Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Читать онлайн книгу.hätte auf die Vermutung kommen können, sie habe die Safranfarbe ihrer Lippen und der benachbarten Teile nur der Tabaksdose zu verdanken, wäre nicht das ganze Gesicht von der gleichen Farbe gewesen. Sie war eine Jungfrau, hieß Remarkable Pettibone und stand dem weiblichen Teil des Gesindes in der Eigenschaft einer Haushälterin vor. Elisabeth kannte sie nicht, da die Dame erst nach dem Tode ihrer Mutter ins Haus gekommen war.
Außer diesen zeigten sich noch drei oder vier andere untergeordnete dienstbare Geister, meist Schwarze, unter dem Hauptportal, deren einige vom Ende des Gebäudes, wo der Eingang zur Küche im Kellergeschoß war, herzueilten.
Dann ließ sich von Richards Hundezwinger her ein arges Getöse vernehmen, in welchem sich alle Arten Stimmen vom Geheul des Wolfshundes bis zu dem Kläffen des Terriers unterscheiden ließen. Herr Jones erwiderte diese geräuschvolle Begrüßung mit einer wechselnden Nachahmung aus seiner eigenen Kehle, worauf die Hunde, wahrscheinlich aus Scham, übertroffen worden zu sein, ihren Lärm einstellten. Nur ein stattlicher, mächtiger Bullenbeißer, der ein mit den Buchstaben M. T. versehenes Messinghalsband trug, hatte sich ruhig verhalten. Er verfügte sich mitten in dem Lärm seiner Brüder majestätisch an die Seite des Richters, von wo er sich, nachdem er einige freundliche Klapse erhalten, an Elisabeth wandte, welche sich auf ihn niederbeugte, ihn küßte und als ihren lieben ›Old Brave‹ begrüßte. Das Tier schien sie zu erkennen, als sie, auf Monsieur Le Quoi und ihren Vater gestützt, um auf dem Eis nicht auszugleiten, die Stufen hinanstieg. Es sah ihr aufmerksam nach, und als sich die Tür hinter der ganzen Gesellschaft geschlossen hatte, legte es sich in einer Hundehütte nahe beim Eingang nieder, als sei es sich bewußt, daß das Haus nunmehr einen neuen Schatz berge, den es zu bewachen habe.
Elisabeth folgte ihrem Vater, der einen Augenblick anhielt, um die flüsternde Botschaft eines Domestiken zu vernehmen, nach einer großen Halle, die durch zwei auf hohen altmodischen Messingleuchtern steckende Kerzen nur schwach erhellt war. Die Türe schloß sich, und die Gesellschaft sah sich mit einem Male aus einer eisigen Luft in eine Wärme von über sechzig Grad Fahrenheit versetzt. In der Mitte der Halle stand ein ungeheurer Kamin, dessen Seiten von der Hitze beinahe glühten, und von dem aus eine weite gerade Röhre den Rauch durch die Decke abführte. Ein eisernes mit Wasser gefülltes Becken befand sich in der Nähe dieses Ofens – denn so mußte man ihn wohl nennen –, um in dem Raum die gehörige Feuchtigkeit zu erhalten. Die Halle war mit Teppichen belegt und mit bequemen soliden Möbeln ausgestattet, welche zum Teil aus der Stadt mitgebracht, zum Teil von den Handwerkern Templetons verfertigt worden waren. Da stand ein Seitentisch von Mahagoni, mit Elfenbein eingelegt und mit ungeheuern blanken Messinghandgriffen versehen, der unter der Last des Silbergeschirrs fast zusammenbrach. Nicht weit davon gab es noch eine Reihe weiterer Tische aus wildem Kirschbaum, passende Seitenstücke zu dem vorhin erwähnten, aus dem teuren eingeführten Holz gefertigten, aber einfach und ohne Verzierungen. Gerade gegenüber war eine kleinere Tafel von lichter gefärbtem Holz, durch das sich die Adern des Gebirgsahorns in schönen Wellenlinien hinzogen. Nahe dabei stand in einer Ecke des Saales eine schwere, altmodische Wanduhr mit einem Messingzifferblatt, die in einen hohen, aus dem Walnußbaum der Seeküste gefertigten Kasten eingeschlossen war. Ein ungeheures Kanapee oder Sofa, mit hellbedrucktem indianischem Kattun ausgeschlagen, nahm fast zwanzig Fuß an der Seitenwand der Halle ein, während gelb bemalte hölzerne Sessel, von nicht sehr sicherer Hand mit schwarzen Linien verziert, nebst anderen Möbelstücken auf der entgegengesetzten Seite aufgestellt waren. Ein Fahrenheitsches Thermometer nebst beigefügtem Barometer in einem Mahagoni-Gehäuse hing in einiger Entfernung von dem Ofen an der Wand und wurde von Benjamin jede halbe Stunde mit bewunderungswürdiger Genauigkeit zu Rate gezogen. Zwei kleine gläserne Kronleuchter waren in gleichen Entfernungen zwischen dem Ofen und den Türen der vorderen und rückwärtigen Wand aufgehängt, und vergoldete Wandleuchter staken in dem Schnitzwerk der zahlreichen Seitentüren, die nach benachbarten Zimmern führten. Richards Architekturphantasie hatte hier Nischen mit Spitzbögen angebracht, in deren Mitte sich je ein Piedestal mit einer kleinen, aus schwarzem Stuck geformten Büste befand; – die Wahl des Stils, wie die der Büsten, war ganz Herrn Jones anheimgefallen. In der einen Nische stand ein Homer in sprechender Ähnlichkeit, die, wie Richard versicherte, »jeder sehen mußte, war doch das Abbild blind«. In einer andern befand sich das Bildnis eines sanft aussehenden Herrn mit einem spitzig zulaufenden Bart, welchen Herr Jones Shakespeare nannte. Eine dritte Verzierung wurde durch eine Urne gebildet, die, wie Richard zu sagen pflegte, durch ihre Form andeutete, daß sie den Aschenkrug der Dido repräsentiere. Eine vierte Vertiefung barg unverkennbar den alten Franklin mit seiner Kappe und seiner Brille, und in einer fünften befand sich, gleichfalls unbestreitbar, Washingtons würdevolles Antlitz. Eine sechste enthielt einen Ungenannten, – »einen Mann mit offenem Hemdkragen und einem Lorbeerkranz um den Kopf«, wie Richard zu sagen pflegte, der entweder Julius Cäsar oder den Doktor Faust vorstelle, da er für beide Annahmen gleich gute Gründe habe.
