50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
Читать онлайн книгу.bedankt hatte, blieb er im stillen doch fest bei seiner Meinung und gab, als er wieder daheim war, seinen Abschied schriftlich ein, der ihm denn auch schließlich in Gnaden erteilt wurde. Seitdem sitzt er, wenn nicht Gäste kommen, einsam auf seiner Burg Rodenstein.«
»Auf seiner Burg Rodenstein?«
»Ja, man darf es so nennen. Jedenfalls nennt er es selber so. Seine Burg Rodenstein aber ist nichts weiter als ein wundervoll auf einem Felsen gelegenes Gasthaus, darin er als ›Rodensteiner‹ haust und wie sein berühmter Namensvetter unter allen Umständen einen guten Trunk und, wenn gewünscht, auch die besten Schmerlen auf den Tisch bringt. Und das ist das Schmerlenland, von dem ich Ihnen sprach: Altenbrak und sein Präzeptor, Burg Rodenstein und der Rodensteiner.«
»Und da müssen wir hin«, sagte Gordon, und Cécile klatschte zustimmend in die Hände. »Da müssen wir hin, um die Streitfrage zwischen Forellen und Schmerlen ein für allemal entscheiden zu können.«
»Und der Herr Emeritus übernimmt die Führung. Er hat bereits zugestimmt. Und auch Herr Eginhard… Oh, Pardon… «
»Aus dem Grunde.«
»Und auch Herr Eginhard Aus dem Grunde«, wiederholte Gordon, während er sich gegen den Privatgelehrten verneigte, »wird uns begleiten. Nicht wahr?«
Kapitel Siebzig
Die Partie nach Altenbrak war für den andern Morgen verabredet, aber bis dahin war noch eine lange Zeit, und als man aus dem Saal in den Korridor trat, wurde mehrfach die Frage laut, was bei der schwebenden Hitze mit dem »angebrochenen« Nachmittage zu machen sei. Der Privatgelehrte schlug eine Promenade durch das Bodetal vor, drang aber nicht durch.
»Nur nicht Bodetal«, sagte Gordon. »Oder gar dieser ewige Waldkater! Das reine Landhaus an der Heerstraße mit einer Mischluft von Küchenabguß und Pferdeställen. Überall Menschen und Butterpapiere, Krüppel und Ziehharmonika. Nein, nein, ich proponiere Lindenberg.«
»Lindenberg«, entschied St. Arnaud, und Cécile zeigte sich bereit, die Promenade sofort zu beginnen.
»Du solltest dich erst ruhen«, sagte der Oberst. »Es ist heiß, und der Weg wird dich ermüden.«
Aber die schöne Frau, die regelmäßig andern Sinnes war, wenn St. Arnaud auf ihr Ruhebedürfnis oder gar auf ihre Schwächezustände hinwies, widersprach auch diesmal und versicherte, während sie sich gegen den Privatgelehrten, um dessen Begleitung sie schon vorher gebeten hatte, verneigte: »bei gutem Gespräche noch niemals müde geworden zu sein.«
Ein Verklärungsschimmer ging über Eginhard, der, bei seinem Hange zu generalisieren, sofort auch Betrachtungen über die Superiorität aristokratischer Lebens- und Bildungsformen anstellte. Zugleich war er fest entschlossen, sich eines so schmeichelhaft in ihn gesetzten Vertrauens würdig zu zeigen, war aber nicht glücklich damit, wie sich gleich bei seinem ersten Versuche herausstellen sollte.
»Miquelscher Privatbesitz, meine Gnädigste«, hob er an, während er auf eine noch innerhalb der Dorfstraße gelegene, von einem herrschaftlichen Garten umgebene Villa zeigte.
»Wessen?« fragte Cécile.
