Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold

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Die Frau Professorin. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold


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Enten und die Hühner schauten bedeutsam nach dem Fenster hinauf, sie mochten wol ahnen, dass von dorther die Störung gekommen war, die ihnen die fernere Nahrung entzog.

      „Das ist ein Mädchen! ach, das ist ein Mädchen!“ rief der Colaborator in die Stube gewendet und ballte beide Fäuste zum Himmel; er durchmass hierauf zweimal ohne zu reden die Stube, stellte sich dann vor Reinhard und begann wieder:

      ,,Da hast du’s, ich kann weiter nichts sagen als: das ist ein Mädchen. Kein Epitheton genügt mir, keines. Hier haben wir ein Gesetz der Volkspoesie, sie gibt den vollsten Ausdruck, macht die tiefste Wirkung oft blos durch das einfache Substantiv, ohne Epitheton; meiner Sprache steht jetzt in solcher Entzückung nicht mehr zu Gebote, als der eines Bauernburschen.“

      „Was hältst du davon, wenn wir uns mit dem Epitheton „göttlich“ begnügten?“

      „Spotte jetzt nicht, das Mädchen musst du malen, wie es dastand, eins mit der Natur, zu ihr redend und von ihr begriffen, die vollendete Harmonie.“

      „Es wäre allerdings etwas nie Dagwesenes: ein Mädchen im Hühnerhofe.“

      „Nun, wenn auch nicht so, das Mädchen musst du malen, hier ist dir ein süsses Naturgeheimniss nahegestellt, du“ —

      „Ins Teufels Namen, so schweig doch still, wenn es ein Geheimniss ist. Du schwatzest schon am frühen Morgen, dass man nicht mehr weiss, wo Einem der Kopf steht.“

      Die beiden Freunde sassen eine Weile lautlos bei einander; endlich sagte der Collaborator aufstehend:

      ,,Du hast Recht, der Morgen ist wie die stille Jugendzeit, da muss man den Menschen allein lassen, für sich, bis er nach und nach aus sich erwacht; man soll ihn nicht aufrütteln. Ich gehe in den Wald, du gehst doch nicht mit?“

      „Nein.“

      Der Collaborator ging und Reinhard sass lange still, das viele Reden und Rütteln des Collaborators hinterliess ihm die Empfindung, als ob er von einer geräuschvollen Reise käme; die ruhige Spiegelglätte des Morgenlebens war ihm zu hastigen Wellen aufgehetzt. Reinhard war verstimmt und nervengereizt, er legte sich nochmals auf das Bett und verfiel in leisen Schlummer. Die Glocken des Kirchthurms weckten ihn, es läutete zum Erstenmal zur Kirche. Reinhard ging hinab in die Küche; die Bärbel, seine alte Gönnerin, die sonst so freundlich mit ihm geplaudert hatte, war unwirsch, sie sagte, er solle nur in die Stube gehen, sie hielte ihm schon seit drei Stunden den Kaffee bereit und man könne ja das Feuer nicht ausgehen lassen von seinetwegen. Reinhard war eben im Begriffe ihr eine barsche Antwort zu gehen, er hatte es genug, sich über den gestrigen Scherz hart behandeln zu lassen, da hörte er die Stimme Lorle’s von der Laube:

      „Bärbel, komm ause, guck ob’s so recht ist.“

      „Komm’ du ’rein, ist grad so weit; mach nur fort, es wird schon recht sein.“

      Ohne eine Antwort gegeben zu haben, verliess Reinhard die Küche, er ging aber nicht in die Stube, sondern fast unhörbar nach der Laube. Ungesehen von dem Mädchen konnte er dasselbe eine Weile beobachten; er stand betroffen beim ersten Anblick. Das war ein Antlitz voll seligen, ungetrübten Friedens, eine süsse Ruhe war auf den runden Wangen ausgebreitet; diese Züge hatte noch nie eine Leidenschaft durchtobt oder ein wilder Schmerz, ein Reuegefühl verzerrt, dieser feine Mund konnte nichts Heftiges, nichts Niedriges aussprechen, eine fast gleichmässige zarte Röthe durchhauchte Wange, Stirn und Kinn, und wie das Mädchen jetzt mit niedergeschlagenen Augen das Bügeleisen still auf der Halskrause hielt, war’s wie der Anblick eines schlafenden Kindes; als es jetzt die Krause emporhob, die grossen blauen Augen aufschlug und den Mund spitzte, trat Reinhard unwillkürlich mit Geräusch einen Schritt vor.

      „Guten Morgen, oder bald Mittag,“ nickte ihm Lorle zu.

