Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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von der Pfalz, den die Umstände dazu bestimmt hatten, jenem die Waage zu halten. Die böhmischen Stände hatten einen schweren Fehler begangen, indem sie zu Lebzeiten des Mathias sich bewegen ließen, einstimmig Ferdinand zum künftigen König anzunehmen, um, wie sie sich ausdrückten, den Gegensatz zur Wahlhandlung zu bezeichnen. Als nun Mathias starb und die Furcht vor Ferdinands katholischem Eifer überwältigend wurde, konnten sie sich nur dadurch von ihm befreien, daß sie ihn absetzten, und hatten doch selbst einen Präzedenzfall zugunsten des Erbrechts geschaffen. Da sie den vorsichtigen Sachsen nicht zum König bekommen konnten, richteten sie ihre Blicke auf die Pfalz, die seit Friedrich III. mit Sachsen um die Führerschaft der Protestanten gerungen hatte. Während das lutherische Sachsen friedliebend war und sich an den Kaiser anlehnte, war die calvinische Pfalz kriegerisch, angriffslustig, nur daß Friedrich V., jung und spielerisch, nicht zum Vertreter der von seinen Vorfahren eingeleiteten Politik geeignet war. Es war ihm nicht wohl zumute, als die Notwendigkeit, sich zu entscheiden, an ihn herantrat, und uns, die wir den Ausgang kennen, erscheint es als unbegreiflicher, fast verbrecherischer Leichtsinn von ihm und seinen Räten, daß sie eine Tat wagten, der die verfügbaren Kräfte so wenig angemessen waren. Der festen Zielsetzung und den bestimmt begrenzten Plänen der Katholiken standen die Protestanten schwächlich und zerfahren gegenüber. Den Lutheranern waren die Calvinisten unsympathischer als die Katholiken; es schien zuweilen so, als kämen ihnen die Katholiken wie etwas Höheres vor, als fühlten sie sich geschmeichelt, wenn der Kaiser und die geistlichen Kurfürsten mit ihnen auf die Jagd gingen und sie freundschaftlich wie ihresgleichen behandelten. Fast in allen Fürstenhäusern gab es wie in Sachsen einen Streitfall zwischen den verschiedenen Linien, der eine von ihnen veranlaßte, sich zum Kaiser zu halten in der Hoffnung, er werde zu ihren Gunsten entscheiden; so war es bei den Hessen, den Braunschweigern und den Wittelsbachern. Wie die albertinischen Sachsen den Vettern die Kur mißgönnt hatten, so mißgönnte sie Bayern der pfälzischen Linie. Auf die Union, das seit 1608 bestehende Bündnis der Protestanten, war so wenig zu rechnen, daß man sich nach ausländischer Hilfe umsehen mußte. Frankreich und England kamen hauptsächlich in Betracht; nun aber waren beide Mächte durch eine eigentümliche Wendung der Politik ihrer Häupter aus Feinden Spaniens Freunde Spaniens geworden, Jakob I., Sohn der Maria Stuart, so sehr, daß er sogar seinen Sohn und Thronfolger mit einer spanischen Prinzessin verheiraten wollte. Holland, das natürlich in Betracht gekommen wäre, hatte einen Waffenstillstand mit Spanien abgeschlossen, mit Dänemark und Schweden wurde fortwährend unterhandelt; allein der junge König Gustav Adolf war einstweilen durch eine kriegerische Auseinandersetzung mit Polen in Anspruch genommen, die die Katholiken, um diesen etwaigen Bundesgenossen ihrer Gegner auszuschalten, auf diplomatischem Wege zu verlängern suchten. Immerhin waren die Räte des jungen Pfälzers, namentlich der gebildete, liebenswürdige, immer durch große Pläne beschwingte Christian von Anhalt, dem er ganz vertraute, der Meinung, der König von England, mit dessen Tochter Friedrich verheiratet war, werde seinen Schwiegersohn nicht im Stiche lassen, wenn er sich einmal in die große Angelegenheit eingelassen hätte. In Böhmen waren die Verhältnisse in mancher Hinsicht denen in den Niederlanden ähnlich: auch in Böhmen kam zu dem Gegensatz der Bekenntnisse der nationale und der ständisch-monarchische. Wie in den Niederlanden, gab es auch in Böhmen einen katholischen, königstreuen Adel, so daß von einer einheitlichen Opposition keine Rede sein konnte; aber in zwei Punkten unterschied sich die Lage in Böhmen sehr zuungunsten von der niederländischen, daß nämlich hinter den Führern keine so zum äußersten Widerstande bereite Bevölkerung stand und daß unter den Führern kein Wilhelm von Oranien war. Graf Mathias Thurn, ein Deutscher, der nicht einmal der böhmischen Sprache mächtig und auch nicht in Böhmen begütert war, war hitzig und mutig, aber kein überlegener Kopf und im Felde nicht glücklich. Der gesamte protestantische Adel Böhmens, fast durchgehends von ehrlichem Glaubenseifer erfüllt und stolz auf seine ständischen Rechte und aristokratische Unabhängigkeit, war nicht imstande, das Land zum Aufstande zu organisieren. Trotzdem glaubten sie, daß die Stunde ihnen günstig sei, und der Zustand der österreichischen Ländermasse war so, daß sie es glauben konnten. Dem Beispiel der Böhmen folgend erhoben sich überall die protestantischen Stände, Ungarn und die Erblande wankten. Die Böhmen inkorporierten Länder Mähren, Schlesien und die Lausitzen, dazu Glatz, Elbogen und Eger, letztere zum Reich gehörig, nur durch Pfändung an Böhmen gekommen, waren überwiegend protestantisch und zum Widerstand entschlossen. Viele waren der Meinung, daß es mit Habsburgs Macht und Glück am Ende sei. Ferdinands Lage wäre in der Tat verzweifelt gewesen, wenn nicht Spanien und Maximilian mit den Truppen der Liga, dem Bunde der katholischen Reichsfürsten, ihm zur Seite gestanden hätten. Der ligistische Feldherr, Joh. Tserclaes von Tilly, aus einer Lütticher Familie stammend, hatte sich in den niederländischen Feldzügen und gegen die Türken Erfahrung und Ansehen erworben; er rühmte sich, nie Wein getrunken, nie eine Frau berührt und nie eine Schlacht verloren zu haben. Neben seiner militärischen Tüchtigkeit zeichneten ihn Zuverlässigkeit und Uneigennützigkeit aus.

      Ihm hatten die Böhmen außer dem Grafen Mathias Thurn den feurigen Christian von Anhalt und Ernst von Mansfeld entgegenzustellen. