Ein Junggeselle zum Verlieben. Melody Carlson
Читать онлайн книгу.die Abschlussklasse. Und Sie haben vollkommen recht, er hätte sich schon lange bewerben sollen. Aber Collin will im Moment keins der großen Colleges besuchen. Er möchte viel lieber das erste Jahr hier am Community College studieren.“
„Ich verstehe. Nun, das ist doch eigentlich ein vernünftiger Plan.“
„Vielleicht. Zumindest für sein erstes Jahr. Aber mir gefällt nicht, dass er seine Ziele so niedrig steckt. Ich hoffe, dass er bald seine Bewerbungen für einige größere Colleges auf den Weg bringt. Vielleicht nach dem Herbstsemester.“
„Ich habe keinen Zweifel daran, dass er an einem der größeren Colleges angenommen wird. Er ist ein intelligenter junger Mann. Ich nehme an, er hat einen guten Notendurchschnitt.“
„Ja. Aber wir müssen uns trotzdem gut vorbereiten, und Empfehlungsschreiben gehören dazu. Und mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass Sie die Warner High verlassen werden.“ Sie runzelte die Stirn. „Stimmt das? Sie gehen in den Ruhestand?“
„Das stimmt.“ Er nickte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck.
Sie runzelte die Stirn. „Sie wirken noch so jung.“
„Das mag sein … aber es ist an der Zeit.“
„Herzlichen Glückwunsch … denke ich – ich meine, wenn es das ist, was Sie möchten.“ Sie musterte ihn und fragte sich, warum er so traurig wirkte, doch es gelang ihr, diese Frage herunterzuschlucken. Sie kannte ihre Neigung, ihr Herz auf der Zunge zu tragen, und dies war nicht der richtige Zeitpunkt.
„Danke.“ Er rieb sich das Kinn. „Ich glaube, ich habe mich noch nicht wirklich an diesen Gedanken gewöhnt.“
„Nun, das Leben hat mehr zu bieten als Arbeit.“
„Ja, vermutlich schon.“ Er runzelte die Stirn.
Willow musterte ihn eine Zeit lang. Mr Emerson wirkte traurig und verletzlich … beinahe wie ein kleiner Junge, der eine liebevolle, beruhigende Umarmung brauchte. Und gleichzeitig merkte sie, dass er sich unbehaglich fühlte, als wollte er die sichere Distanz wahren.
„Wie auch immer“, fuhr sie schnell fort, „ich wollte Sie persönlich bitten, Collin eine Empfehlung zu schreiben. Darum bin ich heute gekommen.“
Er nickte langsam, doch in seinen Augen lag ein abwesender Ausdruck, beinahe so, als würde er nicht richtig zuhören. Vielleicht hatte er gesundheitliche Probleme. Womöglich war das der Grund für seine vorzeitige Pensionierung. Aber sie würde ganz sicher nicht nachfragen.
„Sehen Sie, sie sind sein Lieblingslehrer“, fuhr sie fort. „Und wenn Sie ihm eine Empfehlung schreiben könnten, dann könnte er eine Kopie davon zu seinen Bewerbungsunterlagen legen, für den Fall, dass er sich doch noch an einigen größeren Colleges bewirbt. Ich fürchte, dass er vom staatlichen College bald enttäuscht sein wird.“
Sie beugte sich leicht vor und versuchte zu erkennen, ob Mr Emerson ihr noch seine Aufmerksamkeit schenkte, oder ob er seinen eigenen Gedanken nachhing.
„Ja, ja.“ Seine dunklen Augen leuchteten auf. „Das scheint mir vernünftig zu sein.“
Erleichterung durchströmte sie. „Collin mag Sie sehr, Mr Emerson. Er spricht viel von Ihnen. Und er liebt Ihren Englischunterricht, ob er nun Literatur oder kreatives Schreiben oder was auch immer bei Ihnen hat. Er möchte sogar Englisch als Hauptfach wählen. Ich bin mir nicht sicher, ob er damit viel anfangen kann, aber ich habe ihm immer Mut gemacht, seinen Träumen zu folgen. Und Sie haben vermutlich schon gemerkt, dass er sehr gerne schreibt. Er verfasst Kurzgeschichten und Gedichte – nur zu seinem Vergnügen.“
Sie hielt inne, um Luft zu holen. Vermutlich redete sie mal wieder zu viel.
„Ja, mir ist schon aufgefallen, dass er einen sehr guten Schreibstil hat. Das hat mich schon früh auf ihn aufmerksam gemacht.“
„Oh, gut.“ Mit einem dumpfen Poltern legte sie ihre schwere Baumwolltasche auf einem Pult ab und seufzte tief. „Dann werden Sie uns also helfen? Ich meine, ihm – Sie werden ihm helfen?“
„Ich werde Collin sehr gern eine Empfehlung schreiben.“
„Oh, vielen Dank – ich danke Ihnen!“ Und wieder unterdrückte sie den Drang, ihn zu umarmen. Seine zugeknöpfte Art sagte ihr, dass Mr Emerson ganz bestimmt nicht viel für Umarmungen übrighatte. Aber natürlich konnte sie sich auch irren. Um seinetwillen hoffte sie, dass sie sich irrte.
