Maigret auf Reisen. Georges Simenon

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Maigret auf Reisen - Georges  Simenon


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ihn behandelt, als er mal eine leichte Grippe hatte … Wie? … Nein, im Gegenteil, sehr robust, trotz seines Lebenswandels. Entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe den Toten noch nicht gesehen … Verstanden … Ja … Ja … Ich habe verstanden … Bis später. Möchten Sie den Hoteldirektor noch einmal sprechen? … Nein?«

      Er legte auf und fragte: »Wo ist er?«

      »In der Badewanne.«

      »Der Leiter der Kriminalpolizei bittet darum, nichts anzufassen, bis er jemanden herschickt.«

      Monsieur Gilles wandte sich an den jungen Angestellten vom Empfang:

      »Du kannst wieder runtergehen. Versucht, die Leute von der Kriminalpolizei abzupassen, und bringt sie unauffällig hoch. Und bitte kein Wort darüber in der Halle. Verstanden?«

      »Ja, Herr Direktor.«

      Es klingelte in Maigrets Büro.

      »Kommen Sie kurz zu mir?«

      Es war das dritte Mal, dass der Kommissar bei der Abfassung seines Berichts über den Raubüberfall gestört wurde. Er zündete seine erloschene Pfeife wieder an und ging durch den Flur zum Chef.

      »Kommen Sie herein, Maigret. Nehmen Sie Platz.«

      Allmählich mischten sich Sonnenstrahlen in den Regen und einer ließ das bronzene Tintenfass des Chefs aufleuchten.

      »Kennen Sie Colonel Ward?«

      »Sein Name stand öfter in der Zeitung. Das ist doch der mit den drei, vier Frauen?«

      »Er wurde tot in seiner Badewanne gefunden, im George-V.«

      Maigret zuckte nicht mit der Wimper, in Gedanken noch ganz bei seinem Raubüberfall.

      »Ich glaube, es wäre das Beste, wenn Sie sich darum kümmern. Der Arzt, mit dem ich gerade gesprochen habe, ist mehr oder weniger zuständig für das Hotel, er meint, dass der Colonel kerngesund war und seines Wissens nie Herzbeschwerden hatte. Die Presse wird sich brennend für den Fall interessieren, nicht nur die französische, auch die internationale …«

      Maigret verabscheute solche Geschichten um bekannte Persönlichkeiten, die man nur mit Samthandschuhen anfassen durfte.

      »Ich fahre hin«, sagte er.

      Der Bericht musste warten. Mit mürrischer Miene öffnete der Kommissar die Tür zum Inspektorenbüro und überlegte, wen er mitnehmen sollte. Janvier war da, aber ebenfalls mit dem Raubüberfall befasst.

      »Geh in mein Büro und versuch, meinen Bericht weiterzuschreiben. Du, Lapointe …«

      Erfreut hob der junge Lapointe den Kopf.

      »Setz deinen Hut auf. Du kommst mit mir.«

      Dann sagte er zu Lucas:

      »Falls jemand nach mir fragt, ich bin im George-V.«

      »Wegen dieser Vergiftung?«

      Das war ihm herausgerutscht. Lucas errötete.

      »Was für eine Vergiftung?«

      Lucas stotterte:

      »Die Comtesse …«

      »Welche Comtesse?«

      »Heute früh gab es eine Meldung über einen Suizidversuch im George-V, eine Comtesse mit italienischem Namen. Ich habe Ihnen nichts davon gesagt, weil …«

      »Wo ist der Rapport?«

      Lucas wühlte in den Papieren auf seinem Schreibtisch und zog ein Formular heraus.

      »Sie ist nicht tot. Deswegen …«

      Maigret überflog die wenigen Zeilen.

      »Ist sie befragt worden?«

      »Ich weiß nicht. Jemand vom 8. Arrondissement war im Krankenhaus in Neuilly. Ich weiß nicht, ob sie ansprechbar war.«

      Maigret ahnte nicht, dass die Comtesse Palmieri und Colonel David Ward in der vergangenen Nacht kurz vor zwei vor dem George-V aus einem Taxi gestiegen waren und der Concierge sich nicht darüber gewundert hatte, dass sie zusammen ihre Schlüssel abholten.

