Das Moordorf. Max Geißler

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Das Moordorf - Max Geißler


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Händedruck. Die Freude des Wiedersehens lachte aus seinen blauen Augen.

      „Siehst du ein Segel in den Gräben, Clas Böschen?“ fragte Ham Rugen und spähte umher.

      „Nein! Meinst du das von Hinnerk Stelljes?“

      „Ja.“

      „Der kommt heut nicht. Das Torfschiff ist nicht da. Kommt erst heut abend. Und Hinnerk Stelljes wird nicht in der Nacht fahren.“

      „Nee“, sagte Ham Rugen. „Is good, is good.“

      „Was wolltest du von mir? Weil das Schiff nicht da ist, konnte ich mit Wöbke Dierks gehen.“

      „Du musst zum Militär, Clas Böschen?“

      „Aufs Frühjahr stell ich mich.“

      „Ich bin dir noch manches schuldig. Junge.“

      „Mir?“ fragte Clas Böschen verwundert.

      „Is aus dir was Rechts worden?“

      „Ich denke“, lachte Clas Böschen.

      „Wenn du eine Frau hättst und ein Haus und Grund und Boden, brauchtest du nicht fort.“

      Clas Böschen lachte wieder.

      „Hör zu“, sagte Ham Rugen und zog den jungen Torfschiffer neben sich auf die Bank. „Ich habe noch fünfunddreissig Taler von dem, was mir Hinnerk Stelljes für das meinige gezahlt hat. Ich will dir das Geld leihen, wenn du dir eine Hütte neben das Einhaus baust.“

      „Ham Rugen, das willst du?“

      „Will ich!“ sagte Ham Rugen. „Weisst du, ich hab so meine Gedanken. Das Land ist hier so, dass Torf und Ackergrund nebeneinander liegen, das heisst, wenn man den Boden bestellt, wie ihn der Feldbau braucht.“

      Er fasste Clas Böschen am Ärmel der Jacke und führte ihn zu den Streifen Land, die er selbst im Vorjahre für den Bau der Kartoffeln und des Buchweizens bereitet hatte. Clas Böschen sah’s.

      „Ich hab’ das verpasst und hätte zehn Jahre früher denken müssen wie heute. Aber wenn einer an die siebzig heran ist, dann gibt’s da nicht mehr viel vorzunehmen. Und Hinnerk Stelljes? Na, Hinnerk Stelljes, das ist so einer“ —

      Ham Rugen deutete mit dem Daumen über die Achsel nach rückwärts.

      „Solche gibt’s schon viel im Moor. Die kratzen den Torf und kratzen doch nichts heraus. In Hinnerk Stelljes ist keine Freude. Aber in dir ist sie, Clas Böschen! Und du müsstest bei dem Einhause sitzen und die Scholle krüppeln! Ich helf dir, willst du?“

      „Na, ob ich will!“ lachte Clas Böschen und ergriff die Hand des Alten. „Ham Rugen, Ham Rugen!“ rief er, „35 Taler un en Hütt un en Fru ...“

      „Heft ok en Fru, Jong?“ fragte der Alte erstaunt.

      „En Fru? Nee. Äwerst ik weet een!“

      „So nimm sie!“

      Clas Böschen sprang in die Luft.

      „Ich habe keine Frau gehabt und keine Kinder mein genannt, Clas Böschen. Aber die Jahre her, in denen ich nicht einmal Menschen um mich gesehen, hab ich mit meinem Herzen geredet und gedacht: ich will nicht alles Glück meines Lebens versäumen. Ich will dies und das nachholen so gut es geht und so lange ich noch dazu Zeit habe.

      „Und was ich dir noch sagen wollte: Hinnerk und Gesche Stelljes sollen nicht erfahren, dass ich dir Geld gebe, und auch nicht, dass ich dir gesagt habe, du möchtest beim Einhaus und in dieser Mooreinsamkeit wohnen. Verstehst du?“

      Clas Böschen nickte, was in diesem Falle heissen sollte: er verstehe zwar nicht, aber er wolle schon schweigen.

      Ham Rugen schritt mit dem Jungburschen auf ein Stück Land über dem Graben, das um die Buschkiefern vor dem Einhause lief, und sagte: hier solle die Hütte Clas Böschens stehen, in der er mit seinem jungen Weib einziehen werde. Er habe den Plan, den er in dieser Stunde Böschen mitgeteilt, nicht erst seit heute morgen, und der Brief sei schon seit Wochen geschrieben, als ihn, den Alten, die Gicht auf das Stroh geworfen habe. Und nun freue er sich, dass Clas Böschen Lust habe, das Leben an der Hamme mit der Einsamkeit des Landes um das Einhaus zu vertauschen.

