50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По
Читать онлайн книгу.ob Ihr wollt oder nicht – aber das glaube ich auch,« der alte eiserne Sprecher lachte grimmig, »ehe das Dorf hudlig wird« – eine Flamme schoß aus seinen Augen – »ehe das Dorf hudlig wird, geschehen böse Dinge – giebt es Aufruhr und Unglück.«
»Seid doch kein Rabenvogel! Die Leute finden ja mit der Zeit durch die Fremden einen schönen Verdienst.«
Der Garde schüttelte den Kopf, langsam und feierlich sagte er: »Ihr kennt unser Völklein. Das paktiert nicht, das schweigt, das seufzt und schimpft im stillen, das ballt die Fäuste im Sack, das besinnt sich siebenmalsiebenmal, das betet, duldet und trägt, – aber wenn's ihm zuletzt aus der Seele in die Knochen fährt, – dann würde ich mich lieber vor hundert wütende Bullen stellen als vor die Gemeinde.«
Dem Presi war nicht wohl bei dieser Rede, der Garde aber fuhr in seiner feierlichen Art fort:
»Denkt Euch, es gehe einmal einer von den unseren, bestochen durchs Geld, mit einem Fremden auf die Krone. Was geschieht? In einer Nacht brennt ihm die Hütte nieder. Entweder es kommt nicht aus, wer der Brandstifter ist, dann trägt die Gemeinde die Schande. Oder er kommt aus und die Landjäger holen ihn. Dann, Presi, würde ich um den Bären Sorge tragen.« »Garde, malt den Teufel nicht an die Wand, ich ertrage es nicht.« Der Presi war hastig geworden und verwarf aufstehend die Arme. »Keiner würde dem Bären etwas zu leide thun – keiner – als etwa der Lausbub der Franzi.«
»Die gottlose Rede nehmt zurück. – Josi ist ja so ein ehrbarer Bursche. Das habe ich aber schon lange gemerkt, daß Ihr Gift auf ihn habt. Jetzt frage ich als Vogt des Buben: Was habt Ihr wider ihn?«
Der Garde stellte sich vor den Presi, aber auch diesem leuchtete es bös auf im Gesicht: »Der? – Wißt Ihr, was der über mich gesagt hat? – Die Hand müsse mir aus dem Grab wachsen! So wagt er sich an Leute von Amt und Ehre.«
»Wann? wo? zu wem hat er's gesagt?«
»Zu Binia hat er's gesagt.«
Der Garde wiegte den schweren Kopf. »Bini lügt nicht. Ich will dem Donnerhagel das Hirn säubern.«
Mit zündelrotem Kopf lief er davon. Binia, die durchs Haus strich, hatte auf das laute Wesen der Männer in der Küche das Schiebefenster gegen die Stube geöffnet, um neugierig zu hören, was denn los sei.
Jetzt war sie unglücklich, wie ein aus dem Nest gefallener Vogel: »Mutter – Mutter – selige Mutter.«
Ihre Hände verkrampften sich ineinander, ihre Augen wurden groß.
Was hatte sie in einem Augenblick der Verwirrung Josi Schreckliches angethan!
Wenn sie der Vater einmal wieder mit der vollen Lichtfülle seiner Blicke ansah, dann peitschte sie der Gedanke, sie müsse vor ihm niedersinken und sprechen: »Vater, sei doch nicht so thöricht, daß du einem Kind, was es im Fieber geredet, glaubst. Es hat gelogen, gräßlich gelogen, in seiner Verwirrung. Nicht Josi Blatter, nein, der Kaplan Johannes hat das Entsetzliche gesagt! Und ich glaube es nicht – gewiß Gott, glaube ich es nicht.«
O, sie erinnerte sich wohl, was sie damals in ihren großen Schmerzen ihrer Krankheit gefaselt hatte. Die Erinnerung daran brannte sie wie höllisches Feuer, aber jedesmal war der Entschluß zum Bekenntnis erst im Werden, wenn der Blick des Vaters schon wieder eisig und vernichtend wie sonst geworden war.
Er verzieh ihr jene Fieberbeichte nie.
Hätte sie die Erinnerung an das, was sie über Josi gesagt hatte, nicht immer gebrannt, so wäre sie beinahe ein glückliches Persönchen gewesen.
Wie anders war's jetzt als damals, da sie die Verzweiflung durch die Mitternacht und den hohen Schnee zu Fränzi gejagt hatte. Sie hatte das trotzige Köpfchen gebändigt, nur hin und wieder ging noch ihr wildes Blut mit ihr durch, erlag sie noch den Anfällen schmerzlichen Grübelns. Ihrer seligen Mutter hatte sie, wie Fränzi ihr geraten, einen Altar im Herzen errichtet, der neuen gehorchte sie, ohne tiefgründige Liebe zwar, aber doch in herzlicher Achtung.