Die Wände waren mit dunklen, bleifarbigen Papiertapeten bespannt, auf denen die über Wolfes Grab weinende Britannia abgebildet zu schauen war. Der Held selbst stand in einiger Entfernung von der trauernden Göttin am Rand der Tapete. Jeder Streifen enthielt in gleicher Weise die Gestalt des Generals bis auf ein Stück seines einen Armes, der auf den Nachbarstreifen hinüberlief – ein Übelstand, dem zwar Richard eigenhändig abzuhelfen versuchte, wobei indes für eine genaue Verbindung immer noch viel zu wünschen übrig blieb. Britannia hatte daher alles Recht zu klagen, nicht nur über den Verlust des Lebens ihres Lieblings, sondern auch über zahllose grausame Amputationen seines rechten Armes.
Der unglückselige Urheber dieser unnatürlichen Trennungen kündigte nun seine Ankunft in der Halle mit lautem Peitschengeknall an.
»Ei, Benjamin oder Ben Pump, ist das die Art, wie Ihr die Erbin empfangt?« rief er. »Entschuldige ihn, Bäschen Elisabeth. Solche Zurüstungen sind freilich zu umfassend, um jedermann anvertraut werden zu können; aber da ich nun hier bin, soll es bald besser gehen. Geschwind, mehr Lichter, Penguillan, mehr Lichter, damit wir doch gegenseitig unsere Gesichter sehen. Nun, Duke, ich habe deinen Hirsch mitgebracht, was soll damit geschehen, he?«
»Beim Himmel, Squire«, begann Benjamin seine Erwiderung, nachdem er zuerst den Mund mit dem Rücken seiner Hand abgewischt hatte, »wenn Sie Ihre Aufträge etwas früher am Tage gegeben hätten, so würde wohl alles nach Ihrem Wunsche ausgeführt worden sein. Ich habe alle Hände in Bewegung gesetzt und steckte eben die Kerzen auf, als die Sleighs zurückkamen. Sobald aber die Weibsleute die Schellen hörten, ging’s mit ihnen fort, als ob sie des Bootsmanns Füllen ritten, und ist jemand im Hause, der einen Haufen Weibervolk, wenn sie sich einmal vorwärts in Bewegung gesetzt haben, zum Halten bringen kann, eh’ ihr Kabel abgelaufen ist, so heißt er wenigstens nicht Benjamin Pump. Doch müßte sich Miss Betsey, seit sie die Kinderschuhe ausgetreten, verwandelt haben wie ein maskierter Korsar, wenn sie einem alten Burschen um des unbedeutenden Umstandes willen zürnen wollte, daß er zu wenig Lichter angezündet hat.«
Elisabeth und ihr Vater schwiegen auf Meister Pumps Entschuldigung; denn beide wurden bei ihrem Eintritt in die Halle durch die gleichen Gefühle überwältigt. Erstere hatte, ehe sie in die Pension kam, noch ein Jahr in diesem Gebäude gewohnt, und die früh hingeschiedene Hausfrau wurde jetzt von beiden, dem Gatten und der Tochter, schmerzlich vermißt.
Indes waren bereits die Kerzen auf den Kron-und Wandleuchtern aufgesteckt worden, und das Dienstpersonal hatte sich so weit von seiner Überraschung erholt, um sich des Grundes, warum dies geschehen, zu erinnern. Das Versäumte wurde eiligst nachgeholt, und in einer Minute strahlte die Halle im glänzendsten Lichte.
Die wehmütige Stimmung unserer Heldin und ihres Vaters wurde durch diese flimmernde Unterbrechung verscheucht, und die ganze Gesellschaft begann nun, die zahllosen Überkleider, welche sie zum Schutz gegen die Kälte getragen, abzulegen.
Während dieses Geschäftes besprach sich Richard flüchtig mit den verschiedenen Domestiken und ließ gelegentlich gegen den Richter eine Bemerkung über den Hirsch fallen; da sich aber in solchen Augenblicken seine wirren Worte nur wie eine Klavierbegleitung, d. h. wie etwas, das man hört, ohne daß man darauf achtet, ausnahmen, so wollen wir uns die Mühe ersparen, dieselben hier aufzuführen.
Sobald Remarkable Pettibone ihren Anteil an dem Beleuchtungsgeschäft geleistet hatte, kehrte sie unter dem Vorwand, die abgelegten