Bekenntnisse. Augustinus von Hippo
Читать онлайн книгу.bald nach eitler Volksgunst, die wir auch im Beifallsklatschen des Theaters, in Streitgedichten, im Kampf um verwelkende Lorbeerkränze, in Schauspielpossen und zügelloser Sinnlichkeit erstrebten, bald suchten wir Reinigung von diesem Schmutz, indem wir denen, welche die Auserwählten und Heiligen hießen, Speise zutrugen, damit sie uns in der Werkstatt ihres Magens daraus Engel und Götter zu unserer Befreiung bilden möchten. Solchen Bestrebungen lag ich ob mit meinen durch mich und mit mir betrogenen Freunden. Mögen sie jetzt in ihrem Hochmute mich verlachen, die noch nicht zu ihrem Heile von dir, mein Gott, niedergeworfen und gedemütigt sind; ich will dennoch dir zum Lobe meine Schandtaten bekennen. Ich bitte dich, laß mich mit deiner Hilfe in meiner Erinnerung die verschlungenen Wege meines früheren Irrtums nochmals durchwandern und dir „ein Lobopfer darbringen“69. Denn was bin ich mir ohne deine Unterstützung als ein Führer in den Abgrund? Oder was bin ich, wenn es wohl um mich steht, anders als ein Kind, das deine Milch trinkt und dich genießt, die nie verderbende Speise? Und was für ein Mensch ist jeglicher Mensch, insofern er Mensch ist? Aber mögen uns die Starken und Mächtigen verlachen, wir, die Schwachen und Armen, wollen dir bekennen!
2. Er lehrt die Rhetorik und hat eine Geliebte; von der Vogelschau will er nichts wissen.
In jenen Jahren lehrte ich die Rhetorik und verkaufte, selbst von den Leidenschaften besiegt, siegreiche Geschwätzigkeit, Doch wollte ich lieber - Herr, du weißt es - gute Schüler haben, was man so gute nennt, und ohne trügerische Absicht lehrte ich sie Trugkünste, die sie freilich nicht gegen Unschuldige, sondern nur gegen Schuldige in Anwendung bringen sollten. Und du, mein Gott, sahst von ferne, wie ich taumelte auf schlüpfriger Bahn und nur noch ganz schwach, vom Rauche beinahe erstickt, meine Treue, die ich in meinem Lehramte denen bewies, die „die Eitelkeiten lieben und der Lüge nachgehen“70, einige Funken sprühte. In jenen Jahren hatte ich ein Weib, keine rechtmäßige Gattin, sondern meine umherschweifende, unbesonnene Glut hatte sie aufgespürt; aber es war doch meine einzige Geliebte, und ich hielt ihr wenigstens Treue. An ihr sollte ich wahrlich aus eigener Erfahrung den Unterschied zwischen einem zum Zwecke der Kindererzeugung geschlossenen ehelichen Bunde und einer losen Verbindung unreiner Liebe erfahren, wo Kinder sehr unwillkommen sind, auch wenn sie uns nachher Liebe abzwingen.
Ich erinnere mich auch, daß ich mich einst mit einem dramatischen Gedichte an einem Wettstreit beteiligen wollte und irgendein Wahrsager mich anfragen ließ, welchen Lohn ich ihm geben wolle, damit ich siege; ich aber antwortete ihm, voll Haß und Abscheu gegen jene abscheulichen Blendwerke, daß ich nicht einmal eine Mücke für meinen Sieg töten lassen würde, und wenn jener Kranz von Gold wäre. Denn jener gedachte, bei seinen Opfern Tiere zu schlachten, und wollte offenbar durch solche Ehrungen die Dämonen für meine Unterstützung verpflichten. Aber auch diese Sünde wies ich nicht aus keuscher Liebe zu dir, Gott meines Herzens, zurück. Denn noch verstand ich nicht, dich zu lieben, da ich nur körperlichen Schein zu denken wußte. Die Seele aber, die solchen Scheinbildern anhängt, „buhlt fern von dir“71, baut auf Trug und „weidet Winde“72. Aber freilich, ich sträubte mich, daß man den Teufeln für mich opfere, denen ich mich doch selbst durch jenen Aberglauben zum Opfer brachte. Denn was ist”Winde weiden" anders, als die bösen Geister selbst weiden, d. h. in seinem Irrtum ihnen ein Gegenstand des Spottes und des Gelächters sein?
