Der weisse Schmetterling. Walter Mosley

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Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley


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nahm Edna in ihre Arme. Die Kleine schrie. Ich hätte sie am liebsten beide gepackt und so heftig umarmt, bis ich die ganze Aufregung aus ihnen gedrückt hätte.

      Manchmal war es schmerzlich für mich, mit Regina zu reden. Sie war sich so sicher, was richtig war und was nicht. Sie konnte mein Inneres völlig durcheinanderbringen. So sehr, dass ich manchmal nicht wusste, ob ich Wut oder Liebe empfand.

      Ich wartete einen Augenblick lang draußen, als sie hineingegangen war, betrachtete mein Haus. Es gab so viele Geheimnisse, die ich mit mir herumtrug, so viele kaputte Leben, an denen ich Anteil hatte. Regina und Edna gehörten nicht dazu, und ich schwor mir, dass sie nie dazugehören würden.

      Schließlich ging ich hinein, fühlte mich wie ein Schatten, der ins Helle tritt.

      5

      »Du hast getrunken«, sagte Regina, als ich hereinkam. Ich glaubte nicht, dass sie es riechen konnte, und so viel hatte ich nicht getrunken, dass ich nicht gerade gehen konnte. Regina kannte mich eben. Das gefiel mir, es machte mein Herz ganz wild.

      Edna und Regina saßen beide auf der Couch. Als die Kleine mich sah, sagte sie: »Issy«, machte sich von ihrer Mutter los und krabbelte in meine Richtung. Regina packte sie, ehe sie auf den Boden fiel.

      Edna brüllte, als hätte sie einen Klaps bekommen.

      »Warst du auf dem Polizeirevier?«

      »Quinten Naylor wollte mit mir reden.« Ich hatte immer ein schlechtes Gefühl, wenn die Kleine schrie. Ich hatte das Gefühl, es müsse etwas unternommen werden, ehe wir weitersprachen. Aber Regina hielt sie einfach fest und redete mit mir, als gäbe es kein Gebrüll.

      »Und warum kommste dann besoffen nach Hause?«

      »Mach halblang, Baby«, sagte ich. Alles kam mir langsam vor. Ich hatte das Gefühl, ich hätte reichlich Zeit, es ihr zu erklären, die Ruhe wiederherzustellen. Wenn nur Edna mit dem Geschrei aufhören würde, wäre alles okay. »Ich hab im Avalon bloß was getrunken.«

      »Muss ein langer Zug gewesen sein.«

      »Ja, ja. Ich hab was zu trinken gebraucht nach dem, was Officer Naylor mir gezeigt hat.«

      Das verschaffte mir ihre Aufmerksamkeit, aber ihr Blick war immer noch hart und kalt.

      »Er hat mich zu einem leeren Grundstück an der Hundertzehnten gebracht. Da war ne Tote. Kopfschuss. Derselbe Kerl, der auch die beiden anderen Frauen umgebracht hat.«

      »Die wissen, wer’s war?«

      Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Ich hätte am liebsten getanzt, weil ich den zornigen Blick aus ihrem Gesicht vertrieben hatte.

      »Nee«, sagte ich so nüchtern wie möglich.

      »Woher wissen die dann, dass es derselbe Mann war?«

      »Der is verrückt, deshalb. Er markiert sie mit ner brennenden Zigarre.«

      »Vergewaltigung?«, fragte sie mit leiser Stimme. Edna hörte auf zu schreien und sah mich mit dem forschenden Blick ihrer Mutter an.

      »Auch«, sagte ich und bereute plötzlich, dass ich überhaupt etwas gesagt hatte. »Und andere Sachen.«

      Ich nahm Edna auf und setzte mich neben meine Frau.

      »Naylor wollte, dass ich ihm helfe. Hat geglaubt, ich hätt vielleicht irgendwas gehört.«

      Als Regina die Hand auf mein Knie legte, hätte ich am liebsten gejubelt.

      »Wieso hat er das geglaubt?«

      »Weiß ich nich. Er weiß, dass ich früher mal ganz schön rumgekommen bin. Er hat einfach geglaubt, dass ich vielleicht was gehört hab. Ich hab ihm gesagt, dass ich ihm nich helfen kann, aber dann war mir nach was zu trinken.«

      »Wer war die Tote?«

      »Eine Frau namens Bonita Edwards.«

      Ihre Hand ging zu meiner Schulter.

      »Ich versteh immer noch nich, wieso ein Polizist herkommt und dich danach fragt. Ich meine, wenn er nich geglaubt hat, du hast was damit zu tun.«

      Regina wollte immer wissen, warum. Warum wollten Leute Gefälligkeiten von mir? Warum hatte ich das Gefühl, ich müsse gewissen Leuten helfen, wenn sie Ärger hatten? Sie hatte nie erfahren, wie ich ihren Cousin aus dem Gefängnis herausbekommen hatte.

