Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi. Mari Jungstedt

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Näher als du denkst - Ein Schweden-Krimi - Mari  Jungstedt


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fünf Personen gesichert. Außerdem war auch die Wohnung durchsucht worden.«

      Die Bilder von Dahlströms verwüsteter Wohnung sprachen eine deutliche Sprache, dort war wirklich das Unterste zuoberst gekehrt worden.

      »Dahlström muss zu Hause etwas Wertvolles aufbewahrt haben, was immer das sein mag«, sagte Knutas. »Ein Alkoholiker, der von Sozialhilfe lebt, kann doch kaum besondere Wertgegenstände besitzen. Habt ihr seine Kamera gefunden?«

      »Nein.«

      Wieder schaute Sohlman auf die Uhr. Er schien unbedingt wegzuwollen.

      »Du hast gesagt, dass ihr im Keller eine Kippe gefunden habt. Kann der Mörder vor der Dunkelkammer auf Dahlström gewartet haben?«, fragte Karin.

      »Sehr gut möglich.«

      Sohlman bat um Entschuldigung und verließ das Zimmer.

      »In dem Fall wusste der Täter, dass Dahlström sich in der Dunkelkammer aufhielt«, fuhr Karin fort. »Er kann stundenlang im Treppenhaus gewartet haben. Was sagen die Nachbarn?«

      Knutas blätterte in den Vernehmungsprotokollen.

      »Die Befragung der Nachbarschaft hat bis gestern Nacht angedauert. Wir haben noch nicht alle Protokolle, aber die Nachbarn aus demselben Treppenhaus bestätigen, dass am vorigen Sonntag in Dahlströms Wohnung gefeiert worden ist. Gegen neun ist eine ganze Bande ins Haus gestolpert. Ein Nachbar hat sie gesehen und nimmt an, dass sie von der Trabrennbahn kamen, das hat er ihren Kommentaren über allerlei Pferde entnommen.«

      »Ja, sicher, am Sonntag war ja das letzte Rennen der Saison«, sagte Karin.

      Knutas schaute von seinen Papieren auf. »Ach, wirklich? Ja, die Trabrennbahn liegt nicht so weit entfernt, sie können also gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad von dort gekommen sein. Na, egal, in der Wohnung war also der Bär los, behaupten die Nachbarn. Es wurde gezecht und gelärmt, und Männer- und Frauenstimmen waren zu hören.

      Die Frau aus der Nachbarwohnung hat ausgesagt, dass der Mann, bei dem es sich vermutlich um Bengt Johnsson handelt, zuerst bei ihr geklingelt hat und wissen wollte, ob sie Dahlström gesehen habe. Sie hat ihn dann an den Hausmeister verwiesen.«

      »Entspricht die Beschreibung, die sie von diesem Mann gegeben hat, der des Hausmeisters?«, fragte Norrby.

      »Mehr oder weniger. Übergewichtiger Mann, jünger als Dahlström, um die fünfzig, nimmt sie an. Schnurrbart und nach hinten gekämmtes dunkles, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar, richtige Landstreicherfrisur, wie sie das ausgedrückt hat. Schlampig angezogen, das waren ebenfalls ihre Worte.«

      Knutas lächelte.

      »Er trug eine blaue Fleecejacke, schmutzige, weite Jeans, und sein Bauch hing über den Gürtel. Sie hat ihn erkannt, weil sie ihn einige Male mit Dahlström zusammen gesehen hatte.«

      »Alle scheinen Henry Dahlström zu kennen, aber was wissen wir eigentlich über ihn?«, fragte Wittberg.

      »Er trinkt schon seit vielen Jahren«, erwiderte Karin. »Meistens saß er mit seinen Kumpels an der Bushaltestelle oder im Östercentrum. Und im Sommer natürlich in Östergravar. Geschieden, keine Arbeit. War schon seit über fünfzehn Jahren Frührentner, wirkte aber nicht völlig heruntergekommen. Er hat rechtzeitig Miete und Rechnungen bezahlt und fiel nicht weiter auf, sagen die Nachbarn. Abgesehen von den Festen ab und zu. Ansonsten sei er sehr friedlich gewesen und hätte Streitigkeiten gemieden. Offenbar hat seine Liebe zur Fotografie ihn am Leben erhalten. Im vergangenen Sommer habe ich ihn einmal gesehen, als ich mit dem Rad zur Arbeit gefahren bin. Damals nahm er gerade bei Gutavallen eine Blume auf.«

      »Was wissen wir sonst noch über seinen Hintergrund?« Wittberg schielte zu Karins Unterlagen hinüber.

      »Er wurde in Visby geboren«, sagte Karin, »und ist auch dort aufgewachsen. Hat 1965 eine Frau aus Visby geheiratet, Ann-Sofie Nilsson. Sie bekamen 1967 eine Tochter, Pia. Wurden 1986 geschieden.«

      »Na gut, wir werden heute noch mehr über ihn erfahren«, sagte Knutas. »Und dann müssen wir uns auf die Suche nach Bengt Johnsson machen.«

      Er schaute aus dem Fenster.