3. Ein erfahrener Greis bringt ihn von der Astrologie, der er sich ergeben, ab.
Daher ließ ich nicht ab, jene Gaukler zu befragen, die man Astrologen nennt, da sie so gut wie kein Opfer hatten und an keine Geister Gebete zum Zwecke der Weissagung richteten. Und doch verwirft und verdammt die wahre christliche Religion folgerichtig auch dieses. Denn gut ist es, o Herr, nur dich zu preisen und zu sprechen: „Erbarme dich meiner, heile meine Seele; denn vor dir habe ich gesündigt“73, und nicht deine Nachsicht zu vermessenem Sündigen zu mißbrauchen, sondern eingedenk zu sein des Wortes des Herrn: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nun nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre“74. Unser ganzes Heil aber drohen diese zu vernichten, die da sagen:”Vom Himmel kommen die unvermeidlichen Gründe zur Sünde und “Venus hat das getan oder Saturn oder Mars”. Natürlich, daß der Mensch ohne Schuld bleibe, er, der Fleisch und Blut und hoffärtige Verwesung ist, muß der Schöpfer und Lenker des Himmels und der Sterne angeklagt werden. Und wer anders aber ist dies als du, unser Gott, Wonne und Quell der Gerechtigkeit, der „du einem jeden vergiltst nach seinen Werken“75 und”ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz nicht verschmähst"?76
Es lebte zu dieser Zeit ein weiser Mann77, ein in seiner Kunst sehr erfahrener und hochberühmter Arzt, der als Prokonsul nach jenem Wettstreite mit eigener Hand den Siegeskranz meinem irren Haupt aufgesetzt hatte, freilich nicht als Arzt. Denn jene Krankheit heilst du allein, der „du den Stolzen widerstehest, den Demütigen aber deine Gnade gibst“78. Dennoch aber tratest du mir auch in jenem Greise nahe und ließest meiner Seele Heilung zukommen, Denn als ich ihm näher befreundet wurde und fleißig und aufmerksam seinen Reden lauschte, die, einfach in den Worten, frische, angenehme und bedeutsame Gedanken enthielten, erkannte er gar bald, daß ich mich eifrig mit den Büchern der Nativitätssteller beschäftigte, und ermahnte mich voll väterlicher Güte, sie beiseite zu werfen und Zeit und Mühe, die wichtigeren Beschäftigungen gebührten, nicht auf solche Nichtigkeiten zu verwenden. Er selbst, sagte er, habe in frühester Jugend denselben Unsinn zum Gegenstande seines Studiums gemacht, da er durch ihn seinen Lebensunterhalt zu verdienen beabsichtigt habe, und wenn er den Hippokrates 79verstanden habe, so habe er wohl am Ende auch jene Schriften verstehen können; und doch habe er nur deshalb später sie verlassen und sich dem Studium der Medizin ergeben, weil er ihre ganze Nichtigkeit erkannt und als Mann von Ehre seinen Lebensunterhalt nicht durch Täuschung seiner Mitmenschen habe erwerben wollen.”Aber du“, schloß er,”hast ja ein Mittel für dein Fortkommen in der Rhetorik; jenen Betrug aber treibst du nur zum Vergnügen und nicht aus Sorge ums tägliche Brot. Umso mehr mußt du mir in dieser Beziehung Glauben schenken, da ich es mir einst allen Eifer kosten ließ, mich gründlich darin zu unterrichten, um meine Existenz darauf zu gründen". Als ich ihn aber fragte, wieso denn die Sterndeutekunst so viele tatsächliche Erfolge aufweisen könne, antwortete er, so gut er es eben konnte, das sei eine Wirkung von der überall im ganzen Weltall vorhandenen Macht des Zufalls. Denn oft komme es vor, daß jemand sich bei einem Dichter, der etwas ganz anderes meine und beabsichtige, Rats erhole und auf den aufgeschlagenen Blättern einen wunderbar zu der Angelegenheit passenden Vers finde; so dürfe man sich auch nicht wundern, wenn aus der menschlichen Seele auf höheren Antrieb, nicht durch Kunst, sondern durch Zufall, so daß sie selbst nicht wisse, was in ihr vorgehe, Worte herausklängen, die mit den Verhältnissen und dem Vorhaben des Fragenden übereinstimmten.
Diese Belehrung hast du mir nur von ihm oder durch ihn zukommen lassen und so in meinem Geiste einige Richtlinien aufgezeichnet, worauf ich später meine eigenen Forschungen gründen sollte. Damals aber konnten weder er noch mein teuerster Nebridius, ein charaktervoller, sittenreiner Jüngling, der über diese ganze Wahrsagerei lachte, mich überreden, davon abzulassen; noch hatten jene Schriftsteller zu großen Einfluß auf mich und ich selbst keinen sicheren Beweis, wie ich ihn verlangte, gefunden, woraus sich mir ohne allen Zweifel ergeben hätte, daß, was sie auf Anfragen Wahres sagten, ein Spiel des Zufalls und nicht eine Wirkung ihrer astrologischen Kenntnisse sei.
4. Krankheit und Taufe eines Freundes, den er auch in seine Irrtümer verwickelt hat und über dessen Tod er aufs heftigste trauert.
In jenen Jahren, gleich als ich in meiner Vaterstadt zu lehren begann, hatte ich einen Freund gewonnen, durch gemeinschaftliche Studien und gleiches Alter (wir beide waren in der Blüte der Jugend) mir besonders teuer. Als Knaben waren wir zusammen aufgewachsen, waren zusammen in die Schule gegangen und hatten mitsammen gespielt. Doch war unser Verhältnis damals noch nicht so innig, obwohl auch später von einer wahren Freundschaft nicht die Rede sein konnte; denn diese existiert nur dort, wo du sie knüpfest in Seelen, die dir anhangen, in der Liebe, „die in unsern Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist“80. Aber dennoch war sie süß, geschlossen in glühender Begeisterung für gemeinsame Studien. Denn vom wahren Glauben, dem der Jüngling nicht wahrhaft und