Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 1. Ambrosius von Mailand

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Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 1 - Ambrosius von Mailand


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Netzen entflieht,“ sagt sie ferner. Sie will eben selbst fliehen und über die Erde sich erheben.

      19. Hier dürfen wir an jenen Garten erinnert werden, von welchem Plato erzählt, und den er einmal den Garten des Zeus, ein anderes Mal den Garten des Geistes nennt; Zeus bezeichnet er ja sowohl als Gott wie als Geist der ganzen Welt. In diesen Garten sei die Seele eingetreten, die er Venus nennt, damit sie an der Fülle und dem Reichthume desselben sich ersättige: dort aber habe gefüllt mit Nectar ein mächtiges Gefäß gestanden. Plato hat Dieses wohl aus dem hohen Liede entnommen. 21 Dort tritt die Gott ergebene Seele in einen geistigen Garten ein, in welchem eine reiche Fülle der verschiedensten Tugenden und die Blüthen erhabener Worte sich finden. Und wem wäre unbekannt, daß aus jenem Paradiese, in welchem der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen stand, daß aus ihm die Fülle der Tugenden in den Garten der Seele verpflanzt werden mußte? Von diesem Garten der Seele oder vielmehr von der Seele selbst spricht Salomon im hohen Liede. „Ein verschlossener Garten,“ sagt er, „bist du, meine Schwester, ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle; deine Früchte sind ein Paradies.“ 22 Die Seele aber antwortet: „Hebe dich, Nordwind, komme, Südwind; durchwehe meinen Garten, so werden meine Gewürze fließen. Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse die Früchte seiner Äpfel.“ Wie erhaben ist dieser Gedanke, daß die mit den Blüthen der Tugend geschmückte Seele ein Garten sei, daß sie in sich ein duftendes Paradies trage! Und in diesen ihren Garten ladet sie das Wort, damit sie von seinem himmlischen Thaue benetzt, von seinem Reichthum getränkt werde. Das ewige Wort aber weidet sich an den Tugenden der Seele, wenn sie diese gehorsam und vollkommen findet: dann bricht dieses Wort die Früchte und erfreut sich an ihrem Anblicke. So lange aber das Wort in der Seele weilt, strömen aus ihr die Wohlgerüche heiliger Worte; weithin dringen alsdann die Düfte der Huld und Gnade vor Gott.

      20. Darum antwortet der Bräutigam — das Wort ist aber der Bräutigam der Seele, die ihm in heiligem Bunde angetraut ist —: „Ich kam in meinen Garten, meine Schwester, meine Braut, um meine Myrrhe mit meinen Gewürzen zu pflücken, den Honigseim sammt meinem Honig zu essen, meinen Wein mit meiner Milch zu trinken: esset, trinket, berauschet euch, meine Brüder und Freunde! Ich schlafe, aber mein Herz wacht.“ 23 Da erkennen wir, an welchen Früchten Gott sich sättigt und erfreut: wenn die Seele der Sünde abstirbt, wenn sie ihre Schuld tilgt, ihre Ungerechtigkeiten für immer zur Ruhe bestattet. Die Myrrhe deutet uns die Bestattung der Todten. Todt aber sind die Sünden, welchen die Annehmlichkeit des Lebens nicht mehr vergönnt ist. Die Wunden, welche die Sünden geschlagen haben, werden von dem Balsam des göttlichen Wortes berührt; mit höherem Worte wird die Seele dann wie mit kräftigem Brode genährt, mit mildem Worte aber wie mit Honig geheilt. „Solche gute Worte sind in der That wie Honigseim,“ sagt Salomon in seinen Sprüchen. Da ist nun in jenem Garten ein Wort, welches die Schuld straft; ein anderes weist den Frevel zurecht; ein anderes lässt den Übermuth sterben und begräbt ihn gleichsam, sofern nämlich der Betroffene seinen Verirrungen entsagt. Kräftiger ist das Wort, welches das Herz des Menschen mit der erhabenen Speise der heiligen Schrift stärkt. Ein anderes Wort ist milde überredend wie Honig, und doch bringt es das Gewissen des Sünders bei aller Milde zur Zerknirschung. Wiederum ein anderes Wort von glühenderem Geiste berauscht, gleich dem Weine, und erfüllt das Herz mit hoher Freude. Endlich ist ein Wort, gleich der Milch, rein und weiss. Diese Speisen bietet der himmlische Bräutigam seinen Genossen: „Esset, meine Freunde, trinket, berauschet euch, meine Brüder!“ Die Genossen sind Die, welche ihm folgen und dem Hochzeitsmahle beiwohnen. Wenn aber die Seele mit dieser Speise gesättigt, von solchem Tranke berauscht für die Welt entschläft, dann erwacht sie für Gott. Und dann verlangt auch das ewige Wort, da ihm die Thüre dieser Seele geöffnet werde, damit er mit seinem Eintritt sie vollends beselige.

      21. Da haben wir denn die Teilnehmer am Gastmahle, in anderer Weise, als Plato berichtet; — da ist der wahre Nektar aus Wein und Honig nach dem Worte des Propheten gemischt; dort finden wir jenen geheimnißvollen Schlaf, dort das ewige Leben, in welchem Gott die Seinigen speiset: und Christus selbst ist dieses Leben. Die Keime seiner Worte ruhen aber als fruchtbare Saatkörner in der Seele; und so entsteigt sie in dem Worte sich selbst. Die Seele aber, welche aus der Knechtschaft der Welt hervorgeht und über das Leibesleben sich erhebt, — diese Seele folgt auch dem Worte.

