Perry Rhodan Neo 247: Die Welt jenseits der Zeit. Kai Hirdt

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Perry Rhodan Neo 247: Die Welt jenseits der Zeit - Kai Hirdt


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      »Das ist Oriel«, stellte NATHAN ihn vor.

      Oriel war unverkennbar ein Posbi. Seine Zellplasmaleitungen lagen teils offen – ein ungewöhnliches Design. Normalerweise schützten die positronisch-biologischen Maschinen den organischen Teil ihrer oft bizarr geformten Körper tief im Innern.

      Nicht so Oriel. Sein Korpus bestand aus zwei schlichten geometrischen Formen, zwei identischen Kegeln, die an ihren Spitzen aufeinanderstanden. Darüber zog sich ein Aderngeflecht, durch welches das Plasma strömte. Sechs lange dünne Arme, kleinfingerdicke Stahltrossen, hingen vom Rand des oberen Kegels herab. Jessica sah sie im gleißenden Licht blitzen und schlenkern.

      Ein breiter, metallener Steg führte rings um die Einfassung des Brunnens. Oriel umrundete die schwarze Fläche im Uhrzeigersinn. Jessica musste den Kopf immer weiter in den Nacken legen, um zu ihm emporzuschauen. Sie fühlte sich nicht akut bedroht, obwohl sie nicht verstand, warum NATHAN den Roboter zu ihr geschickt hatte.

      »Oriel kann nicht sprechen«, erläuterte NATHAN, »jedenfalls nicht in einer für Menschen verständlichen Weise. Er bittet mich daher, Ihnen auszurichten, dass Sie seinetwegen keine Schuldgefühle haben sollen. Er wusste, was von ihm erwartet wird.«

      Oriel schwebte an Jessica vorbei, ohne sie zu beachten, und drehte eine weitere Runde.

      »Er glaubt«, fuhr NATHAN fort, »dass etwas von ihm bleibt, solange man sich an ihn erinnert. Das ist seine Bitte: Ehren Sie sein Angedenken.«

      Was redet der da?, erklang Hondros Gedankenstimme. Finde heraus, was das ... Halte ihn auf!

      Er verstand es im selben Moment wie sie. Jessica Tekener wusste noch immer nicht, ob Iratio Hondros so lebensecht wirkende Mentalstimme lediglich ein Ausdruck der umfangreichen posthypnotischen Befehle war, die er tief in ihrem Verstand verankert hatte – oder ob Hondro mittlerweile leibhaftig irgendwo in der Nähe war und sie mittels seiner mysteriösen, vom Dunkelleben ermöglichten Kräfte und seiner Technosporen in Echtzeit steuerte. Vielleicht hatte sich aus der andauernden Manipulation auch eine Form von Schizophrenie entwickelt. Ob die Stimme tatsächlich Hondro gehörte oder nur in ihrem eigenen Kopf entstand, konnte sie selbst ohnehin nicht beurteilen.

      Die Forderung allerdings war ultimativ. Halte ihn auf!, befahl Hondro. Halte ihn irgendwie auf!

      Jessica rannte der lebenden Maschine hinterher, drängte sich zwischen den Posbi und das Schwarz des Zeitbrunnens. Sie trommelte mit den Fäusten auf den Metallkorpus ein, stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen.

      Oriel konnte jederzeit einen Tentakelarm um ihren Hals schlingen und ihr mit einem Ruck das Genick brechen, vielleicht sogar den Kopf abtrennen. Doch Jessica schützte sich nicht. Sie versuchte stattdessen mit allen Mitteln, die Maschine irgendwie aufzuhalten, die sich ungerührt weiter an den Zeitbrunnen heranschob.

      »Falls es Ihnen möglich ist«, empfahl NATHAN, »sollten Sie beiseitetreten. Ein Sturz in den Brunnen ist tödlich.«

      Ihre Verzweiflung und Verbitterung brach sich in einem gehässigen Lachen Bahn. »Es ist mir nicht möglich. Er zwingt mich dazu.«

      »Das habe ich befürchtet.« NATHAN klang mitfühlend, befahl Oriel aber nicht zurück.

      Der Posbi war einmal rings durch den Raum gegangen, die Technosporen hatten sich gierig auf ihn gestürzt und infiltrierten nun seine positronische Komponente. Bald würde Hondro die Kontrolle über den Roboter haben – doch zuvor würde sich Oriel opfern. Er würde sich in das unerklärliche schwarze Phänomen stürzen und aus einem Gegenportal auf irgendeiner anderen Welt irgendwo im Universum wieder herauskommen. Seine organische Komponente würde die Raum-Zeit-Passage nicht überleben, und die Technosporen wahrscheinlich auch nicht. Selbst wenn doch, wären sie nicht mehr an einem Ort, wo sie Hondro etwas nützten.

      Halte ihn auf, erklang die Stimme in ihrem Geist. Nur noch ein bisschen! Wenn ich ihn beherrsche, kann ich ihm sein Opfer verbieten!

