Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband). Arndt Ellmer
Читать онлайн книгу.Nosh Yamido, der Naturhüter im Xenoforming-Reservat. Allerdings war Noshi schon zu alt, um sich dem aufkommenden Fernweh zu überlassen.
Neben der Sehnsucht war eine weitere Empfindung durch die Aktivierung des Chronofossils Terra geweckt worden, und ihr widersetzte sich keiner: das starke Gefühl der Zusammengehörigkeit.
»Wir sind zusammen eine große Familie – wir sind Galaktiker!« Der alte Noshi drückte es so aus, und er fügte stolz hinzu: »Das Fernweh, das wir fühlen, ist Sternweh!«
Das telepathische Wispern des Virenimperiums vermittelte diese Emotionen. Die spärlichen Überreste dieses einst so gewaltigen und geradezu ultimaten Machtinstruments der Kosmokraten, das sich in zigtausend Virenwolken aufgesplittert hatte und den Orbit über Terra vernebelte, regulierte das Fernweh und den aufkommenden »Zugvogelinstinkt«. Er handelte selbstlos und ganz im Sinn der neuen Situation.
Die Aktivierung des Chronofossils Terra wirkte sich auf die gesamte Milchstraße positiv aus.
2. Selbstanklage
»Perry!«, rief Homer G. Adams und verstellte Rhodan den Weg. »Ich brauche nur eine Minute deiner kostbaren Zeit!«
Perry Rhodan hatte soeben die Transmitterhalle im Hauptquartier der Kosmischen Hanse betreten wollen. »Ich bin in Eile, Homer«, versuchte er, den Finanzchef der Kosmischen Hanse abzuwimmeln. »Ich muss zur BASIS.«
»Ich weiß«, sagte Adams ungerührt. »Eine Minute, nicht länger.«
»Dann schieß los!« Rhodan seufzte ergeben.
»Ich möchte, dass du einer Sondersitzung der Kosmischen Hanse zustimmst«, sagte Adams ohne Umschweife. »Wir brauchen eine beschlussfähige Vollversammlung mit allen vierunddreißig Hanse-Sprechern. Ich muss mich selbst anklagen. Weil ich gegen die wichtigsten Paragraphen der Hanse verstoßen habe und ...«
»Die Sache mit dem Warner und seiner Medienpräsenz ist längst vergeben und vergessen«, fiel ihm Rhodan ins Wort. »Derzeit gibt es wichtigere und brisantere Dinge.«
»Du irrst dich, Perry!«, behauptete Adams mit einer Entschlossenheit, die Rhodan an ihm nicht kannte. Es schien gerade so, als würde er von einer Kraft aufgerichtet, die imstande war, sein körperliches Gebrechen zu neutralisieren. Adams spannte sich an, sein krummer Rücken reckte sich, und mit einem Mal stand er nahezu aufrecht da. »Es geht um den Fortbestand der Kosmischen Hanse und in der Folge um das Schicksal der gesamten Milchstraße!«, fuhr er bedeutungsvoll fort. »Und nicht zuletzt um die Erneuerung des universellen Weltbilds.«
Für einen Moment schien den Finanzchef die Kraft zu verlassen; er sank wieder in sich zusammen und breitete fast hilflos die Arme aus. »Diese Vollversammlung ist lebenswichtig, Perry!«
»Gut«, sagte Rhodan, ohne lange zu überlegen. »Setz die Versammlung aber so an, dass ich vorher meine Verpflichtungen erfüllen kann. Du weißt, was alles ansteht.«
Rhodan ging weiter, doch schon nach wenigen Schritten fiel ihm etwas ein, das er nicht unerwähnt lassen wollte. Er drehte sich zu Adams um und sagte: »Zumindest zwei Hanse-Sprecher stehen nicht zur Verfügung, Homer. Wie willst du eine Vollversammlung einberufen?«
»Es unerlässlich, für Atlan und Jen Salik Stellvertreter zu bestimmen«, antwortete Adams. »Ich kümmere mich bereits darum.«
»Tu das.«
Rhodan eilte weiter. Irgendwie traf es ihn hart, dass Adams mehr an einen Ersatz für zwei Hanse-Sprecher dachte als an das Schicksal ihrer beiden Freunde. Er selbst hatte es keineswegs schon überwunden, dass er in einer Vision des Geisteswesens ES, des Mentors der Menschheit, den Tod von Atlan und Salik miterleben musste. Mal klammerte Rhodan sich an die vage Hoffnung, dass es für die beiden eine wundersame Rettung geben würde, dann wiederum fand er sich damit ab, nun der letzte Ritter der Tiefe zu sein.
In den turbulenten Ereignissen der letzten Tage war ihm kaum Zeit geblieben, an Atlan und Salik zu denken. Nun, nachdem das Chronofossil Terra aktiviert worden war, kam die verdrängte Erinnerung mit voller Wucht zurück.
