Flüsterwald - Der verschollene Professor. Andreas Suchanek
Читать онлайн книгу.einem Wark gekämpft hast, kann dich nichts mehr erschrecken.«
Ellas Gesicht wurde bleich. »Du … Angeber.« Sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Jetzt glaube ich dir erst recht kein Wort!«
Endlich erreichten sie die Schule und traten ein. Spätestens hier musste sie ihn in Ruhe lassen, denn Ella ging nicht in seine Klasse. Bedauerlicherweise gab es aber die Pausen, in denen sie ihn immer beobachtete.
Mit einem letzten bösen Blick verschwand sie in ihrem Klassenraum. Lukas eilte die Treppenstufen zu seinem Klassenzimmer hinauf, wo die erste Stunde schon vor fünf Minuten begonnen hatte. Ausgerechnet bei Frau Brock, die hinter ihm gestanden hatte, als er an seinem ersten Schultag mit zwei Klassenkameraden über die Sinnlosigkeit von Mathematik gesprochen hatte.
Sie würde ihm irgendeine Strafarbeit aufgeben und im Lehrerzimmer schlecht von ihm sprechen. So laut natürlich, dass auch sein Pa es mitbekam. Als ob es nicht schon peinlich genug war, dass der hier unterrichtete! Glücklicherweise nur die Parallelklasse, das musste Ella ertragen.
»Augen zu und durch.«
Ein letztes Durchatmen, dann drückte Lukas die Klinke herab. Schweigen schlug ihm entgegen, als er eintrat. Auf den Plätzen seiner Mitschüler lagen Blätter voller Fragen, sie schrieben eifrig. Der Blick von Frau Brock war eisig, ihre Lippen kräuselten sich.
Sie schrieb einen unangekündigten Test!
Das war ganz und gar nicht sein Tag. Schweigend nahm Lukas Platz. Schlimmer konnte es nicht mehr werden.
Der Tag wird schlimmer
Lukas versank in dem großen Ohrensessel. Das Leder des Bezugs war hart und lud nicht dazu ein, hier länger zu sitzen. Als ob er eine Wahl hätte.
Der Test war katastrophal schiefgelaufen, was Frau Brock nur mit einem Das-wundert-mich-nicht-Blick gewürdigt hatte, nachdem sie sein Blatt inspiziert hatte. Das allein wäre schon schlimm genug gewesen, doch da war noch diese Sache aus dem Informatik-Unterricht.
Eigentlich war Lukas davon ausgegangen, dass Herr Rechbit den ›Vorfall‹ auf sich beruhen ließ. Während die anderen Schüler noch nach dem Dokument für die Unterrichtsstunde gesucht hatten, war ihm langweilig geworden. Kurzerhand hatte er sich in die Chat-Software eingeloggt, um mit Micha zu schreiben. Er wusste, dass sein bester Freund zum Zeitpunkt von Lukas’ Informatik-Stunde freihatte. Bedauerlicherweise war Herr Rechbit aus dem toten Winkel aufgetaucht.
Und genau deshalb saß Lukas jetzt vor dem Zimmer des Direktors.
»Du kannst reingehen«, flötete die Sekretärin, die an ihrem Tisch auf die Tastatur des Rechners einhämmerte, als gäbe es kein Morgen.
»Danke.«
Er sprang aus dem Sessel, drückte die messingfarbene Klinke herunter und betrat das Zimmer.
Direktor Arnold thronte hinter einem Schreibtisch, auf dem sich die Bücher stapelten. Zwischen verschiedenfarbigen Aktenmappen stand eine Tasse, die Kaffeeduft verströmte.
»Lukas Lamprecht.« Er deutete auf den Stuhl vor dem Tisch. »Nimm Platz.«
Die Worte wogen schwer und am liebsten hätte Lukas auf dem Absatz kehrtgemacht, um zu flüchten.
»Direktor Arnold«, krächzte er stattdessen.
Schritt für Schritt näherte sich Lukas ›dem Stuhl‹. Einige Schüler hatten bereits darauf gesessen und ihre mitleidigen Blicke hatten ihn auf dem Weg zum Direktorat verfolgt.
Er nahm Platz.