      Sie mobilisierte Kräfte, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß. Die Absätze ihrer Stiefel fanden Halt in den Gitterstegen. Die Muskeln ihrer Schenkel zitterten, als sie sich gegen die Maschine stemmte und sie millimeterweise zurückzwang.

      Dann zerbrach Oriel einfach.

      Jessica stürzte, als der Widerstand plötzlich schwand. Oriels untere Hälfte rollte zurück, die obere flog in die andere Richtung: über sie hinweg, in den Zeitbrunnen hinein. Der schwere Metallkegel wirbelte dabei umher wie ein Blatt im Wind. Jessica spürte den Sturm ebenfalls – wie Bordluft, die im Weltraum durch ein Leck im Raumschiffsrumpf ins Vakuum strömte. Diesmal war die Sogquelle die Schwärze des Brunnens.

      Der Sturm riss sie mit. Einmal war sie bereits in einen Zeitbrunnen gestürzt. Sie hatte überlebt, wenngleich niemand erklären konnte, warum. Sie wollte sich nicht darauf verlassen, dass ihr das ein zweites Mal gelang.

      Sie schlug um sich, versuchte hektisch, sich ins Gitter des Stegs zu krallen. Doch sie war schon zu schnell, ihre Finger glitten über das Metall, ohne Halt zu finden. Da schoss aus Oriels Unterkörper ein bislang verborgenes Stahlband auf sie zu. Es wickelte sich nicht um ihren Hals, sondern um ihre Hüfte, und bremste sie mit einem beherzten und schmerzhaften Ruck. Ihre Stiefelspitzen waren nur noch Zentimeter vom Brunnenrand entfernt.

      »Danke«, sagte sie.

      »Er kann Sie nicht mehr hören.« NATHANS holografischer Avatar, die leuchtenden platonischen Körper, erschienen wieder. »Der Teil von Oriel, der seine Individualität ausgemacht hat, ist zerstört. Dies war ein automatisches Rettungsprogramm.«

      Tut mir leid, dachte Jessica voll Häme. Deine Sporen sind wohl hinüber.

      Als Strafe schlug sie sich selbst ins Gesicht, mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte. Ihre Handfläche traf die Wange ungebremst. Ein brennender Schmerz loderte auf.

      Nur ein Rückschlag, informierte Hondro sie, nun wieder völlig ruhig nach dem Augenblick unbändiger Wut. Die reingeschmuggelten Sporen sind weg, aber du selbst trägst noch ein paar in dir. Sie benötigen nur etwas Biomasse zur Vervielfältigung.

      Jessica erschrak, als sie verstand, was das bedeutete – der Nährboden für Hondros zweiten Versuch war ihr eigener Körper! Auf dem Weg in NATHANS Herz war sie mit den Technosporen in Berührung gekommen. Wo befanden sie sich genau? Sie hatte sie eingeatmet, also waren sie definitiv in der Lunge. Und sonst? Herz? Hirn? Blutgefäße? Verdauungstrakt? Welchen Teil von ihr würden sie bei lebendigem Leib auflösen, um sich zu vermehren?

      Panik brandete in ihr auf. Sie wusste, was Hondro nun wollte: dass sie Zeit gewann, NATHAN in Sicherheit wiegte, die Hyperinpotronik dazu brachte, sie möglicherweise sogar aus dem blauen Schutzschirm zu entlassen. Und genau das würde Jessica tun, auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubte.

      »Ich kann einen zweiten Roboter zur medizinischen Versorgung schicken«, bot NATHAN an. »Das war ein heftiger Schlag. Sie haben sich möglicherweise eine Gehirnerschütterung zugefügt.«

      »Nein«, lehnte Jessica ab. »Wenn ich es lindere, wird die nächste Strafe nur noch schlimmer. Aber gegen die Verbrennung an meinem Arm und der Schulter könntest du etwas unternehmen. Hondro wird nicht dulden, dass ich ein Handicap habe, das etwas entschuldigen könnte.«

      »Der Medoroboter ist unterwegs. Ich habe berechnet, welche psychologischen Konsequenzen diese Form der Beeinflussung nach sich ziehen muss«, äußerte die Hyperinpotronik. »Sie haben mein Mitgefühl.«

      Wenn du nicht aufpasst, dachte Jessica, wirst du es bald nicht mehr theoretisch simulieren müssen, sondern selbst erleben. Verzweifelt überlegte sie, wie sie NATHAN warnen konnte. Aber ihr Körper verweigerte den Dienst bei jedem noch so kleinen Impuls oder Fingerzeig, der ihr einfiel.

      Stattdessen plauderte sie und ließ ihre Strahlerverletzung von einem kleinen Medoroboter heilen. Hondro hatte ihr befohlen, Zeit zu schinden, während die Sporen sie innerlich zerfraßen. Also tat sie genau das. »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie. »Nun, da du gewonnen hast?«

      »Die überlebenden Kämpfer von Oberst Quintos Einsatzgruppe dürften bald in unserer Nähe sein«,


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