Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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ihnen recht bald unsern Hochzeitsbesuch abstatten.«

      »Mein Liebes, wie soll ich denn bis dahin kommen? Randalls liegt so weit weg. Ich könnte nicht halb so weit gehen.«

      »Aber nein, Papa, niemand denkt daran, daß Sie zu Fuß gehen sollen. Natürlich müssen wir im Wagen hinfahren.«

      »Im Wagen? Aber James wird für einen so kurzen Weg nicht gern die Pferde anspannen; und wo sollen die armen Pferde bleiben, während wir unsern Besuch machen?«

      »Sie müssen in Mr. Westons Stall untergestellt werden, Papa. Das haben wir doch alles schon abgemacht. Gestern abend haben wir ja alle Einzelheiten mit Mr. Weston besprochen. Und was James betrifft, so können Sie sicher sein, daß er uns immer liebend gern nach Randalls fährt, weil seine Tochter dort Hausmädchen ist. Ich zweifle eher, ob er uns je woanders hinfahren mag. Das haben Sie so schön eingefädelt, Papa. Sie haben Hannah diese gute Stelle verschafft. Niemand hatte an Hannah gedacht, bis Sie den Vorschlag machten; James ist Ihnen so dankbar!«

      »Ja, das freut mich, daß ich an sie gedacht habe. Es war ein Glück, denn ich möchte um alles in der Welt nicht, daß der arme James sich übergangen fühlt; und ich bin sicher, sie wird ein braves Hausmädchen. Sie ist immer so höflich, hat einen so netten Ton; ich halte große Stücke auf sie. Wenn ich sie treffe, macht sie jedesmal einen Knicks und fragt mich so nett, wie es mir geht, und als du sie zum Nähen hier hattest, habe ich bemerkt, daß sie immer den Türknopf richtig herumdreht und die Tür nicht zuschlägt. Gewiß wird sie ein ausgezeichnetes Hausmädchen; und für die arme Miss Taylor wird es ein großer Trost sein, ein gewohntes Gesicht um sich zu haben. Weißt du, wenn James hingeht, seine Tochter zu besuchen, wird sie jedesmal von uns hören. Er kann ihr dann erzählen, wie’s uns allen geht.«

      Emma ließ sich keine Mühe verdrießen, diese erfreulicheren Gedanken in Fluß zu halten, und hoffte, mit Hilfe des Puffspiels ihrem Vater leidlich über den Abend hinwegzuhelfen, so daß sie sich nur mit ihrer eigenen Trübsal herumzuschlagen brauchte. Doch kaum war der Spieltisch herangerückt, da kam Besuch und machte ihn überflüssig.

      Mr. Knightley, ein Mann von lebhaftem und klarem Geist und Herzen, etwa sieben- oder achtunddreißig, war nicht nur ein alter und vertrauter Freund der Familie, sondern ihr als älterer Bruder von Isabellas Gatten noch besonders verbunden. Er wohnte ungefähr eine Meile von Highbury entfernt, war ein häufiger und stets willkommener Gast und diesmal noch willkommener als sonst, da er ein paar Tage auf Reisen gewesen war und soeben von ihren gemeinsamen Verwandten in London kam. Er war zum späten Abendessen heimgekehrt und nun nach Hartfield gewandert, um zu berichten, daß am Brunswick Square alles wohlauf sei. Das war sehr erfreulich und belebte Mr. Woodhouse für eine Weile. Mr. Knightley hatte eine heitere Art, die ihm immer wohltat, und seine vielen Fragen nach der »armen Isabella« und ihren Kindern wurden höchst zufriedenstellend beantwortet. Darauf bemerkte Mr. Woodhouse dankbar:

      »Es ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Knightley, uns zu so später Stunde noch aufzusuchen. Ich fürchte, Sie haben einen schrecklichen Weg hinter sich.«

      »Aber nein, Sir, es ist eine schöne Mondnacht und so mild, daß ich mich von Ihrem großen Feuer zurückziehen muß.«

      »Aber es muß doch sehr feucht und schmutzig gewesen sein. Hoffentlich erkälten Sie sich nicht!«

      »Schmutzig, Sir? Schauen Sie meine Schuhe an. Nicht ein Spritzer.«

      »Nun, das ist recht erstaunlich, denn wir hatten viel Regen. Während wir beim Frühstück saßen, hat es eine halbe Stunde lang ganz furchtbar geschüttet. Ich wollte schon, sie sollten die Hochzeit aufschieben.«

      »Dabei fällt mir ein, ich habe Sie noch gar nicht dazu beglückwünscht. Doch ich weiß zu gut, wie es mit Ihrer Freude über diese Hochzeit bestellt ist, darum hatte ich’s mit dem Gratulieren nicht eilig. Aber ich hoffe, es ist alles leidlich vonstatten gegangen. Wie haben sie sich alle aufgeführt? Wer hat am meisten geweint?«

      »Ach, die arme Miss Taylor! Ja, es ist eine traurige Sache.«

      »Armer Mr. Woodhouse und arme Emma, bitte! ›Arme Miss Taylor‹ kann ich beim besten Willen nicht sagen. Ich schätze Sie und Emma sehr, aber wenn’s um Abhängigkeit oder Unabhängigkeit geht! Jedenfalls ist es wohl leichter, wenn man’s nur einem recht machen muß statt zweien.«

