Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
Читать онлайн книгу.Fuße im Allgemeinen nichts sagen will, so bist Du es in der gegenwärtigen Angelegenheit, welche den Fehler gemacht hat. Ich hoffe, daß Du den Muth hast, ihn offen einzugestehen. Du hast die Diamanten gestohlen?«
»Gestohlen!« brauste sie auf.
»Nun, so sagen wir, an Dich genommen.«
»Ja.«
»Wann?«
»Gestern Abend.«
»Der Fürst hatte sich auf einen Augenblick entfernt?«
»Ja.«
»Und man hat Dich dabei beobachtet?«
»Ich bin überzeugt, daß kein Mensch mich gesehen hat.«
»Aber man weiß es doch!«
»Das muß auf Combination beruhen!«
»Was wolltest Du mit den Diamanten thun?«
»Sie vor allen Dingen in Sicherheit bringen. Man konnte ja nicht wissen, ob der Einbruch auch wirklich gelingen werde.«
»Das mache mir nicht weiß! Du hast sie für Dich allein behalten wollen.«
»Beweise das!«
»Du hast mir nach Deiner Rückkehr Deinen Besuch beim Fürsten ausführlich beschrieben. Wären Deine Absichten gegen mich ehrliche gewesen, so hättest Du mir gesagt, daß Du im Besitze der Diamanten warst. Und dann wären sie noch jetzt in unserem Besitze.«
»Oho! Man hätte sie ebenso geholt!«
»Man hätte sie nicht mehr gefunden! Ich durchschaue Dich. Aber ich will mich nicht noch weiter aufregen. Ich muß meinen Kopf offen halten. Es giebt hier sehr Verschiedenes zu bedenken, und ich hoffe, daß Du hilfst, das Dunkel aufzuklären. Ich sehe ein, daß meine Vorwürfe gegen Dich jetzt nutzlos sind; darum will ich sie unterlassen. Also, der Fürst des Elendes hat von dem Einbruche gewußt. Wie geht das zu?«
»Du hast unter Deinen Leuten einen Verräther.«
»Das ist die einzige Erklärung. Aber er hat auch gewußt, daß ich den Diener engagirt habe.«
»So hat dieser es ihm verrathen!«
»Das möchte ich bezweifeln. Der Diener befand sich in wirklicher Todesgefahr und hat seine Probe glanzvoll bestanden.«
»So ist's ein Anderer, der es ihm verrathen hat.«
»Es sind nur zwei Mitwisser dieser Angelegenheit, nämlich mein Stellvertreter, welcher an dem Gitterthor das Zeichen gab, und der alte Apotheker, bei dem ich den Diener kennen lernte.«
»So ist Einer von den Beiden der Verräther.«
»Sie sind Beide treu. Uebrigens habe ich die Hauptsache mit dem Diener unter vier Augen besprochen.«
»So ist also doch er es, gegen den sich der Verdacht zu richten hat.«
»Ich glaube vielmehr, daß wir belauscht worden sind.«
»Wo?«
»In der Weinstube, in welcher wir uns besprachen.«
»Groß genug, diese Unvorsichtigkeit!«
»Tausendmal kleiner als die Deinige! Der Lauscher ist der Fürst des Elendes gewesen. Er hat dann während des ganzen Abends Befours Palais bewachen lassen!«
»Aber Befour ist doch schon längst gewarnt!«
»Wieso?«
»Er hat Imitationen anfertigen lassen, welche nun anstatt der wirklichen Kostbarkeiten in Eure Hände gefallen sind.«
»Verdammt! Ich muß mich erst davon überzeugen. Aber unbegreiflich, geradezu unbegreiflich wäre es, zu errathen, daß ich dort einbrechen will! Doch weiter jetzt! Wann hast Du die Steine in die Console gesteckt?«
»Als ich Dich verlassen hatte.«
»Wer war dabei?«
»Kein Mensch.«
»Auch die Zofe nicht?«
»Nein. Ich hatte sie vorher schlafen geschickt.«
»So werde daraus der Satan klug. Dieser Fürst des Elendes muß wirklich geradezu allwissend sein! Und dann gingst Du mit einem der Steine zu dem Juden?«
»Ja.«
»Er kaufte ihn nicht?«
»Nein.«
Die Baronin erzählte ihre Verhandlung mit Salomon Levi ausführlich.
»Welch eine fürchterliche Unvorsichtigkeit!« sagte Helfenstein. »Der Fürst hat Dich beobachtet und ist dann bei dem Juden gewesen, um sich zu erkundigen, was Du gewollt hast, und dieser ist so dumm gewesen, es ihm zu sagen. Ich werde ihn dafür zu bestrafen wissen! Was geschah dann?«
»Nichts. Ich legte den Stein zu den übrigen und begab mich dann zur Ruhe. Ich schlief ein, obgleich ich sehr neugierig war, wie Euer Streich ausgefallen sei. Geweckt wurde ich erst durch Dich.«
»Das ist wenig oder gar nichts, was ich nun weiß! Aber ich ruhe nicht eher, als bis ich Licht in diese Sache gebracht habe. Ich werde gleich nachher die ersten Schritte thun. Du hast uns da in eine schauderhafte Lage gebracht. Der Fürst des Elendes ist mein Todfeind. Er wird auf seiner Bedingung bestehen.«
Die Baronin erblaßte.
»Wegen des – des – – Irrenhauses?« fragte sie.
»Ja, das meine ich.«
»Das heißt, Du willst mich wirklich dort interniren lassen?«
Er zuckte die Achsel.
»Was will ich weiter thun!«
Da machte sie eine raubthierähnliche Bewegung. Ihre Augen glühten gleich denen einer Pantherkatze.
»Sage das noch einmal!« zischte sie.
Er zuckte abermals die Achsel und sagte:
»Ich wiederhole, daß es kaum möglich sein wird, mich zu sträuben.«
»Das wäre Dein Verderben!«
»Wieso?«
»Ich würde Alles verrathen, Alles!«
»Man würde Dir nicht glauben, Dir, einer Irren!«
»Diese Irre würde ihre Behauptungen in einer Weise beweisen, daß man sie für sehr geistesgesund halten müßte.«
»So würdest Du Dich mit verderben!«
»Mir dann ganz gleich. Ich habe nicht getödtet. Ich bin Deine Frau; ich bin nicht durch das Gesetz gezwungen, Dich anzuzeigen. Man würde mich nicht bestrafen.«
»Ich würde zur Evidenz erweisen, daß Du die intellectuelle Urheberin meiner Thaten bist.«
»Feigling, dreifacher, tausendfacher Feigling, welcher aus Angst vor der Strafe die Schuld auf seine eigene Frau wirft!«
»Jeder ist sich selbst der Nächste!«
»Glaubst Du, dadurch Dich retten zu können?«
»Nein, aber wir kommen Beide unter das Fallbeil! Uebrigens ist es ja nicht für ewig, daß Du nach Rollenburg sollst!«
»Hm! Wie lange denn?«
»Nur für kurze Zeit, bis die Sache verraucht ist.«
»Das darfst Du mir nicht sagen! Du wärst froh, mich los zu sein. Ich würde niemals wieder frei, und das machte mich in aller Wirklichkeit verrückt. Dann wäre die Hauptzeugin gegen Dich nicht mehr vorhanden! Welch ein Glück für Dich!«
Sie stieß ein höhnisches Lachen aus. Er drückte seinen Grimm hinab und sagte in ruhigem Tone:
»Für so kurzsichtig hatte ich Dich nicht gehalten!«
»Ich bin im Gegentheile nicht kurz- sondern sehr weit- und vorsichtig!«