Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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sind als Du!«

      Er fuhr zurück und sagte:

      »Soll es etwa sein kein Jaspis oder Achat? Wird es sein etwa Karneolenstein oder Bergkrystall?«

      »Mache Dich nicht lächerlich! Ich will wissen, welchen Werth der Stein hat. Ich habe keine Zeit, mich von Dir foppen zu lassen!«

      »Gott Abrahams, ist der Herr rasch und von großer Hitze! Wissen Sie denn, was es ist für ein Steinchen?«

      »Ein Diamant!«

      Da streckte der Jude beide Hände in die Luft und rief:

      »Soll mich leben lassen Jehova, bis ich sterbe! Demant soll es sein? Ein Demantstein? Wie ist das möglich? Will der Herr aus mir machen einen Narren für sein Vergnügen?«

      »Unsinn! Willst Du ehrlich sein oder nicht? Du denkst, ich kenne Dich nicht! Hier, lies!«

      Sie zog ein Papier aus der Tasche und reichte es ihm hin. Er warf einen Blick darauf, und dieser einzige genügte.

      »Die geheime Schrift! Gott Jakob's! So ist der Herr am Ende gar ein – ein – ein –«

      »Nun, wer?«

      »Ein Bekannter des Hauptmannes?«

      »Ja, das bin ich! Also, nun weißt Du, mit wem Du es zu thun hast, und sei jetzt ehrlich! Was für ein Stein ist es?«

      »Ein Demant, ja ein Demantstein!«

      »Wie viel werth?«

      »Dieser Stein wird kosten zu schleifen ein großes Geld!«

      »Sapperment! Ich habe Dich nicht gefragt, was er zu schleifen kostet, sondern welchen Werth er jetzt hat!«

      »So will ich sagen, daß der Stein ist werth für den Kenner die Summe von sechstausend Gulden.«

      »Zeige einmal!«

      Sie that, als ob sie den Stein nur betrachten wolle. Er gab ihn ihr zurück, während seine matten Augen vor Habgier leuchteten. Sie aber steckte den Diamant ein und sagte:

      »Du bist nicht werth, daß man Dir den geringsten Vortheil zuwendet, alter Schacherer! Gute Nacht!«

      Sie drehte sich um, sich zu entfernen; aber da hatte er auch bereits ihren Arm erfaßt und rief:

      »Halt! Warum wollen Sie fort? Warum wollen Sie sagen gute Nacht, da doch ein gutes Geschäft viel besser ist, als eine gute Nacht! Bleiben Sie bei mir noch eine kleine Weile!«

      »Wozu? Du bist unverschämt!«

      »Ich werde sagen ganz aufrichtig den Werth des Steines. Zeigen Sie ihn mir her noch einmal!«

      »Nein. Er bleibt in meiner Tasche. Du hast ihn gesehen und auch geprüft. Willst Du ihn kaufen?«

      »Wenn der Herr will annehmen Verstand, so werde ich vielleicht kaufen den Demantstein.«

      »Gut! Wieviel bietest Du?«

      »Von wem ist er?«

      »Mensch, was fällt Dir ein? Sage, was Du bietest. Ich gebe Dir fünf Minuten Zeit. Sind wir bis dahin nicht einig, so wird überhaupt nichts aus dem Handel!«

      »Fünf Minuten! Wie können fünf Minuten ausreichen, um zu kaufen einen Demantstein! Dazu muß man doch haben Tage, Wochen und Jahre!«

      »Gute Nacht!«

      Sie wendete sich wieder nach der Thür; er aber ergriff sie abermals beim Arme.

      »Halt!« rief er. »Sprechen Sie zu mir ein Wörtchen im Vertrauen. Wieviel wollen Sie haben für den Stein?«

      »Hundertfünfzigtausend Gulden.«

      Der Jude that einen Sprung in die Luft, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und schrie, als wenn er am Spieße stäke:

      »Hundert –«

      »Fünfzig –« nickte sie.

      »Tausend –«

      »Gulden! Ja, nicht anders!«

      »Gott Israels, ich sterbe vor Schreck!«

      »Es ist nicht schade um Dich!«

      »Ich bebe und zittere am ganzen Leib!«

      »Wegen Deines bösen Gewissens!«

      »Mich wird treffen der Schlag!«

      »Ich wollte, es träfe Dich ein Schlag um den anderen!«

      »Ich will mich beruhigen und besänftigen. Sie haben gemacht einen Scherz! Sie werden streichen ein Nüllchen von dieser großartig unendlichen Ziffer!«

      »Wenn Du Dich nicht bald erklärst, hänge ich noch eine Null hinan, anstatt daß ich eine streiche!«

      »Das ist zu viel, das ist viel zu viel! Das kann ich nicht geben! Das kann kein Mensch bezahlen!«

      »Nun, ist er etwa nicht so viel werth?«

      »Er ist werth noch ein klein Wenig mehr. Ich sage das, weil ich will sein aufrichtig. Der Schliff aber wird kosten viel Geld. Ein Juwelier wird bieten hunderttausend Gulden.«

      »Blos?«

      »Das wird er bieten!«

      »Und geben?«

      »Geben wird er zwanzigtausend mehr.«

      »Gut! Also hundertzwanzigtausend Gulden. Du zahlst mir jetzt die Hälfte und in einer Woche die zweite Hälfte.«

      Der Jude machte ein Gesicht, als ob er vor einem Abgrunde zurückschaudere, der sich plötzlich vor ihm geöffnet habe.

      »Zahlen? Ich?« fragte er.

      »Ja! Natürlich!«

      »Für den Stein?«

      »Wofür sonst?«

      »Und hundertzwanzigtausend Gulden?«

      »Gewiß!«

      »Habe ich denn geboten dieses Geld, he?«

      »Du hast doch gesagt, daß ich so viel erhalten würde!«

      »Ja, aber vom Juwelier!«

      »Von Dir nicht?«

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Weil der Juwelier kauft am Tage und nur von Leuten, die er kennt; ich aber muß kaufen des Abends und des Nachts, und weiß nicht, wer es ist, der mir bringt Diamanten und alte Handschuhe.«

      »Nun, der Unterschied ist nicht bedeutend.«

      »Aber wenn nun kommt die Polizei und nimmt mir den Stein, weil sie sagt, er sei gestohlen?«

      »Lege ihn nicht her.«

      »Was soll ich sonst machen damit?«

      »Ihn schleifen lassen. Dann kannst Du ihn offen verkaufen.«

      »Muß ich nicht haben beim Schleifer eine Legitimation, um nachweisen zu können, von wem ich habe den Diamant?«

      »Das geht mich nichts an!«

      »Aber mich geht es an, wenn man sagt, daß Salomon Levi habe gekauft gestohlene Sachen.«

      »Jude, werde nicht anzüglich! Mach es kurz und nenne mir das höchste Geld, welches Du thun kannst!«

      »So werde ich geben heute dreißigtausend Gulden, aber mehr keinen Kreuzer und keinen Pfennig!«

      »Nicht mehr?«

      »Nein.«

      »Ist das Dein Ernst?«

      »Ich gebe darauf einen Schwur, daß –«

      »Gute Nacht, dummer Mensch!«

      Jetzt machte sie Ernst. Sie war schnell wie der Wind zur Thür hinaus. Zwar sprang ihr der Handelsmann nach, um sein Gebot zu erhöhen,


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