      »Besonders, wenn der eine von diesen beiden so ein überspanntes und schwieriges Menschenkind ist!« sagte Emma necklustig. »Das meinen Sie doch, ich weiß es wohl – und sicherlich würden Sie’s auch sagen, wenn mein Vater nicht dabei wäre.«

      »Ich glaube, mein liebes Kind, das ist wirklich nur allzu wahr«, sagte Mr. Woodhouse mit einem Seufzer. »Ich fürchte, ich bin manchmal recht überspannt und schwierig.«

      »Mein liebster Papa! Sie denken doch wohl nicht, ich spielte auf Sie an – oder gar, Mr. Knightley meinte Sie! O nein! Ich meinte nur mich selber. Mr. Knightley findet nämlich gern etwas an mir auszusetzen; natürlich im Scherz, es ist alles nur Scherz. Wir werfen uns einfach immer an den Kopf, was uns gerade Spaß macht.«

      Wirklich war Mr. Knightley einer der wenigen Menschen, die Emma Woodhouse nicht ohne Fehl und Tadel fanden, und der einzige, der es ihr sagte. Und Emma, die selber nicht sonderlich davon erbaut war, wußte, ihr Vater würde es noch weniger sein, und wollte nicht den Argwohn in ihm aufkommen lassen, daß nicht jedermann sie vollkommen finde.

      »Emma weiß, daß ich ihr nie schmeichle«, sagte Mr. Knightley; »aber was ich sagte, war nicht anzüglich gemeint. Miss Taylor mußte bisher immer mit zwei Leuten auskommen, und jetzt ist’s nur noch einer. Dabei kann sie nur gewinnen.«

      »Nun«, sagte Emma, die lieber darüber hinwegging, »Sie möchten gewiß etwas über die Hochzeit hören; ich will Ihnen gern davon erzählen, denn wir haben uns alle reizend benommen. Jeder war pünktlich, jeder zeigte sich von der besten Seite. Nicht eine Träne, kaum ein langes Gesicht war zu sehen. Ach nein, wir alle sagten uns, daß wir ja nur eine halbe Meile auseinander gingen und uns gewiß alle Tage wiedersähen.«

      »Die liebe Emma trägt alles so tapfer«, sagte ihr Vater. »Aber, Mr. Knightley, sie trauert der armen Miss Taylor doch sehr nach, und ich bin überzeugt, sie wird sie noch mehr vermissen, als sie glaubt.«

      Zwischen Tränen und Lächeln schwankend, wandte Emma ihr Gesicht zur Seite.

      »Wie sollte sie auch eine so liebe Gefährtin nicht vermissen«, sagte Mr. Knightley. »Wir hätten Emma ja nicht so gern, Sir, wenn wir ihr das zutrauten. Aber sie weiß auch, wie vorteilhaft diese Heirat für Miss Taylor ist; sie weiß, wie willkommen es in Miss Taylors Alter sein muß, ein eigenes Heim zu gründen, und was es für sie bedeutet, sich so wohlversorgt zu wissen; und darum darf sich Emma dem Trennungsschmerz nicht so hingeben wie der Freude. Wer Miss Taylor zugetan ist, muß doch froh sein, sie so glücklich verheiratet zu sehen.«

      »Und einen weiteren Grund, mich zu freuen, haben Sie vergessen«, sagte Emma, »und sogar einen sehr triftigen Grund – nämlich, daß ich selbst die Ehe gestiftet habe. Vor vier Jahren schon, müssen Sie wissen, hab ich die Verbindung geplant; und daß es so gekommen ist, daß ich recht behalten habe, obwohl so viele Leute sagten, Mr. Weston werde nie wieder heiraten, das kann mich über alles hinwegtrösten.«

      Mr. Knightley schüttelte den Kopf über sie. Ihr Vater erwiderte zärtlich: »Ach, mein liebes Kind, laß das lieber, das Ehestiften und Prophezeien, denn alles, was du sagst, trifft ein. Bitte, stifte keine Ehen mehr.«

      »Nicht für mich selber, das verspreche ich Ihnen, Papa, aber für andre muß ich’s unbedingt. Nichts auf der Welt macht soviel Vergnügen! Und nach einem solchen Erfolg, wissen Sie! Jeder sagte, Mr. Weston heiratete nicht wieder. Ach, um Himmels willen, nein! Mr. Weston, der so lange Witwer gewesen war und sich ohne Frau vollkommen wohlzufühlen schien, der gänzlich ausgefüllt war von seinen Geschäften in der Stadt und seinen Freunden hier, überall gern gesehen, wo er auch hinging, immer vergnügt – Mr. Weston brauchte nicht einen einzigen Abend im Jahr allein zu verbringen, wenn er keine Lust dazu hatte. O nein! Mr. Weston dachte nicht daran, wieder zu heiraten. Manche Leute wollten sogar wissen, er hätte es seiner Frau auf dem Sterbebett gelobt, und andre sagten, sein Sohn und der


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