Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

Читать онлайн книгу.

Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


Скачать книгу
um Gotteswillen, lassen Sie mich doch gehen", schrie Oliver, "lassen Sie mich doch Iaufen. Ich will nie wieder nach London kommen, niemals! Ach, seien Sie doch barmherzig und zwingen Sie mich nicht zum Stehlen! Haben Sie doch Erbarmen!"

      Sikes.stieß einen fürchterlichen Fluch aus und spannte den Hahn der Pistole. Toby schlug sie ihm aber aus der Hand und hielt Oliver den Mund zu. Dann zog er ihn fort nach dem Hause hin. Er sagte:

      "Pst! Zum Bitten ist jetzt keine Zeit. Wenn du noch einmal die Schnauze aufreißt, kriegst du eins auf den Schädel. Das ist ebenso gut und macht keinen Lärm. – Komm, Bill, brich den Fensterladen auf. Ich wette, daß der Junge jetzt gehorcht. Hab' schon ältere und erfahrenere Burschen gesehen, die in solcher Lage mit einemmal die Hosen voll hatten."

      Sikes rief schreckliche Verwünschungen auf Fagins Haupt herab, daß er ihm zu einem solchen Unternehmen einen Jungen wie Oliver geschickt hatte. Er setzte geräuschlos das Brecheisen an, und mit Tobys Beistand war in kurzer Zeit der Fensterladen erbrochen.

      Es war ein kleines Gitterfenster an der Hinterseite des Hauses, etwa fünf Fuß über der Erde. Die Öffnung war zwar klein, aber doch groß genug, um einen Jungen von Olivers Größe durchzulassen. Dank Sikes' Geschicklichkeit war das Gitter schnell ausgebrochen und kein Hindernis mehr vorhanden.

      "Nun paß auf, kleiner Strolch", flüsterte Sikes, indem er eine Blendlaterne aus der Tasche zog, "ich steck' dich jetzt durchs Fenster. Dann gehst du mit der Laterne die Treppe herauf und über den Flur zur Haustür. Die machst du auf und läßt uns herein!"

      "Oben an der Tür ist ein Riegel vor, an den du wahrscheinlich nicht herankannst", fiel Toby ein. "Du mußt daher auf einen Stuhl klettern, es sind ihrer drei im Flur."

      Er stellte sich nun unter das Fenster, den Kopf gegen die Wand gestemmt. Die Hände hatte er auf die Knie gestützt, so daß man über seinen Rücken wegklettern konnte.

      Dies tat Sikes sofort und steckte Oliver, mit den Füßen voran, sachte durchs Fenster.

      "Nimm die Laterne", flüsterte Bill. "Siehst du die Treppe da vor dir?"

      Oliver, mehr tot als lebendig, hauchte "Ja!" Sikes deutete mit dem Pistolenlaufe nach der Haustür und sagte, daß er ihn für den Fall des geringsten Zögerns sofort erschießen würde. Seine Kugel träfe sicher.

      "In einer Minute kannst du es gemacht haben", flüsterte Sikes, "Horch!"

      "Was ist los?" fragte Toby.

      Sie lauschten gespannt.

      "Nichts!" sagte Sikes. "Nun vorwärts, Oliver!"

      Der Junge hatte sich inzwischen gesammelt und war fest entschlossen, die Treppe hinaufzurennen und Lärm zu schlagen, selbst wenn es ihm das Leben gekostet hätte. Von diesem Gedanken erfüllt, schlich er leise vorwärts.

      "Komm zurück!" schrie Sikes plötzlich laut. "Zurück, zurück!"

      Erschreckt durch diese plötzliche Unterbrechung der Totenstille und einen darauffolgenden lauten Schrei, ließ Oliver die Laterne fallen und wußte nicht, ob er weitergehen oder fliehen solle.

      Das Geschrei wiederholte sich – ein Licht erschien – die Gestalten von zwei bestürzten, halb angekleideten Männern oben auf der Treppe schwammen vor seinen Augen – ein Blitz -ein Knall – Rauch – ein Krachen, er wußte nicht wo –, dann taumelte er zurück.

      Sikes war auf einen Augenblick verschwunden, aber nur für einen Augenblick, denn noch ehe der Rauch verzogen war, hatte er Oliver am Kragen. Er feuerte seine Pistole auf die sich zurückziehenden Männer ab und zog ihn durchs Fenster.

      "Halte dich fester an mich", sagte Sikes. "Toby, ein Halstuch – schnell. Sie haben ihn getroffen. Donnerwetter, wie der Junge blutet!"