      »Na, du weißt schon«, sagte ich. »Vermutlich hat er geglaubt, ich bin immer noch viel auf der Straße unterwegs. Aber ich hab ihm gesagt, dass ich jetzt die ganze Zeit für Mofass arbeiten tu und nich mehr viel rumkomm.«

      Ehe ich Regina kennenlernte, hatte ich ein Leben im Versteck geführt. Niemand wusste über mich Bescheid. Die Leute wussten nichts über meinen Besitz. Sie wussten nichts über meine Beziehung zur Polizei. In meinen Geheimnissen fühlte ich mich sicher. Ich sagte mir immer wieder, dass Regina meine Frau war, meine Partnerin im Leben. Ich hatte vor, ihr zu erzählen, was ich im Lauf der Jahre getan hatte. Ich hatte vor, ihr zu sagen, dass Mofass in Wahrheit für mich arbeitete und dass ich auf Bankkonten überall in der Stadt eine Menge Geld hatte. Aber ich musste es langsam angehen, wenn die Zeit für mich günstig wäre.

      Mein Lebensstil verriet nichts von dem Geld. Deshalb hatte sie keinen Grund zum Misstrauen. Ich hatte die Absicht, ihr eines Tages alles zu erzählen. Eines Tages, wenn ich das Gefühl hatte, sie könne es akzeptieren, mich akzeptieren als denjenigen, der ich war.

      »Er weiß, dass ich rumkomm in der Nachbarschaft, das is alles, Schatz. Die haben die Frauen bloß zwölf Blocks von hier gefunden.«

      »Hättste denen helfen können?«

      Edna steckte die Hand in meine Hemdtasche und sabberte auf meine Brust.

      »Mhm. Ich hab nix gewusst. Ich hab ihm aber gesagt, ich frag mal rum. Du weißt, es is ne hässliche Geschichte.«

      Regina musterte mich wie ein Pfandleiher, der nach einem Makel an einem Diamantring sucht. Ich schaukelte Edna in den Armen, bis sie anfing zu lachen. Dann lächelte ich Regina an. Sie schüttelte nur leicht den Kopf und musterte mich weiter.

      Edna fühlte sich an, als wöge sie einen Zentner, und ich legte sie in meinen Schoß. Ich lehnte mich zurück.

      Regina legte ihre kühle Hand an meine Wange. Ich konnte jeden Knöchel zählen. Ich dachte an die arme tote Frau und an die anderen.

      Edna schlief ein. Regina brachte sie in ihr Bettchen. Und ich folgte ihr in unser Schlafzimmer. Ein Zimmer, das so klein war, dass es fast nur aus dem Bett bestand.

      Sie zog sich aus und wollte dann ihr Nachtzeug anziehen. Aber ich umarmte sie, ehe sie an ihr Nachthemd kam. Meine Hose hing mir um die Knöchel. Wir fielen auf das Bett, Regina über mir. Sie versuchte schwach, sich zu lösen, aber ich hielt sie fest und streichelte sie so, wie sie es mochte. Sie gab meinen Liebkosungen nach, wollte mich aber nicht küssen. Ich rollte mich auf sie und hielt ihren Kopf zwischen meinen Händen. Sie ließ mein Bein zwischen ihre Beine schlüpfen, aber als ich meine Lippen auf die ihren legte, öffnete sie weder den Mund noch die Augen. Meine Zunge stieß gegen ihre Zähne, aber weiter kam ich nicht.

      Regina ließ zu, dass ich sie in den Armen hielt. Sie vergrub ihr Gesicht an meinem Hals, während ich mich aus den Shorts und dem Hemd schälte. Aber als ich in sie eindringen wollte, wandte sie sich von mir ab. Das alles war neu. Regina war nicht so wild auf Sex wie ich, aber meistens kam sie meiner Leidenschaftlichkeit recht nahe. Jetzt war es, als wollte sie mich, aber selbst nichts dazu beitragen.

      Das erregte mich noch mehr, und obwohl mir vom Alkohol in meinem Blut schwindlig war, schob ich mich hinter sie und drang in sie ein, wie es Hunde tun.

      »Hör auf, Easy!«, rief sie, aber ich wusste, sie meinte: »Mach weiter, mach’s!«

      Sie wand sich, und ich klammerte meine Beine um die ihren. Ich bäumte mich an ihr auf, und sie packte den Nachttisch mit solcher Wucht, dass er umkippte. Die Lampe wurde aus dem Stecker gerissen, und das Zimmer wurde dunkel.


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