      Eigentlich wisse er doch noch nicht, warum Ham Rugen das alles so wolle, wie er es ihm gesagt habe, meinte Clas.

      Während der Alte bald da und bald dorthin deutete, und sagte: dort werde Clas Böschen Gräben ziehen und dort das Moor brennen, damit in der Asche der Buchweizen gedeihe, und wie er ihm noch manches andere gesagt, was zu tun nötig sei, fuhr er fort:

      „Ich weiss, dass den Menschen im Moore die Freude fehlt, die Liebe zu der Scholle, die sie nährt, die Lust am Dasein, das sie leben. Nicht als ob sie untätige Träumer wären — aber sie verhandeln ihren Grund, damit sich die andern damit die Stuben warm machen. Das ist’s!“

      Ham Rugen sprach lauter und heftiger, als es sonst seine Art war.

      „Das ist’s, Clas Böschen! Und denkst du etwa, der deutsche Bauer wäre einer, vor dem man in der Welt den Hut zieht, wenn er seine Scholle nicht lieb hätte? Und warum hat er sie lieb? Etwa nur deswegen, Clas Böschen, weil sie ihm Geld einbringt?

      „Das kann die braune Torfkrume auch, und sie bringt ihren Erlös nicht unwilliger, als jener Ackergrund, der den Schweiss der Bauern trinkt. Aber siehst du, gerade weil dort die gleiche Scholle immer von neuem die gleiche Mühe fordert, weil sie mit dem Pfluge gebrochen, weil sie gewalzt und geeggt werden muss, und weil sie die grösste Pflege mit um so grösserer Dankbarkeit lohnt, und weil sie am Ende eine einzige Sippe durch viele Geschlechter trägt und segnet — darum ist das eine ganz andere Sache wie hier bei uns im Teufelsmoor.

      „Clas Böschen, ich sage dir, wir sind von gestern! Erst seit anderthalbhundert Jahren haben sich die Menschen in die Moorheide verlaufen. Ja, verlaufen, Clas Böschen! Oder es waren Leute, die aus dem Lichte der weissen Strassen verschwinden mussten und in die Dämmernisse unserer Moornebel krochen! Oder es waren solche, um die man nicht trauerte, wenn sie draussen nicht mehr zu finden waren!

      „Freilich — nun ist das auch anders! Es ist ein gutes, tüchtiges, starkes Geschlecht gross geworden im Moor. Aber mich deucht, nicht stark genug, diese zähe Scholle zu zwingen.

      „Weisst du, bei uns ist das so; die Leute im Moor fügen sich dem Grund und Boden, auf dem sie stehen, werden unfreudig wie der, werden still und versonnen wie das Gelände, das um sie ist.

      „Das liegt aber auch daran, dass diese Scholle es unsern Leuten in einer Art zu leicht macht: sie stechen sie einfach ab und verhandeln sie. Das macht faul im Denken, Clas Böschen! Deshalb sage ich: einsilbig, wie unser Land ist, sind unsere Menschen. Und anstatt dass sie sich den Acker formen und wandeln, wie sie ihn gern mögen, und wie das der Bauer mit dem seinen tut, macht der Grund sich die Leute, die sich in ihm mühen. Der ist noch stärker als wir.

      „Wir müssen unsere Scholle bauen, Clas Böschen, wir müssen Bauern werden!

      „Ich weiss, sie lachen über solche Weisheit und sagen: der Torf in unsern Mooren langt für hunderte von Jahren. Mag sein oder nicht, ich weiss es nicht — aber ich weiss: nicht allenthalben, wo die Torflager abgestochen, oder wo man das Land bauen könnte, weil’s nur darauf wartet, wird es gebaut, sondern es lieg brach und trägt Binsen und Heidekraut. Und liegen doch Reichtümer darin so gut wie in der Geest oder der Marsch.

      „Ich denke, ich will dir noch manches sagen, Clas Böschen. Und ich werde Zeit und Gelegenheit finden, wenn du dein Haus gebaut hast — lass es nur eine Hütte sein wie die da, die nur die Giebelwände hat. Werden einmal doch vier Mauern daraus, Mauern aus roten Ziegelsteinen, Mauern mit weissen Fugen und grünen Balken und einem Sprüchlein über der Türe.

      „Ich denke, auf diesem Wege gehen wir der Freude am Leben entgegen. Und Freude muss sein!“

      So redete Ham Rugen, der Alte.

      Dann ging Clas Böschen den Weg zurück, den er gekommen; er ging quer übers Moor, über das


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