Oft hatte sie das Heimweh nach Fränzi, ihr feuriges Herz glühte in ehrfürchtiger Liebe für sie. Die hätte sie gern zur Mutter gehabt. Aber wegen des Vaters wagte sie nie mehr einen Besuch bei ihr.
Klagen wollte sie nicht.
Die immer gemütliche kühle Frau Cresenz, der Lächeln und Lachen Lebensberuf war, die kaum mehr wußte, daß sie lächelte und lachte, war freundlich gegen sie. Sie sorgte namentlich, daß sie in Gebärde und Bewegung, in Redensart und Kleid so vor die Gäste trat, wie es sich nach ihrer Meinung für das Bärentöchterlein von St. Peter schickte.
Es kamen aber immer wieder Augenblicke, wo Frau Cresenz die Kraft versagte. Wenn Binia ihr dunkles Augenpaar groß und fragend in die Welt stellte, schalt sie: »Kind, schau doch anders, es wird einem angst und bang vor deinen sonderbaren Lichtern. Wohl, wohl, die sind dazu angethan, einmal das Mannsvolk verrückt zu machen.«
Binia war es manchmal, als möge die Stiefmutter sie wegen ihrer Augen nicht leiden, aber noch unartiger war Frau Cresenz, wenn sie über kleine Herzensangelegenheiten mit ihr reden wollte.
»Dummes Kind, sprich nicht so geheimnisvoll – es ist gar nicht nötig, daß man alles in der Welt erkennt und ergrübelt, es ist sogar ungesund – recht thun, freundlich sein mit den Leuten, hie und da auch, wenn's einem nicht drum ist, damit kommt man durchs Leben.«
Wenn die neue Mutter so redete, schnürte es Binia die Brust zusammen. »Freundlich sein, wenn's einem nicht drum ist. Das versteh' ich nicht.« Traurig schüttelte sie das Köpfchen. Diese Kunst besaß aber die Stiefmutter, gerade darum konnte sie dieselbe nicht von Herzen lieben. Sie spürte, es war nichts Tiefes, Kernhaftes in dieser glatten, liebenswürdigen Frau.
Da gefiel ihr der Vater in seiner rauhen Wildheit doch viel mehr. In ihm lag, das spürte auch sie, eine übermächtige, ungezügelte, wahre Kraft. Er schleuderte die Beleidigungen ohne Besinnen hin, es war fast niemand im Dorf, den er mit einem raschen Wort nicht schon tödlich verletzt hatte, aber ein voller freundlicher Blick aus seinen dunklen Augen, ein gutes Wort – und alle, die ihn haßten, waren entwaffnet.
Und wie die Fremden von ihm sprachen! Sie hörte immer noch den ernsten alten Doktor, der so eifrig mit seinem Nachbar plauderte, daß er nicht merkte, wie sie mit einem Gericht herzutrat:
»Eine so gewaltige Gestalt wie der Herr Präsident, glaube ich, ist fast eine Ueberlast für ein Dorf wie St. Peter. Den hätte die Geschichte brauchen können, um einen großen Bauernführer aus ihm zu schnitzen.«
Eines schnitt Binia wie ein Messer ins Herz, nämlich wenn der Vater mit den fremden Frauen und Kindern redete. Wie klang das lieb und gütig, wie war er aufmerksam gegen sie. Die Kleinen und die Backfische hingen an ihm und einmal hörte sie eine fremde schöne Tochter sagen: »Mama, der Herr Präsident ist doch der herrlichste Mann, den mir auf unseren Reisen kennen gelernt haben.«
Da entglitt ihr der Früchteteller, mit dem sie zudienend um die Tafel schritt.
Sie sah, wie der Vater höhnisch die Schulter zuckte. – Am Abend betete sie: »O Mutter – Mutter – sage ihm doch einmal im Traum, wie heiß ihn mein Herzchen liebt.«
Es lag Segen auf ihrem glühenden Wunsch. Nicht Von heute auf morgen, aber von Sommer zu Sommer.
Binia wuchs und blühte auf, die Fremden hatten die helle Freude an der feinen klugen Vierzehn-, dann Fünfzehnjährigen.Wie schön war das Leben! Sie hörte es gerne, wenn die Gäste über allerlei plauderten und urteilten. Wie weit und groß mußte die Welt über Hospel hinaus sein. Sie wunderte sich manchmal, wie artig die vornehmen und gescheiten Leute zu ihr waren, besonders junge Mädchen, die nach St. Peter kamen und ihr so lieb wurden, daß ihr das Wasser in die Augen schoß, wenn sie am Ende des Sommers wieder weggingen. Was aber schwatzten die klugen Männer Thörichtes zusammen, »Siealpige Rose, Sie sonderbares Herzensmädchen mit dem leichten, schwebenden Gang, haben Sie eigentlich Ihre Augen grad in der Hölle und Ihr Lächeln im Himmel geholt?«
Binia fühlte es aber wohl: Wie die Gäste so freundlich zu ihr wurden, wandte sich ihr auch die Liebe des Vaters in neuer Wärme zu und er wurde heimlich