      »Da es regnet, sitzen die Knaben sicher in der Passage beim Domus-Supermarkt. Beginnen wir also da. Wittberg?«

      »Das können Karin und ich übernehmen.«

      Knutas nickte.

      »Ich habe angefangen, die Vernehmungsprotokolle der Nachbarn zusammenzustellen und durchzugehen, damit wollte ich weitermachen«, sagte Norrby. »Zwei würde ich gern noch einmal befragen.«

      »Das klingt gut«, sagte Knutas und wandte sich dem Oberstaatsanwalt zu. »Birger, hast du noch etwas hinzuzufügen?«

      »Nein. Halt mich einfach auf dem Laufenden, dann bin ich zufrieden.«

      »Alles klar, also machen wir jetzt Schluss. Wir sehen uns heute Nachmittag. Sagen wir, gegen drei?«

      Nach der Besprechung schloss Knutas sich in seinem Zimmer ein. Sein neues Büro war doppelt so groß wie das alte. Peinlich groß, wie er manchmal dachte. Die Wände waren in einem hellen Farbton gestrichen, der ihn an den Badestrand Tofta im Sonnenschein erinnerte.

      Die Aussicht war dieselbe wie die aus dem Besprechungsraum nebenan: der Parkplatz beim Östercentrum und dahinter Stadtmauer und Meer.

      Am Fenster stand eine kräftige weiße Pelargonie, die erst kürzlich für dieses Jahr zu blühen aufgehört hatte. Ein Geburtstagsgeschenk von Karin. Er hatte sie aus seinem früheren Zimmer mitgebracht, zusammen mit seinem geliebten alten Schreibtischsessel aus Eiche mit dem weichen Ledersitz.

      Er stopfte sich sorgfältig die Pfeife. Seine Gedanken wanderten zu Henry Dahlströms Dunkelkammer und dem Anblick, der sich ihnen dort geboten hatte. Als er an den zertrümmerten Schädel dachte, schauderte ihm.

      Alles wies auf einen Streit im Suff hin, der ausgeartet war und ein ungewöhnlich brutales Ende genommen hatte. Dahlström war vermutlich mit einem Kumpel in die Dunkelkammer gegangen, um ihm Bilder zu zeigen, und dann waren sie aus irgendeinem Grund aneinander geraten. Die meisten Fälle von schwerer Körperverletzung hatten eine derartige Ursache, und jedes Jahr fanden in Alkoholikerkreisen im Durchschnitt zwei Morde statt.

      Knutas durchsuchte seine Erinnerungen nach Henry Dahlström.

      Als Knutas vor fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei angefangen hatte, war Dahlström bereits ein bekannter Fotograf. Er arbeitete für Gotlands Tidningar und gehörte auf der Insel zu den Besten seines Fachs. Knutas war damals bei der Ordnungspolizei gewesen und Streife gelaufen. Sobald etwas Interessantes passierte, war Dahlström oft mit seiner Kamera aufgetaucht. Wenn Knutas und er sich bisweilen bei privaten Anlässen begegneten, hatten sie immer ein wenig miteinander geplaudert. Dahlström war ein sympathischer Mensch mit einer großen Portion Humor, auch wenn er gern zu tief ins Glas schaute. Es kam vor, dass Knutas ihn sternhagelvoll aus einer Kneipe kommen sah. Einige Male hatte er ihn auch mit dem Auto mitgenommen, wenn der Mann zu betrunken erschien, um allein nach Hause zu kommen. Damals war Dahlström noch verheiratet. Nachdem er bei der Zeitung aufgehört und sich selbstständig gemacht hatte, schien sein Schnapskonsum weiter gewachsen zu sein.

      Einmal hatte Knutas ihn in der Kirchenruine Sankta Klara aus dem dreizehnten Jahrhundert aufgegabelt, die mitten auf dem Marktplatz von Visby steht. Dahlström lag schlafend auf einer schmalen Treppe, als er von einer erschrockenen Reisegruppe aus den USA und deren Fremdenführer entdeckt wurde.

      Ein andermal war er frech ins Restaurant Lindgården in der Strandgatan marschiert und hatte ein Festmahl mit fünf Gängen samt Wein, Bier, Schnaps und Cognac bestellt. Danach hatte er um eine Zigarre gebeten, Import aus Havanna, und sie bei einem weiteren Digestif genossen. Als am Ende die Rechnung präsentiert wurde, hatte er einfach erklärt, leider nicht bezahlen zu können, da es ihm an Bargeld fehle. Die Polizei wurde gerufen und nahm den satten und beschwipsten Mann in Arrest, aus dem er dann einige Stunden später wieder entlassen wurde. Dahlström hatte sicher gefunden, das sei es wert gewesen.

      Dahlströms Frau


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