      Auch der Etagenkellner Jules war nicht überrascht gewesen, als er, nachdem man in Suite 332 nach ihm geklingelt hatte, den Colonel bei der Comtesse angetroffen hatte.

      »Wie immer, Jules«, hatte sie gesagt.

      Also eine Flasche Krug 1947 und eine noch original verkorkte Flasche Johnnie Walker. Der Colonel trank keinen Whisky, den er nicht selbst entkorkt hatte.

      Lucas hatte mit einer Rüge gerechnet, aber viel tiefer traf ihn Maigrets überraschter Blick, als hätte der nie mit einer solchen Fehleinschätzung seines ältesten Mitarbeiters gerechnet.

      »Komm, Lapointe.«

      Im Flur begegneten sie einem kleinen Gauner, den Maigret vorgeladen hatte.

      »Komm heute Nachmittag wieder!«

      »Wann genau, Chef?«

      »Wann du willst.«

      »Nehmen wir einen Wagen?«, fragte Lapointe.

      Sie nahmen einen. Lapointe setzte sich ans Steuer. Der Wagenmeister vom George-V hatte bereits Anweisungen erhalten.

      »Sie können den Wagen hierlassen. Ich mache das schon.«

      Alle hatten Anweisungen erhalten. Bei jedem Schritt, den sie taten, öffnete sich den beiden Polizisten eine Tür, und im Handumdrehen waren sie in der 347, wo der Direktor, telefonisch von ihrer Ankunft unterrichtet, sie bereits erwartete.

      Maigret hatte nicht oft im George-V ermittelt, aber zwei-, dreimal war er schon gerufen worden, und er kannte Monsieur Gilles, dem er jetzt die Hand gab. Doktor Frère stand im Salon neben einem kleinen Tisch, auf dem er seine schwarze Tasche abgestellt hatte. Er war ein vornehmer, sehr ruhiger Mann, zu dessen Patienten namhafte Persönlichkeiten zählten und der fast genauso viele Geheimnisse kannte wie Maigret. Allerdings bewegte er sich in einer Welt, zu der die Polizei nur selten Zugang hat.

      »Tot?«

      Ein Blinzeln genügte.

      »Wann ungefähr?«

      »Das wird sich erst nach der Autopsie genau sagen lassen, sofern, wie ich annehme, eine angeordnet wird.«

      »Kein Unfall?«

      »Kommen Sie, sehen Sie selbst …«

      Maigret fand den Anblick der nackten Leiche in der Badewanne genauso unerfreulich wie Monsieur Gilles.

      »Ich habe ihn nicht angefasst, aus medizinischer Sicht war eh nichts mehr zu machen. Man könnte es für einen dieser Unfälle halten, die sich übrigens öfter ereignen, als man denkt. Man rutscht aus, der Kopf schlägt gegen den Badewannenrand und …«

      »Ich weiß. Aber das hinterlässt keine Spuren an den Schultern. Das wollten Sie doch sagen, oder?«

      Auch Maigret hatte die zwei dunklen Flecken auf den Schultern des Toten bemerkt, die aussahen wie Blutergüsse.

      »Sie glauben also, jemand hat nachgeholfen?«

      »Ich weiß es nicht. Mir wäre es lieber, wenn der Gerichtsmediziner das entscheidet.«

      »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal lebend gesehen?«

      »Vor ungefähr einer Woche, als ich der Comtesse eine Spritze gegeben habe.«

      Monsieur Gilles’ Gesicht verdüsterte sich. Hatte er vermeiden wollen, dass man auf sie zu sprechen kam?

      »Eine Comtesse mit italienischem Namen?«

      »Die Comtesse Palmieri.«

      »Die gestern Nacht versucht hat, sich das Leben zu nehmen?«

      »Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob es ihr damit ernst war. Sie hat in der Tat eine große Menge Phenobarbital genommen. Das macht sie, soweit ich weiß,


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