Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет

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Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет


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Bootsvolk so sehr ein, dass es sein Heil im Zurückrudern nach dem Schiffe suchte, und die versinkenden Kameraden ihrem Schicksale überliess. Nachdem dieser Versuch fehlgeschlagen hatte, nahmen die beiden Schiffe ihr Feuer gegen uns wieder auf; da jedoch die Entfernung und das Schwellen der See kein sicheres Ziel gestatteten, so liessen sie zuletzt wieder nach und warteten, bis eine aufspringende Brise sie in den Stand setzen würde, den Kampf mit besserem Erfolge zu erneuern.

      Es war jetzt ungefähr 11 Uhr Vormittags, und das Gefecht hatte gegen fünf Stunden gedauert. Wir nahmen nach der Anstrengung, der wir uns unterzogen, Erfrischungen ein, und trafen alle erforderlichen Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Kampfs. Die Thätigkeit hatte uns so aufgeregt, dass wir uns keinen Augenblick Zeit zum Denken liessen; nun aber, in den Augenblicken der beschäftigungslosen Ruhe gewannen wir Musse, über unsere Lage Betrachtungen anzustellen, welche aber nicht zu den wünschenswerthesten Ergebnissen führte. Wir waren von der übermässigen Anstrengung erschöpft, und das Bewusstsein unserer Schwäche machte uns kleinmüthig. Unsere besten Leute waren gefallen oder ächzten unter schweren Wunden; auch wussten wir, wie weit uns der Feind überlegen war, und da sie nach so furchtbarem Gemetzel noch immer Stand hielten, so konnten wir uns wohl denken, dass wir es mit einem tapferen, entschlossenen Gegner zu thun hatten. Das Glück und die überlegene Seemannskunst unseres Kapitäns waren uns zwar bis jetzt im Kampfe sehr zu statten gekommen; ersteres aber konnte recht wohl umschlagen, und unsere Mannschaft war bereits so geschmälert, dass wir, wenn der Feind entschlossen auf Fortsetzung des Kampfes beharrte, nothwendig überwältigt werden mussten. Unser wackerer Kapitän bemerkte die herrschende Zaghaftigkeit und gab sich alle Mühe, sie durch Rede und Beispiel zu bannen. Nachdem er den entschlossenen Muth, den wir bereits gezeigt, gelobt hatte, machte er uns darauf aufmerksam, dass, ungeachtet der Tapferkeit der feindlichen Offiziere, augenscheinlich doch die Soldaten an Bord der gegnerischen Schiffe durch ihr bisheriges Missgeschick und die erlittenen schweren Verluste eingeschüchtert seien; wenn daher ein abermaliger Enterversuch fehlschlage — und er setze in einen derartigen Erfolg nicht den mindesten Zweifel — so werde keine Ueberredungskunst im Stande sein, sie zu einem weiteren zu spornen, und es sei vorauszusehen, dass die feindlichen Kapitäne den nutzlosen Kampf aufgeben würden. Mit einem feierlichen Eide erklärte er, so lange er noch lebe, solle die Flagge nicht gestrichen werden; auch möchte er wissen, wer unter uns so niedrigen Sinnes sei, um nicht auf Tod und Leben bei seiner Farbe aushalten zu wollen. Seine Rede wurde abermals mit drei Hurrahs begrüsst; aber unsere Zahl war sehr gemindert, und der Ruf in Vergleichung mit dem früheren nur schwach, obschon er entschlossen genug klang, denn es war bei uns entschieden, dass wir unserem edeln Kapitän und unserer Flagge keine Schande machen wollten. Kapitän Weatherall sorgte dafür, dass diese Gefühle nicht wieder erschlafften, und liess reichlich Grog austheilen; auch nagelte er auf unser Verlangen die Flagge an den Mast, und wir sahen mit Ungeduld einer Erneuerung des Kampfes entgegen. Um vier Uhr Nachmittags sprang eine Brise auf. Die feindlichen Schiffe ordneten ihr Segelwerk und näherten sich uns schnell — allerdings nicht in der zierlichen Takelung, wie am Morgen, aber augenscheinlich mit der entschlossendsten Haltung. Langsam und stumm schlugen sie sich durchs Wasser. Kein Schuss fiel; aber die gähnenden Kanonenmündungen und die regungslose Haltung der Matrosen auf ihren Posten waren inhaltsvolle Vorzeichen des schweren Kampfes, welcher das seitherige scharfe Ringen um den Sieg zur Entscheidung bringen sollte. Sobald sie sich uns auf halbe Kabelslänge genähert hatten, begrüssten wir sie mit drei Hurrahs; sie erwiederten unsern trotzigen Ruf, fuhren beiderseits vor uns auf, und das Gefecht begann mit neuer Bitterkeit.

