Wald – oder sei tot.«

      »Ja, stimmt. Mir fallen spontan viele bessere Varianten ein, als tot zu sein.« Nachtigall schlüpfte in seine Jacke. »Los!«

      Klapproth schalt sich in Gedanken eine dumme Kuh. Wieder ein Fettnäpfchen erwischt. Schließlich war es nicht so lange her, dass der Kollege selbst um ein Haar gestorben wäre.

      »Tut mir leid«, murmelte sie, wusste, dass er die Entschuldigung gar nicht gehört haben konnte, und beeilte sich, Nachtigall einzuholen.

      Doreen Stein wirkte erstaunlich unaufgeregt.

      Maja Klapproth war mehr als überrascht, hatte sie doch eine in Tränen aufgelöste, hysterische Ehefrau erwartet.

      Sie versammelten sich um den Tisch, an dem die Kinder noch vor wenigen Stunden ihre Hausaufgaben erledigt hatten.

      »Er hat verschiedene Laufstrecken. Und natürlich weiß ich nicht, für welche er sich heute entschieden hat. Das legt er spontan fest. Und er nimmt immer sein Handy mit. Aus Sicherheitsgründen. Aber auch, weil er gern jederzeit erreichbar sein will. Politikerkrankheit. Allerdings hat er sich bei niemandem aus seinem Freundeskreis gemeldet und meine Anrufe nimmt er nicht an.«

      »Kommt das öfter vor? Also, dass er speziell Ihre Kontaktversuche unbeantwortet lässt?«, bohrte Klapproth.

      »Sie meinen, dass er nicht rangeht? Aber sicher. Ich bin ja nicht über jeden Gesprächstermin informiert. Wenn ein Anruf stört, wird man direkt auf die Mailbox weitergeleitet.«

      »Das ist doch sicher ziemlich kränkend.«

      »Nein, ist es nicht. Es gehört zur Normalität unseres Alltags. Ich bin nicht über jeden seiner Schritte informiert und er nicht über all meine Termine.«

      »Ihr Mann ist Lokalpolitiker. Aber er hat sicher einen Brotjob?«, fragte der Cottbuser Hauptkommissar freundlich.

      »Ja. Er arbeitet bei einem privaten Bankinstitut, Bühler & Partner, ist Finanzberater für viele kleine Firmen in der Umgebung.«

      »Und er ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Hat sich im letzten Wahlkampf sehr engagiert gezeigt. Vor wenigen Tagen wurden von Unbekannten Farbbeutel gegen das Parteibüro geworfen – soweit ich informiert bin, ist der Staatsschutz in die Ermittlungen einbezogen.«

      Doreens Miene wurde unergründlich.

      »Ja. Unschöner Vorfall. Aber vielleicht ein wenig zu hoch gehängt. Es handelte sich um Farbbeutel!«

      »Frau Stein, hat Ihr Mann in der letzten Zeit Drohmails oder Briefe mit Drohungen gegen seine Person erhalten?«, fasste Nachtigall seine Frage weiter.

      »Ach, na ja«, druckste die Gattin, »schon. Aber so was hat er immer gleich gelöscht. Und wer bekommt denn keine solchen Mails? Früher hatte man wenigstens noch den Anstand, mit dem eigenen Namen zu unterzeichnen. Heute schreibt dir Dudeldidu oder Spidermousy!«

      »Er hat sie gelöscht? Hm. Worum ging es denn in den Mails?«

      »Umweltthemen. Die Absender nahmen kein Blatt vor den Mund. Manche haben sich über die Forderungen nach einer Kohlendioxidbepreisung aufgeregt und wollten ihm die Seele aus dem Leib prügeln, falls sie sich ihr Auto nicht mehr leisten könnten, andere regten sich über das geplante Tempolimit auf, wieder andere waren der Meinung, die Politik solle endlich dafür sorgen, dass die Kinder wieder in die Schule gehen, statt auf der Straße bei Fridays for Future rumzuhängen. Es könne nicht angehen, dass man ständig über Mängel im Bildungssektor debattiere und dann akzeptiere, dass die Angebote nicht genutzt werden, weil die Gören auf der Straße rumstehen. Man wollte ein Exempel an einem Politiker der ›dreckigen Umweltbande‹ statuieren – mit einem Messer ›ökologisch aus dem Verkehr ziehen!‹« Sie schüttelte vehement den Kopf und entschied: »So was nimmt doch keiner ernst!«

      »Ihr Mann hat diese Drohungen für einen Scherz


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