Perry Rhodan wäre am liebsten selbst mit der Endlosen Armada weitergeflogen, auch wenn die Aussicht äußerst gering war, den in der Tiefe verschollenen Kameraden beistehen zu können. Zudem wartete auf ihn eine Aufgabe, die keinen Aufschub duldete: die Aktivierung des Chronofossils EDEN II.
Aber wo befand sich EDEN II? Ernst Ellert, der von ES auserkoren worden war, EDEN II zu präparieren, war nicht zurückgekehrt. Dabei war Ellert der Einzige, der die Koordinaten des Planeten kennen konnte.
Es gab Probleme über Probleme, und da kam Adams und verlangte eine Vollversammlung der Hanse. Rhodan hatte nicht das geringste Verständnis dafür.
Der Transmitter war bereits für ihn justiert – Perry Rhodan erreichte ohne Zeitverlust die BASIS, das gewaltige Fernraumschiff der Terraner.
Der offizielle Aufbruch der Endlosen Armada stand an, veranstaltet für die Medien und als Dokument der Zeitgeschichte. Persönlich hatte sich Rhodan schon von allen ihm längst vertraut gewordenen Mitstreitern verabschiedet, besonders intensiv von Nachor. Der Armadaprinz würde den gewaltigen Heerwurm über 200 Millionen Lichtjahre hinweg nach Behaynien zurückbringen, besser gesagt, zur einstigen Position des Frostrubins, 2,8 Millionen Lichtjahre von Behaynien entfernt.
In seiner Rede, die über alle Hyperfunkrelais bis ans andere Ende der Milchstraße übertragen wurde, ging Rhodan auf die Hintergründe und die Entstehung von Ordobans Wachflotte ein. Er schilderte zusammengefasst die ersten Begegnungen mit Einheiten der Galaktischen Flotte, die Probleme mit den Armadaschmieden und kam schnell zur Entscheidung im Loolandre, der schließlich unumgänglichen Aktivierung der Chronofossilien und dem damit verbundenen Kampf gegen den Dekalog der Elemente. Sein Rückblick endete mit der Erkenntnis, dass die Endlose Armada endlich zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurückkehren und ihre Funktion erfüllen könne. Da sich der porleytische Anker des Kosmonukleotids TRIICLE-9 bereits ausreichend gelockert habe, sei die Präsenz der Endlosen Armada für die Aktivierung des letzten Chronofossils, EDEN II, nicht mehr nötig. Rhodan drückte seine Hoffnung aus, dass Ordobans Wachflotte ihr Ziel erreicht haben möge, wenn TRIICLE-9 an seinen Stammplatz in der Tiefe und im Moralischen Code zurückkehren werde.
Homer Gershwin Adams bereitete sich auf den schwersten Gang seines Lebens vor. Er hatte lange mit sich gehadert, ob er diesen Schritt tun sollte, doch nun gab es für ihn kein Zurück. Er hatte seinen Entschluss gefasst, und was er tat, geschah zum Nutzen der Kosmischen Hanse. Dabei war ihm keineswegs wohl bei dem Gedanken, sich in den Vordergrund zu drängen.
Seit über 2000 Jahren galt Homer Gershwin Adams als das Finanzgenie schlechthin. Er war einer der berühmtesten Männer der Milchstraße. Sein Name war auf vielen Planeten ein Begriff. Redewendungen wie »Geiziger Gershwin«, »Sparsam wie Homer« oder »Wundersame homersche Wertvermehrung« wurden in allen galaktischen Sprachen verwendet – nicht selten sogar, ohne dass den betreffenden Völkern der Ursprung dieser geflügelten Worte noch bewusst war.
Adams kannte seinen Stellenwert, hatte daraus aber niemals persönliches Kapital geschlagen. Schüchternheit und Zurückhaltung waren ihm angeboren – vermutlich, weil er alles andere als attraktiv war und ihm ein ausgleichendes Charisma fehlte.
Homer Gershwin Adams hatte einen verkrümmten Rücken und einen viel zu großen Kopf mit schütterem blondem Haar und blassblauen Augen. Sein Äußeres spielte zwar seit 2000 Jahren keine Rolle mehr, doch es hatte die verletzlichste Phase seines Lebens geprägt, seine Kindheit. Er war als Buckliger aufgewachsen, darum war er scheu und introvertiert, unzugänglich und zurückhaltend. Adams war aber zugleich zufrieden und glücklich, denn er tat das, was er konnte, indem er sich auf seine einmalige Begabung verließ.
Finanzpolitik war sein Leben, schon zur Zeit der Dritten Macht, im Jahr 1972 a. D. Damals gründete er die General Cosmic Company, jenes Wirtschaftsimperium, ohne das Perry Rhodan nie in der Lage gewesen wäre, eine terranische Raumfahrtindustrie aufzubauen. Später, als Finanz- und Wirtschaftsminister des Solaren Imperiums, war es seiner genialen Politik zu verdanken, dass