      6. Wie wir den Fesseln der Welt entgehen können.

      22. Es gibt aber mächtige Gewalten, welche uns von der Höhe unserer Seelenmauer herabstoßen wollen. Gewalten, die nach den Worten des Apostels in der Luft wie auf der Erde sind: sie suchen uns zu hindern, wenn wir geraden Weges fortgehen; wollen wir dem Himmlischen zustreben, so möchten sie uns herabziehen und an die Erde fesseln. Um so viel mehr müssen wir unseren Geist auf das Himmlische richten und dem ewigen Worte folgen. Jene Mächte überschütten uns mit weltlichen Sorgen, um uns vom rechten Wege abzulenken: wir aber sollen dann um so entschiedener unsere Schritte zu Christus hinwenden. Jene Mächte werfen in deine Seele die ungezügelte Begier nach Gold, Silber und fremdem Besitzthum, damit du dich unter dem Vorwande, jenes erwerben zu müssen, von der Theilnahme an dem Hochzeitsmahle des Sohnes Gottes entschuldigen möchtest. Hüte du dich aber vor solcher Entschuldigung; ziehe vielmehr das hochzeitliche Gewand an und nimm Theil an dem Gastmahle des himmlischen Königs! Es könnte sonst auch dir begegnen, daß der Herr dich ausschlöße und für dich, während du weltlichen Sorgen hingegeben bist, Andere einladet. Auch das ungebührliche Streben nach Ehre legen jene Mächte der Welt in die Seele, damit du dich erhebest wie Adam und so, während du Gott gleich sein willst in der Fülle seiner Macht, die göttlichen Gebote verachtest. Damit würdest du dann auch diejenigen göttlichen Gaben, welche du wirklich besitzest, verlieren, nach dem Worte der Schrift: „Wer Nichts gewann, Dem wird auch Das, was er hatte, genommen.“

      23. Wie oft überfluthet uns nicht im Gebete, während wir doch Gott nahe sind, Schmachvolles und Sündhaftes, um uns vom Eifer der Andacht abzuhalten! Wie oft wagt der Feind der Seelen uns Gedanken einzuflößen, um uns von heiligen Entschlüssen und frommen Vorsätzen abwendig zu machen! Wie oft entflammt er nicht fleischliche Begierden! Wie oft läßt er unsere Augen Unkeusches erblicken, wodurch der keusche Sinn des Frommen versucht wird, um ihn unvorbereitet durch das Geschoß sündhafter Liebe zu verwunden! Wie oft wird nicht in deinem Herzen ein ungerecht begehrlich Wort laut, so daß schlummernde Gedanken der Ungerechtigkeit lebendig werden! Davon sagt das Gesetz: „Hüte dich, daß nicht etwa ein verborgener Gedanke der Ungerechtigkeit in dir sich rege.“ 24 Dann würde der Herr dir sagen: „Was denkst du Böses in deinem Herzen?“ Oder kannst du von dem Reichthume an Gold, Silber und Ackergütern, wie auch von den Ehren, deren du dich erfreust, sagen: Meine eigene Kraft hat mir dieses Alles erworben, — so daß du dann des Herrn, deines Gottes, vergeben dürftest?

      24. Durch solche Belästigungen wird die Seele, während sie ihren Flug zum Himmel richten möchte, niedergezogen. Du aber sollst als ein guter Streiter Christi kämpfen, das Irdische mißachten und vergessen, zum Himmlischen und Ewigen dich erheben. So laß denn deine Seele in der Höhe bleiben, damit sie nicht durch die Lockspeise der Welt verführt werde. Die Lüste der Welt sind solche böse, gefährliche Lockspeisen; wenn du sie suchst, wirst du den Fallstricken nicht entgehen. Der Blick der Buhlerin ist eine Fessel für Den, der ihr ergeben ist. Mehr noch gilt Das von der süßen Schmeichelrede, die im ersten Augenblicke dich mit Wonne erfüllt, nachher aber alle Bitterkeit des sündhaften, schuldbeladenen Gewissens zu kosten gibt. Ein Fallstrick ist auch der Besitz fremden Gutes, wie voll der Annehmlichkeit dasselbe auch sein mag. Kurz jeder Weg, den unser Leben zieht, ist mit Fallstricken belegt. Darum sagt der Gerechte: „Auf dem Wege, auf welchem ich wandelte, verbargen sie mir Schlingen;“ 25 daraus sollst du lernen, daß du Dem folgen mußt, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ 26 Dann kannst du sagen mit dem Psalmisten: „Der Herr hat meine Seele bekehrt; er hat mich auf die Wege der Gerechtigkeit geführt um seines Namens willen.“ 27

      25. So soll uns denn die Welt sterben; sterben soll uns die fleischliche Klugheit dieser Welt, weil sie Gott widerstrebt. Christus allein soll unsere Seele gehören, so daß wir sagen können: „Soll etwa meine Seele nicht Gott unterworfen sein?“ 28 Der Psalmist sagt damit, daß die Seele der Welt oder irdischem Gute nicht unterworfen sein sollte. Jemand, der habsüchtig


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