Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare
Читать онлайн книгу.Mann, es ist unmöglich.
Desdemona.
Wenn ein solcher Mann ist, so vergeb ihm der Himmel!
Aemilia.
Ein Strik vergeb ihm! Und der Teufel nag' ihm seine verdammten Knochen ab! Warum soll er sie eine Hure heissen? Wer soll denn ihr Buhler seyn? Wo? wann? wie? Wo ist auch nur eine Wahrscheinlichkeit davon? Der Mohr ist durch irgend einen galgenbübischen Schurken, irgend einen elenden nichtswürdigen Erzlotterbuben belogen worden. OHimmel, daß du doch solche Gesellen an's Taglicht ziehen, und in jede ehrliche Hand eine Geisel steken möchtest, um den Raker nakend durch die ganze Welt zu peitschen, von einem Ende der Welt bis zum andern!
Jago.
Schreyt nur nicht so laut.
Aemilia.
O fy, die garstigen Kerls! Gerad ein solcher Schuft wars, der euch einst den Kopf auf die unrechte Seite stellte, und euch weis machte, daß ich mit dem Mohren in heimlichem Verständniß sey.
Jago.
Du bist nicht klug; geh, geh.
Desdemona.
Ach, Jago, sage mir, was soll ich thun um meinen Gemahl wieder zu gewinnen? Mein guter Freund, geh, rede du mit ihm; bey diesem Licht des Himmels, ich weiß nicht, wie ich sein Herz verlohren habe. Hier knie ich; (sie kniet.) Wenn jemals mein Wille in Worten, Gedanken oder in würklicher That sich gegen seine Pflicht aufgelehnt hat; oder wenn jemals meine Augen, meine Ohren oder irgend einer meiner Sinne sich an einem andern Gegenstand ergözt haben; oder wenn ich ihn nicht immer liebe, geliebt habe, und sollt' er mich auch als eine Bettlerin von sich verstossen, aufs zärtlichste lieben werde, so komme kein Trost in meine Seele! Unzärtlichkeit kan viel thun, sie kan mich ums Leben bringen, aber meine Liebe kan sie nicht vermindern. Ich kan nicht sagen, Hure; es graut mir, da ich izt das Wort ausgesprochen habe; aber das zu thun, was er bezeichnet, könnte mich die Welt mit ihrer ganzen Masse von Eitelkeit nicht bewegen.
Jago.
Ich bitte euch, gebt euch zufrieden; es ist nur eine Laune von ihm; die Staats-Angelegenheiten gehen ihm im Kopf herum, er ist mißvergnügt darüber, und da muß nun sein Unmuth über euch ausbrechen.
Desdemona.
Wenn es nur dieses wäre
Jago.
Es ist nichts anders, ich stehe dafür. (Trompeten.) Horcht, diese Trompeten ruffen zum Nacht-Essen. Der Abgeordnete von Venedig bleibt bey der Tafel; geht hinein und weint nicht; es wird alles wieder gut werden.
(Desdemona und Aemilia gehen ab.)
Englisch
ZWÖLFTE SCENE
Rodrigo (zu Jago.)
Jago.
Ha, wo kommt ihr her, Rodrigo?
Rodrigo.
Ich finde nicht, daß du ehrlich mit mir zu Werke gehst.
Jago.
Wie findt ihr das?
Rodrigo.
Jeden Tag machst du mir irgend einen Dunst vor die Augen, Jago; und ich fange endlich an zu sehen, daß du, anstatt mich nur um einen Schritt meinen Hoffnungen näher gebracht zu haben, mich weiter zurükgesezt hast, als ich jemals war. Ich will es nicht länger dulden; und bin auch gar nicht der Meynung so ruhig einzusteken, was ich närrischer Weise bereits gelitten habe.
Jago.
Wollt ihr mich anhören, Rodrigo?
Rodrigo.
Meiner Treue, ich habe nur zuviel angehört; eure Worte und eure Thaten haben gar keine Gemeinschaft mit einander.
Jago.
Ihr beschuldiget mich mit gröstem Unrecht.
Rodrigo.
Ich sage die lautre Wahrheit: Ihr habt mich um mein ganzes Vermögen gebracht. Die Juwelen, die ihr von mir bekommen habt, um sie Desdemonen zu überliefern, hätten eine Vestalin verführen sollen. Ihr sagtet mir, sie habe sie empfangen, und brachtet mir die tröstlichsten Versicherungen von ihrer guten Würkung; aber ich finde keine.
Jago.
Gut, nur weiter; sehr gut.
Rodrigo.
Sehr gut, nur weiter; ich kan nicht weiter, Herr, und es ist nicht sehr gut; nein, ich denke, es ist boshaft, und ich fange an zu merken, daß man mich nur am Narren-Seil herumführt.
Jago.
Sehr gut.
Rodrigo.
Ich sag euch, es ist nicht sehr gut. Ich will mich Desdemonen selbst entdeken; wenn sie mir meine Juwelen wieder geben will, so will ich klug seyn und ihr mit meiner Bewerbung nicht mehr beschwerlich fallen: Wo nicht, so versichr' ich euch, ich will meine Schadloshaltung an euch suchen.
Jago.
Ihr habt nun geredt
Rodrigo.
Ja, und nichts, als was ich, meiner Seel! zu thun im Sinn habe.
Jago.
Wie, nun seh ich doch daß du Feuer im Leibe hast; und von diesem Augenblik an hab' ich eine grössere Meynung von dir als jemals. Gieb mir deine Hand, Rodrigo; du hast alle Ursache gehabt, mir Vorwürfe zu machen, aber ich schwöre dir, daß ich in der ganzen Sache redlich an dir gewesen bin.
Rodrigo.
Es hat sich nicht gezeigt.
Jago.
Ich muß es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne, Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht. Wenn du in der nächstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen wirst, so halte mich für einen Verräther, und schaffe mich aus der Welt wie du willst.
Rodrigo.
Gut, was ist es? Ist es etwas, das sich vernünftiger Weise unternehmen läßt?
Jago.
Wisset, mein Herr, daß eine Special-Commißion von Venedig eingetroffen ist, um den Cassio an Othello's Stelle einzusezen.
Rodrigo.
Ist das wahr? Nun, so kehren Othello und Desdemona wieder nach Venedig zurück.
Jago.
O nein; er geht nach Mauritanien, und nimmt seine schöne Desdemona mit sich; das geschieht unfehlbar, es müßte denn etwas begegnen, wodurch sein hiesiger Aufenthalt verlängert würde: Und das könnte durch nichts gewisser erhalten werden, als wenn Cassio auf die Seite geschaft würde.
Rodrigo.
Was nennt ihr, den Cassio auf die Seite schaffen?
Jago.
Das versteht sich von selbst; ihn unfähig machen, in Othello's Stelle einzutreten, mit einem Wort, ihm den Hals zu brechen.
Rodrigo.
Und ihr wollt, daß ich das thun soll?
Jago.
Ja, wenn ihr das Herz habt euch selbst Gutes zu thun. Er ißt heute bey einer Courtisane zu Nacht; und ich will ihm dort Gesellschaft leisten. Er weiß noch nichts von seiner Beförderung; wenn ihr dann nur aufpassen wollt, bis er dort weggeht, (und ich will schon dafür sorgen, daß es zwischen zwölf und ein Uhr geschehen soll:) So könnt ihr ihn mit der grösten Bequemlichkeit überraschen. Ich will in der Nähe seyn, euern Angriff zu unterstüzen, und wir wollen ihn zwischen zwey Feuer kriegen. Kommt, steht nicht so bestürzt da; kommt