»Lukas, ich hatte heute ein wirklich ernstes Gespräch.« Mit einer schwungvollen Bewegung setzte der Direktor seine Unterschrift unter ein Formular und wandte sich dann gänzlich ihm zu.
»Das tut mir leid«, erwiderte Lukas.
Seltsamerweise schmunzelte Direktor Arnold daraufhin, was kleine Lachfältchen hervortreten ließ. Mit einem Mal war die Situation nicht mehr ganz so bedrückend.
»Es freut mich, dass du das so siehst. Kannst du dir denn denken, worum es in dem Gespräch ging?«
»Der Chat?«
»In der Tat.«
Direktor Arnold faltete die Hände ineinander. Sein schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen, der Vollbart gepflegt. Irgendwie konnte Lukas nicht festmachen, ob vor ihm ein freundlicher Großvater oder ein Scharfrichter saß. Vermutlich eine Mischung aus beidem.
»Ich verstehe, dass du deinen besten Freund vermisst, so ein Umzug ist niemals leicht.« Herr Arnold nahm einen Schluck aus der Tasse.
Bei diesen Worten begriff Lukas, dass der Direktor mit seinem Vater über ihn gesprochen haben musste. Woher wusste er sonst, dass Micha sein bester Freund war?
»Es hat eine emotional aufwühlende Wirkung auf mich«, sagte er einen Satz, den seine Mutter öfter anbrachte, wenn sie mit einer Situation unzufrieden war.
Der Direktor stieß einen kurzen Lacher aus und da er die Tasse noch in der Hand hielt, verteilte er Kaffeespritzer über die Akten. Schnell stellte er die Tasse auf den Untersetzer. Mit einem Taschentuch wischte er die Flecken weg.
»Du wirst natürlich verstehen, dass auch Herr Rechbit ›emotional aufgewühlt‹ ist. Schließlich gibt er sich sehr viel Mühe, seinen Unterricht vorzubereiten. Und er hat meines Wissens am Anfang der Stunde klargemacht, dass das Internet tabu ist.«
Ja, Lukas konnte sich erinnern, dass diese Worte gefallen waren. Das Internet durfte nur genutzt werden, wenn Herr Rechbit eine bestimmte Website mit ihnen aufrufen wollte.
»Schon«, gab er zu.
»Ich habe über diese Sache mit deinem Vater gesprochen und vermutlich wird er seine Meinung dazu heute zu Hause deutlich machen.« Der Direktor mischte seinem Blick eine wohldosierte Härte bei.
Ein guter Trick, doch mittlerweile war Lukas’ Angst gewichen. Direktor Arnold mochte sich hart geben, aber da war auch ein sympathisches Funkeln in seinen Augen.
»Wie, denkst du, sollte deine Strafe aussehen?«
Lukas hatte geahnt, dass diese Frage kommen würde. Jetzt galt es, gut zu verhandeln. Wenn seine Antwort zu mild ausfiel, würde Herr Arnold ihm etwas anderes aufbrummen. Zu schwer kam natürlich auch nicht infrage.
»Ein Aufsatz«, schlug er vor. »Über … die Gefahren des Internet?« An seiner alten Schule hatte er den bereits geschrieben, er musste ihn nur ausdrucken und abgeben. »Bis morgen.«
»Eine ausgezeichnete Idee.« Direktor Arnold nickte. »Sieht man davon ab, dass in deiner Schulakte alle Themen aufgelistet sind, zu denen du in der alten Schule bereits etwas angefertigt hast.«
Er hatte den Direktor unterschätzt. Und seinen Vater, der bestimmt bereitwillig jedes Thema verraten hatte. »Ähm.«
»Dieser eloquent formulierten Antwort entnehme ich, dass du das Problem erkannt hast.« Der Direktor lächelte, doch dieses Mal erreichte es nicht seine Augen.
Lukas beschloss, das Wort ›eloquent‹ später nachzuschlagen.
Herr Arnold wartete schweigend, was sich als überaus unangenehme Taktik erwies. Mittlerweile brannten Lukas’ Wangen. War es schon immer so heiß hier drin gewesen?
»Theater-AG«, sagte der Direktor dann.
Was ein Scherz sein musste.
»Ich kann kein Theater spielen«, sagte Lukas schnell.
»Deshalb wirst du es dort auch lernen.«
»Aber das geht nicht.«
»Weil?«
»Ich