      Oliver hörte noch verschwommen lautes Geklingel, vermischt mit dem Knall von Gewehrschüssen und dem Geschrei von Menschen. Dann fühlte er sich rasch fortgetragen. Nach und nach erstarb der Lärm in der Ferne, eine tödliche Kälte durchschauerte ihn – er war bewußtlos geworden.

      Vierundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       Handelt von einem äußerst armen Geschöpf

      Das arme Weib, das Frau Corney in ihrer Bequemlichkeit gestört hatte, war keine unpassende Todesbotin. Ihr Körper war unter der Last der Jahre gekrümmt, alle ihre Glieder zitterten, und ihr durch einen Schlaganfall schiefgezogenes Gesicht glich mehr der grotesken Schöpfung eines phantastischen Malers, als einem Werke aus den Händen der Natur.

      Ach, wie selten trifft man bei alten Leuten Gesichter, die uns durch ihre Schönheit erfeuen. Die Sorgen und die Leiden der Welt ändern sowohl das Antlitz als auch die Herzen.

      Die alte Frau humpelte durch die Gänge und über die Treppen, bis sie erschöpft stehenblieb und Frau Corney das Licht in die Hand gab mit dem Bemerken, sie käme nach, sobald sie könne. Die Matrone ging nun rasch dem Zimmer zu, wo die Sterbende lag.

      Es war eine kalte Bodenkammer, in der ein düsteres Licht brannte. Neben dem Krankenbette saß eine alte Frau, während der Lehrling des Armenhausapothekers am Kamin stand und sich aus einer Federpose einen Zahnstocher schnitt.

      "Es ist heute abend kalt, Frau Corney", sagte der Jüngling, als die Matrone eintrat.

      "Sehr kalt, in der Tat", versetzte die Dame sehr höflich und neigte den Kopf.

      "Sie sollten von Ihrem Lieferanten bessere Kohlen fordern", sagte der Apothekerlehrling, "diese taugen nichts."

      "Das ist Sache des Vorstandes. Das wenigste, was er tun könnte, wäre freilich, für ein warmes Zimmer zu sorgen, denn unser Amt ist schwer genug."

      Hier unterbrach ein Stöhnen der kranken Frau das Gespräch.

      "Ach", sagte der junge Mann und schaute nach dem Bette hin, "mit der ist es bald vorbei."

      "Ist's schon so weit?"

      "Würde mich wundern, wenn sie's noch ein paar Stunden machte. – Hallo, schläft sie, Alte?"

      Die Wärterin beugte sich über das Bett und sah nach, dann nickte sie. Plötzlich richtete sich jedoch die Kranke. auf und streckte die Arme nach der Wärterin aus.

      "Wer ist das?" fragte sie diese mit hohler Stimme.

      Der Apothekerlehrling schlich auf den Zehenspitzen aus dem Zimmer.

      "Leg dich wieder hin" sagte die Wärterin.

      "Nein, nein, ich will es ihr sagen. Kommen Sie hier her. Näher. Ich werde es Ihnen ins Ohr flüstern."

      Frau Corney setzte sich auf einen Stuhl an Ihrem Bette.

      "Schicken Sie die Wärterin fort, geschwinde!" sagte die Kranke, und jene verließ das Zimmer.

      "Nun hören Sie mich an", sagte die Sterbende so laut, als es ihre schwindenden Kräfte gestatteten. "In diesem Zimmer – ja, sogar in diesem Bette lag einst ein hübsches, junges Geschöpf. Es wurde mit wunden Füßen, staub- und schmutzbedeckt ins Haus gebracht. Sie gab in meiner Anwesenheit einem Knaben das Leben und starb. Ich will mal nachdenken – in welchem Jahr war es doch?"

      "Das tut nichts zur Sache", versetzte die Matrone uno geduldig. "Sagen Sie lieber, was es mit der Verstorbenen für eine Bewandtnis hat."

      "Was es mit ihr für eine Bewandtnis hat? Ich habe sie bestohlen", schrie die Sterbende gellend, und ihr Gesicht glühte – "ich habe sie bestohlen, sie war noch nicht kalt, als ich sie bestahl."

      "Um Gottes willen – was haben Sie ihr gestohlen?"

      "Es! Das einzige, was sie hatte. Sie brauchte Kleider, um nicht zu frieren, Nahrung, um nicht zu hungern, aber sie hatte es an ihrem Herzen aufbewahrt. Es war von Gold, echtem Gold,. und sie hätte sich dadurch das Leben retten können."

      "Gold?" wiederholte Frau


Скачать книгу