»Doktor Miquels. Ehedem Bürgermeister von Osnabrück, jetzt Oberbürgermeister zu Frankfurt.«
»An der Oder?«
»Nein; am Main.«
»Aber was konnte diesen Herrn veranlassen, von so landschaftlich bevorzugter Stelle her, gerade hier sich anzukaufen und in diesem einfachen Harzdorfe seine Sommerfrische zu nehmen?«
»Eine wohl aufzuwerfende Frage, deren einzig mögliche Beantwortung mir in der Deutschkaiserlichkeit des Doktor Miquel zu liegen scheint, ein Wort, das, trotz seiner sprachlichen Anfechtbarkeit, den Gedanken genau wiedergibt, den ich Ihnen, meine gnädigste Frau, des ausführlicheren unterbreiten möchte. Darf ich es?«
»Ich bitte recht sehr darum.«
»Nun denn, es darf als historische Tatsache gelten, daß wir Männer besaßen und noch besitzen, in denen das Kaisertum bereits mächtig lebte, bevor es noch da war. Es waren das die Propheten, die jeder großen Erscheinung vorauszugehen pflegen, die Propheten und Täufer.«
»Und zu diesen zählen Sie… «
»Vor allem auch Doktor Miquel von Frankfurt. In der Tat, er war unter denen, in deren Brust der Kaisergedanke von Jugend auf nach Verwirklichung rang. Aber wo war diesem Gedanken am besten eine Verwirklichung zu geben? Wo durft er am ehesten Nahrung finden und Förderung erwarten? Und auf diese Fragen, meine gnädigste Frau, gibt es nur eine Antwort: hier. Denn hier, an dieser gesegneten Harzstelle, predigt alles Kaisertum und Kaiserherrlichkeit. Ich spreche nicht von dem ewigen Kyffhäuser, der ohnehin schon halb thüringisch ist, aber speziell hier, am harzischen Nordrande, gibt jeder Fußbreit Erde wenigstens einen Kaiser heraus. In der Quedlinburger Abteikirche, die Sie, wie mir zu meiner Freude bekannt geworden, durch Ihren Besuch beehrt haben, ruht der erste große Sachsenkaiser, im Magdeburger Dome der noch größere zweite. Sie mit Namen zu behelligen, meine gnädigste Frau, kann mir nicht einfallen. Aber ich bitte Tatsachen geben zu dürfen. In Harzburg, auf der Burgberg-Höhe (deren Besteigung ich Ihnen empfehlen möchte; Sie finden Esel am Fuße des Berges) stand die Lieblingsburg des zu Canossa gedemütigten Heinrich, und zu Goslar, in verhältnismäßiger Nähe jener Burgberg-Höhe, haben wir bis diese Stunde die große Kaiserpfalz, die die mächtigsten Herrschergeschlechter, die Träger des ghibellinischen Gedankens in schon vorghibellinischer Zeit, in ihrer Mitte sah. Also Kaiser-Erinnerungen auf Schritt und Tritt. Und hierin, meine gnädigste Frau, seh ich den Grund, der Doktor Miquel, den Mann des Kaisergedankens, in spezielldiese Gegenden zog.«
»Unzweifelhaft. Und Sie sprechen das alles mit solcher Wärme.«
Der Privatgelehrte verneigte sich.
»Mit solcher Wärme, daß ich annehmen möchte, Sie selber seien mit unter den Propheten und Täufern gewesen und Ihre Studien fänden ihren Gipfelpunkt in einer begeisterten Hingebung an die deutsche Kaisergeschichte.«
»Gewiß, meine gnädigste Frau, wennschon ich Ihnen offen bekenne, daß der Gang unserer Geschichte nicht der war, der er hätte sein sollen.«
»Und was ist es, woran Sie Anstoß nehmen?«
»Das, daß sich der Schwerpunkt verschob. Ein Fehler, der erst in unseren Tagen seine Korrektur erfahren hat. Als die Sachsenkaiser, die wir mit mindestens gleichem Recht auch die Harzkaiser nennen dürften, seitens der deutschen Stämme gekürt wurden, waren wir auf der rechten Spur und hätten, bei dem endlichen, aber nur allzu frühen Erlöschen des Geschlechts, den Schwerpunkt deutscher Nation nach Nordosten hin verlegen müssen.«
»Bis an die russische Grenze?«
»Nein, meine Gnädigste, nicht so weit; nach dem Lande zwischen Oder und Elbe.«
»Mit den Hohenzollern an der Spitze?«
»Doch nicht. Nicht damals. Wohl aber, statt ihrer, ein anderes großes Fürstengeschlecht an der Spitze, das in bereits vorhohenzollerscher Zeit das Land zwischen Oder und Elbe beherrschte, seitdem aber in unbegreiflich undankbarer Weise vergessen oder doch beiseite gestellt wurde: das Geschlecht der Askanier. Haben wir doch als einziges Denkmal und Erinnerungszeichen an diese ruhmreiche Familie nichts als den Askanischen Platz, eine mittelmäßige Lokalität, die täglich viele Tausende passieren, ohne mit dem Namen derselben auch nur die geringste historische Vorstellung zu verknüpfen.«
Cécile war selbst unter diesen. Aber in Kreisen großgezogen, in denen aller historischer Notizenkram einen höchst geringen Rang behauptete, bekannte sie sich lachend zu dieser ihrer Unkenntnis und sagte: »Sie müssen es leichtnehmen, mein teurer Herr Professor, Pardon, daß ich bei diesem Titel verbleibe; Sie müssen es leichtnehmen. Es ist nicht jedermanns Sache, gründlich zu sein. Und nun gar erst wir Frauen, Sie wissen, daß wir jedem ernsten Studium feind sind. Aber wir haben eine Neigung zu glücklicher Benutzung des Moments, auch ich, und so dürfen Sie jederzeit sicher sein, einer dankbaren Schülerin in mir zu begegnen.«