      Der Franzose wollte sich diesmal nicht bei uns an Bord legen, bis er sich überzeugt hatte, dass von Seiten des Spaniers leewärts geentert war — er fuhr fort windwärts zu luven, und uns mit vollen Lagen zu bearbeiten, bis der Spanier mit uns im Handgemenge stand; dann erst fuhr er herab und legte sein Schanddeck gegen unsern Bug. Der Spanier hatte uns bereits auf der Windvierung geentert, und wir waren eben mit Abwehr dieses Angriffs beschäftigt, als uns der Franzose in dieser Weise zu Leib ging. Es war ein Kampf der Verzweiflung. Unsere Picken verliehen uns einen solchen Vortheil über die Stutzsäbel und Messer der Spanier, dass sie zurückwichen. Durch den verzweifelten Widerstand, den sie trafen, eingeschüchtert, verliessen sie unsere Decken, die sie mit ihren todten und sterbenden Kameraden bestreuten, und flüchteten sich in grosser Verwirrung nach ihrem Schiffe. Aber ehe es so weit gekommen war, hatte uns der Franzose auf dem Luvbug geentert. Seine Mannschaft trieb die paar Leute, die wir ihr hatten entgegen schicken können, vor sich her; gewann unser Hauptdeck und brach sich gegen das Halbdeck hin Bahn, wo jetzt all unser noch übriges diensttüchtiges Volk versammelt war. Es kam zu einem verzweifelten Gefecht; aber nach einiger Zeit schienen unsere Picken und der Vortheil unserer Stellung über die Mehrzahl die Oberhand zu gewinnen. Wir trieben die Franzosen vor uns her, und hatten schon das Hauptdeck wieder erobert, als unser tapferer Befehlshaber, der an unserer Spitze stand, und uns allen seinen Muth eingeflösst hatte, einen Schuss durch’s rechte Handgelenk erhielt. Er fasste seinen Degen mit der Linken und drang unter Ermunterungsrufen noch immer vorwärts — aber jetzt traf ihn eine Kugel in die Brust und er brach todt zusammen. Mit seinem Falle sank auch die Tapferkeit und der lange aufrecht erhaltene Muth seiner Mannschaft. Um das Unglück zu vervollständigen, wurden auch einige Sekunden nach dem Oberbefehlshaber der Lieutenant und die beiden noch übrigen Offiziere von ihrem Geschick ereilt. Bestürzt und erschreckt hielten die Matrosen in ihrer Siegesbahn inne und sahen sich verwirrt nach einem Führer um. Die Franzosen, die sich nach dem Vorderkastell zurückgezogen hatten, bemerkten jetzt unsere Bestürzung und erneuerten den Angriff. Die noch übrigen Wenigen wurden von panischem Schrecken ergriffen, und warfen die Waffen weg; wir baten um Pardon, während noch einen Augenblick früher der Sieg in unsern Händen war — so das Ende unseres blutigen Drama’s.

      Von fünfundfünfzig Leuten waren zweiundzwanzig in diesem mörderischen Kampfe gefallen und fast alle Ueberlebenden auf den Tod oder doch sonst schwer verwundet. Die meisten hatten sich nach dem Ruf um Pardon durch die Lucke hinuntergeflüchtet, um den Säbeln der wüthenden Sieger auszuweichen. Ich und ungefähr acht Andere, die an der Lucke vorbeigetrieben worden, warfen nun gleichfalls die Waffen weg und baten um Schonung, ohne jedoch der Hoffnung, dass sie uns erwiesen werden könnte, Raum zu geben. Unsere Feinde wollten Anfangs nichts von Pardon wissen, sondern hieben mehrere unserer entwaffneten Leute in Stücke. Als ich dies bemerkte, kletterte ich auf das Schanddeck, um über Bord zu springen, weil ich hoffte, ich könnte nach geendigtem Gemetzel wieder aufgelesen werden; aber jetzt kam ein französischer Lieutenant heran, der uns schützte und den kleinen Ueberrest unserer Mannschaft der Wuth seiner Leute entriss. Freilich war unser Leben das Einzige, was wir diesem Schutze dankten, denn wir wurden unverweilt ausgezogen, und ohne Erbarmen geplündert. Alles, was ich besass, kam in die Hände der Feinde; die Uhr, der Ring und der Degen, die ich dem tapfern Franzosen abgenommen hatte, waren mir bald entrissen, und weil ich mich nicht so schnell entkleidete, als es ein Mulattenmatrose gern wünschte, so versetzte mir dieser mit dem Pistolenschaft einen Schlag unter das linke Ohr, so dass ich in die Lucke, neben welcher ich stand, hinunterstürzte und besinnungslos liegen blieb.

      Drittes Kapitel.

      Wir werden an Bord des Rache eingesendet und mit grosser Grausamkeit behandelt — später durch einen Kaper wieder genommen und an den Franzosen gerächt. — Ich komme nach dem Hospital in Port Royal, wo ich die französische Dame wieder treffe. — Ihre wilde Freude über meinen Zustand. — Sie wird von einem meiner Kameraden gezüchtigt.

      Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich vollkommen nackt auf dem Boden und litt schwere Schmerzen. Mein rechter Arm war zerbrochen, und durch den Sturz meine Schulter sehr beschädigt; auch hatte ich während des Gefechts drei Säbelhiebe erhalten, und in Folge davon so viel Blut verloren, dass ich nicht Kraft genug besass, um mich aufzurichten oder irgend etwas für mich zu thun. Aechzend lag ich auf dem Ballast des Schiffs und machte mir von Zeit zu Zeit Gedanken über die Erlebnisse des Kampfs, über den Tod unseres wackern Führers, über den Verlust unseres Schiffs, über das traurige Geschick so vieler meiner Kameraden, und über unsere Gefangenschaft. Nach einiger Zeit kam in Folge Befehls von Seiten des französischen Kommandeurs der Wundarzt herunter, um nach meinen Verletzungen zu sehen. Er behandelte mich mit der grössten Grausamkeit, und als er mein zerbrochenes Glied umherzerrte, konnte ich mich des Schmerzrufes nicht erwehren. Er zwang mich jedoch durch Schläge und Flüche zum Schweigen, indem er zugleich den artigen Wunsch beifügte,


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