Kursbuch 204. Группа авторов

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Anbau von Pflanzen – weder für Tier noch Mensch. »Wir machen Protein quasi aus dem Nichts«, so Rizk. Wobei seine Vision keine Welt ganz ohne Rinder, Schweine und Hühner ist. Er selbst isst ab und zu Fleisch. »Zweimal die Woche ist das auch okay, nur an den anderen fünf Tagen sollte es etwas anderes sein.« Um Menschen zu überzeugen, müsse aber vor allem der Geschmack stimmen, er entscheide letztlich darüber, ob Kunden das Produkt kaufen. »Nachhaltigkeit kommt immer erst an zweiter Stelle.«

      Gunther Hirschfelder ist Kulturanthropologe und Agrarexperte. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit Essen und Trends. Das Engagement von jungen Unternehmen nennt er mitunter »symbolische Markierung«: Ich nehme wahr, dass es ein Riesenproblem gibt, und das hier ist meine Antwort darauf. Hirschfelder ist weit davon entfernt, zu werten. »Es ist die Aufgabe von Start-ups, den Markt zu sondieren und mithilfe von Kapital Ideen auszuprobieren – auch wenn dann nur ein Bruchteil das Zeug dazu hat, unsere Ernährung wirklich nachhaltig zu beeinflussen.« Vor allem die technologischen Lösungen haben nach Hirschfelder die Chance, eine rasante Entwicklung hinzulegen – »es ist der Trend schlechthin, die Folie, auf der alles andere passieren wird«. Vermutlich nur in einem größeren Maßstab.

      Seit vergangenem Jahr sitzt Hirschfelder als Berater im Innovationsraum NewFoodSystem, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung sowie dem Max Rubner-Institut (MRI) ins Leben gerufen hat. Die Akteure sind sich einig: Um die Versorgung mit Lebensmitteln auch in Zukunft sicherstellen zu können, müsse jetzt in die Grundlagenforschung investiert und die Landwirtschaft von Boden, Wetter und Klima entkoppelt werden. Stillgelegte Salzbergwerke sind denkbar, so Hirschfelder, in denen nicht nur Getreide, Gemüse und Obst rund ums Jahr gedeihen, sondern auch Fische und alternative Proteinquellen gezüchtet werden. Das Ganze zusammengedacht als effizienter Stoffkreislauf, ohne Abfall, CO2-neutral und sicher.

      Auch wenn die Ideen nicht taufrisch sind, die Kombination aus Fisch und Pflanzenzucht geisterte unter dem Namen »Tomatenfisch« schon vor sechs Jahren durch die Presse, erntet Hirschfelder auf solche Visionen Stirnrunzeln. Das werde sich aber ändern. »Die technikkritische 68er-Generation, die die Innovationsfeindlichkeit quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat, tritt langsam ab und räumt die Posten für eine technikaffinere Generation.« Corona gebe dieser Entwicklung einen zusätzlichen Schub, »weil wir sehen, nur Hochtechnologie – nichts anderes ist Impfen – wird uns vor einer Katastrophe und einem Leben mit tiefen Einschnitten bewahren.«

      Auf seinem Blog hat sich Kägi vor zwei Jahren über Foodtrends ziemlich ausgelassen. Der Titel: »Fuck the trends!« So scharf würde er es heute nicht mehr formulieren. Nur: Was ist neu an Ethnofood? »Wird in den entsprechenden Ländern schon immer gekocht und schwappt dann als grottenlangweiliger Abklatsch zu uns. Kantinentauglich.« Oder an vegetarisch? »Vor allem in Indien, aber auch in anderen Ländern und Regionen, ernähren sich Hunderte Millionen Menschen schon immer ohne Fleisch.« Oder an lokal, regional? »War bis vor 150 Jahren so normal wie heute peruanischer Spargel im Weihnachtsmenü. Gewürz war das Einzige aus fernen Ländern, aber auch nur getrocknet und teuer wie Kronjuwelen.« So sinnvoll der Einkauf regionaler Produkte auch sein mag, für Kägi macht er nur Sinn, »wenn die Produkte auf Wochenmärkten direkt beim Produzenten eingekauft werden. Im Handel versickert ein großer Teil der Frische in Logistik und aufwendiger Verpackung.« Zudem verstünden Kunden nicht, dass regional und naturnah produziert immer auch strikt saisonal bedeutet – »das wollen die allermeisten dann doch nicht«.

      Überhaupt, auch wenn sich viele Schweizer für Foodtrends und Foodinnovationen interessieren: »80 Prozent kaufen dieselben Lebensmittel ein wie vor 30 Jahren«, sagt Kägi. »Unter die zehn beliebtesten Gerichte konnte sich neben Schnipo, Cordon bleu, Burger und Spaghetti Bolo als einzige Exotin gerade mal das grüne Thai Curry schleichen.« In Deutschland sieht es nicht viel anders aus. Menschen sind Gewohnheitsesser und als Kunden markentreu. In Krisenzeiten sowieso. Während des ersten Lockdowns feierten die Dosenravioli von Maggi ein rauschendes Comeback, das Werk in Singen musste Sonderschichten fahren.

      Holycrab-Gründer Lukas Bosch steigt an dieser Stelle aus. Zu oft hat er die Diskussion geführt. Zu schnell driftet sie ab. Nimmt gewollt oder ungewollt Wind aus den Segeln. Junge Menschen, zumeist aus den Großstädten der Republik, besetzen Themen, bauen ein Business möglichst nachhaltig auf, bieten Alternativen an – und dann kommt der Satz: Tolle Idee, tolles Produkt, können sich jedoch nur bestimmte Leute leisten. »Innovationen entstehen immer aus der Nische heraus«, so Bosch, »und sind nie gleich zu Anfang in allen Belangen perfekt und für


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