„Es war mir ziemlich unangenehm, ohne Voranmeldung hier aufzutauchen und Sie zu überfallen“, gestand sie. „Ohne Termin, meine ich. Aber offensichtlich stamme ich aus einer anderen Zeit. Früher gab es noch keine bewaffneten Sicherheitskräfte in den Schulen. Um ehrlich zu sein, dieser Ort kommt mir eher wie eine Besserungsanstalt vor und nicht wie eine Schule.“
„Ich hatte schon ähnliche Gedanken.“ Er wirkte beinahe amüsiert.
Sie machte eine ausschweifende Armbewegung. „Ist es zu fassen, dass ich auch mal hier zur Schule gegangen bin? Das ist natürlich schon wer weiß wie lange her. Aber ich habe meinen Abschluss an der Warner High gemacht. Na ja, so gerade eben.“
Ihre Wangen erröteten, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihr Abschlusszeugnis in Empfang genommen hatte. Da war sie bereits schwanger gewesen. Aber dazu stand sie auch. Sie hatte nicht vor, das zu verschleiern.
„Tatsächlich?“ Er runzelte die Stirn. „Sie sind hier zur Schule gegangen?“
„Ja, ich war Schülerin an der Warner High.“ Sie lachte leise. „Meinen Abschluss habe ich …“
„Ich auch. Ich meine, ich habe auch diese Schule besucht. Abschlussklasse 1980.“
„Im Ernst? Ich habe 1981 meinen Abschluss gemacht.“ Fieberhaft kramte sie in ihrem Gedächtnis nach einem Jungen mit Namen Emerson. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich gar nicht richtig vorgestellt hatte, und sie hielt ihm die Hand hin. „Es tut mir leid, ich hätte mich richtig vorstellen müssen. Mein Name ist Willow West, und …“
„Willow Wild West?“ Peinlich berührt fuhr seine Hand zu seinem Mund. „Entschuldigung, das hätte ich nicht sagen sollen. Bitte verzeihen Sie mir.“
„Das macht doch nichts.“ Mit leichtem Unbehagen lächelte sie ihn an. „Es stimmt, in der Schule war ich ein wenig ungezügelt. Das hat sich bestimmt herumgesprochen. Aber irgendwann bin ich dann erwachsen geworden.“ Sie verdrehte die Augen. „Na ja, fast. Vermutlich bin ich nie ganz erwachsen geworden. Und ehrlich gesagt, nach Meinung meines Enkels bin ich immer noch ein Hippie.“ Sie krempelte ihren Ärmel hoch und zeigte ihm das blasse Rosentattoo auf ihrem Unterarm. „Er nennt dies meinen Oma-Stempel.“ Sie lachte laut auf. „Aus meiner Blütezeit. Ich war jünger als Collin, als ich mir das habe stechen lassen, und er hält mich für ziemlich ausgeflippt. Collin käme nie auf den Gedanken, etwas Verbotenes zu tun, was vermutlich gut ist. Er würde sich auch niemals tätowieren lassen. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, wenn er es tun würde. Manchmal wünschte ich, er wäre ein wenig lockerer. Aber es muss nicht unbedingt ein Tattoo sein.“ Seufzend rollte sie ihren Ärmel wieder herunter.
„Es ist schwierig, ein Tattoo zu entfernen“, sagte Mr Emerson und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das weiß ich allerdings nicht aus Erfahrung.“
„Nein, natürlich nicht. Sie scheinen mir nicht der Typ Mensch zu sein, der sich ein Tattoo stechen lässt, Mr Emerson.“ Sie neigte den Kopf, als sie fortfuhr: „Aber ich kann Sie immer noch nicht richtig einordnen. Und Sie sind wirklich hier zur Schule gegangen?“
„Es würde mich wundern, wenn Sie sich an mich erinnern könnten“, erklärte er mit ernster Stimme. „Ich war ziemlich schüchtern. Und ich gehörte ganz gewiss nicht zu Ihrer Gruppe. Obwohl mein bester Freund Greg Walters viel …“
„An Greg Walters erinnere ich mich. Und jetzt erinnere ich mich auch an Sie. Sie sind George Emerson.“ Sie musterte ihn neugierig. „Irgendwie kamen Sie mir gleich bekannt vor, und jetzt fällt mir auch auf, dass Sie sich so viel gar nicht verändert haben. In meiner Erinnerung waren