      „Schön Dank, seid Ihr wieder gut?“

      „Ich bin nicht bös gewesen, ich wüsst’ nicht warum. Habt Ihr gut geschlafen?“

      „Nicht so völlig.“

      „Warum? Habt Ihr was träumt? Ihr wisset ja, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumt, das trifft ein.“

      ,,Aber mein Traum nicht.“

      „Nun, was ist’s denn gewesen? Dürfet Ihr’s nicht sagen?“

      ,,Ganz wohl, und Euch besonders, ich hab’ von Euch träumt.“

      „Ach, von mir, das kann nicht sein. Gucket, machet mir keine Flatusen; es hat mich verdrossen, wenn Ihr mich früher Grundel geheissen habt, aber es wär’ mir noch lieber, wenn Ihr so saget, als wenn Ihr mir so was Gaukliches vormachet.“

      „Ich kann ja auch was träumt haben, das gar kein’ Flatuse ist. Machet aber nur kein Gesicht, es ist nichts Böses, es ist blos dumm. Mir hat’s träumt, ich sei mit Euch auf dem Bernerwägele gesessen und Euer Rapp war angespannt, und hat eine grossmächtige Schelle um den Hals gehabt, die hat geläutet wie die Kirchenglock’, und der Kapp ist nur so durch die Luft dahingeflogen, seine Mähne ist hoch aufgestanden und man hat kein Rad gehört und wir sind doch immer fort und fort. Ich hab’ den Rapp halten wollen, er hat mir aber schier die Arme aus dem Leib gerissen und Ihr seid immer ganz ohne Angst neben mir gesessen und so immer fort; plötzlich legt sich der Wagen ganz sanft um und wir sind auf dem Boden gelegen, da ist mein Kamerad kommen und hat mich geweckt.“

      „Das ist ein wunderlicher Traum, aber in den nächsten vier Wochen fahr’ ich nicht mit Euch. Was ich hab’ sagen wollen, Euer Kamerad ist ein wunderlicher Heiliger, mein Vater sagt, er sei stolz und hochmüthig, ich mein’ eher, er sei zimpfer und ungeschickt.“

      „Ihr habt ihm doch seine Störung verziehen?“

      „Ja. Seid Ihr auch schon auf gewesen?“

      „Nicht ganz. Mit meinem Kameraden habt Ihr Recht, er ist nicht stolz, im Gegentheil scheuch und furchtsam.“

      „Ja, das hab’ ich auch denkt, und grad weil er scheuch und furchtsam ist, da geht er so auf die Leut’ ’nein und thut wie wenn er sie zu Boden schwätzen wollt’. Wie ich vorlängst bei der Vroni auf der Hohlmühle gewesen bin, Ihr wisset ja, sie ist mit meinem Stephan versprochen, sie heirathen bis zum Herbst und er übernimmt die Mühle; Ihr seid doch auch noch da zur Hochzeit?“

      „Kann sein, aber Ihr habt mir was erzählen wollen?“

      „Ja, das ist Recht, dass Ihr Einen beim Wort behaltet, ich schwätz’ sonst in den Tag ’nein. Nun wie ich drunten in der Hohlmühle bin, da wird’s Nacht und da haben sie mir das Geleit geben wollen, ich hab’s aber nicht zugeben und es wär’ mir doch recht gewesen. Ich bin halt jetzt allein fort, im Wald da ist mir’s aber katzhimmelmäuslesangst worden, und weil ich mich so gefürcht’t hab’, da hab’ ich allfort pfiffen, wie wenn ich mir aus der ganzen Welt nichts machen thät. Ja, wie komm ich denn aber jetzt da drauf, dass ich Euch das erzähl’?“ schloss Lorle, die Lippen zusammenpressend und die Augen nachdenklich einziehend.

      „Wir haben von meinem Kameraden gesprochen und“ —

      „Ja, Ihr bringet mich wieder drauf; der pfeift auch so lustig, weil er Angst hat, nicht wahr?“

      ,,Vollkommen getroffen. Ihr müsst nun aber recht freundlich gegen ihn sein, er ist ein herzguter Mensch, der’s verdient, und es wird ihn ganz glücklich machen.“

      ,,Was ich thun kann, das soll geschehen. Ist er noch ledig?“

      ,,Er ist noch zu haben, wenn er Euch gefällt.“

      „Wenn Ihr noch einmal so was saget,“ unterbrach Lorle, das Bügeleisen aufhebend, „so brenn’ ich Euch da den Bart ab. Ja, dass ich’s nicht vergess’, lasset Euch Euern Bart nicht abschwätzen, er steht Euch ganz gut.“

      ,,Wenn er Euch gefällt, wird er sich um die ganze Welt nichts scheeren.“

      ,,Was gefällt? Was ist da von gefallen die Red’?“ ertönte eine kräftige Weiberstimme, es war die der Bärbel.

      ,,Das Lorle ist in meinen Kameraden verschossen,“ sagte Reinhard.

      ,,Glaub’


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