Die Göttliche Komödie. Dante Alighieri

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Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri


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Daß je der Tod so vieles Volk verschlungen.

       Und hier erblickt ich manch bekanntes Haupt,

       Auch jenes Schatten, der aus Angst und Zagen

       Sich den Verzicht, den großen, feig erlaubt.

       Ich war sogleich gewiß, auch hört ich sagen,

       Dies sei der Schlechten jämmerliche Schar,

       Die Gott und seinen Feinden mißbehagen.

       Dies Jammervolk, das niemals lebend war,

       War nackend und von Flieg und Wesp umflogen,

       Und ward gestachelt viel und immerdar.

       Tränen und Blut aus ihren Wunden zogen

       In Streifen durch das Antlitz bis zum Grund,

       Wo ekle Würmer draus sich Nahrung sogen.

       Drauf, als ich weiter blickt im düstern Schlund,

       Erblickt ich Leut an einem Stromgestade

       Und sprach: "Jetzt tu, ich bitte, Herr, mir kund,

       Von welcher Art sind die, die so gerade,

       Wie ich beim düstern Dämmerlicht ersehn,

       So eilig weiterziehn auf ihrem Pfade?"

       Und er darauf: "Dir wird genug geschehn

       Am Acheron—dort wird sich alles zeigen,

       Wenn wir am traurgen Ufer stillestehn."

       Da zwang mich Scham, die Augen tief zu neigen,

       Aus Furcht, daß ihm mein Fragen lästig sei,

       Und ich gebot mir bis zum Strome Schweigen.

       Und sieh, es kam ein Mann zu Schiff herbei,

       Ein Greis, bedeckt mit schneeig weißen Haaren.

       "Weh euch, Verworfne!" tönte sein Geschrei.

       "Nicht hofft, den Himmel jemals zu gewahren.

       Ich komm, euch jenseits hin an das Gestad

       In ewge Nacht, in Hitz und Frost zu fahren.

       Und du, lebendge Seele, die genaht,

       Mußt dich von diesen, die gestorben, trennen!"—

       Dann, da er sah, daß ich nicht rückwärts trat:

       "Hier kann ich dir den Übergang nicht gönnen,

       Für dich geziemen andre Wege sich,

       Ein leichtrer Kahn nur wird dich tragen können."

       Virgil drauf: "Charon, nicht erbose dich.

       Dort, wo der Wille Macht ist, wards verhangen;

       Dies sei genug, nicht weiter frage mich."

       Hierauf ließ ruhen die bewollten Wangen

       Des fahlen Sumpfs erzürnter Steuermann,

       Des Augen Flammenräder rings umschlangen.

       Da hob graunvolles Zähneklappen an,

       Und es entfärbten sich die Tiefgebeugten,

       Seit Charon jenen grausen Spruch begann.

       Sie fluchten Gott und denen, die sie zeugten,

       Dem menschlichen Geschlecht, dem Vaterland,

       Dem ersten Licht, den Brüsten, die sie säugten.

       Dann drängten sie zusammen sich am Strand,

       Dem Schrecklichen, zu welchem alle kommen,

       Die Gott nicht scheun, und laut Geheul entstand.

       Charon, mit Augen, die wie Kohlen glommen,

       Winkt ihnen und schlug mit dem Ruder los,

       Wenn einer sich zum Warten Zeit genommen.

       Gleich wie im Herbste bei des Nordwinds Stoß

       Ein Blatt zum ändern fällt, bis daß sie alle

       Der Baum erstattet hat dem Erdenschoß;

       So stürzen, hergewinkt, in jähem Falle

       Sich Adams schlechte Sprossen in den Kahn,

       Wie angelockte Vögel in die Falle.

       Durch schwarze Fluten geht des Nachens Bahn,

       Und eh sie noch das Ufer dort erreichen,

       Drängt hier schon eine neue Schar heran.

       "Mein Sohn," sprach mild der Meister, "die erbleichen

       In Gottes Zorne, werden alle hier

       Am Strand vereint aus allen Erdenreichen.

       Man scheint zur Überfahrt sehr eilig dir,

       Doch die Gerechtigkeit treibt diese Leute

       Und wandelt ihre bange Furcht in Gier.

       Kein guter Geist macht diese Fahrt; und dräute

       Dir Charon, weil du hier dich eingestellt,

       So kannst du wissen, was sein Wort bedeute"—

       Hier wankte so mit Macht das dunkle Feld,

       Daß mich noch jetzt Schweißtropfen übertauen,

       Sooft dies Schreckensbild mich überfällt.

       Ein Windstoß fuhr aus den betränten Auen,

       Und blitzt ein rotes Licht, das jeden Sinn

       Bewältigte mit ungeheurem Grauen,

       Und, wie vom Schlaf befallen, stürzt ich hin—

      Vierter Gesang

      Mir brach den Schlaf im Haupt ein Donnerkrachen,

       So schwer, daß ich zusammenfuhr dabei,

       Wie einer, den Gewalt zwingt, zu erwachen.

       Ich warf umher das Auge wach und frei,

       Emporgerichtet spähend, daß ich sähe

       Und unterschied, an welchem Ort ich sei.

       So fand ich mich am Talrand, in der Nähe

       Des qualenvollen Abgrunds, dessen Kluft

       Zum Donnerhall vereint unendlich Wehe.

       Tief war er, dunkel, nebelhaft die Luft,

       Drum wollte nichts sich klar dem Blicke zeigen,

       Den ich geheftet an den Grund der Gruft.

       "Laß uns zur blinden Welt hinunter steigen,

       Ich bin der Erste, du der Zweite dann."

       So sprach Virgil, um drauf erblaßt zu schweigen.

       Ich, sehend, wie die Bläss ihn überrann,

       Sprach: Scheust du selber dich, wie kann ichs wagen

       Der Trost im Zweifel nur durch dich gewann?

       Und er zu mir: "Des tiefen Abgrunds Plagen

       Entfärben mir durch Mitleid das Gesicht,

       Und nicht, so wie du meinst, durch feiges Zagen.

       Fort, zaudern läßt des Weges Läng uns nicht."

       So ging er fort und rief zum ersten Kreise

       Mich auch hinein, der jene Kluft umflicht.

       Mir schien, nach meinem Ohr, des Klanges Weise,

       Der durch die Luft hier bebt im ewgen Tal,

       Nicht Klaggeschrei, nur Seufzer dumpf und leise.

       Und dieses kam vom Leiden ohne Qual

       Der Kinder, Männer und der Fraun, in Scharen,

       Die viele waren und von großer Zahl-

       Da sprach der Meister: "Willst du nicht erfahren,

       Zu welchen Geistern du gekommen bist?

       Bevor wir fortgehn, will ich offenbaren,

       Daß sie nicht sündigten;


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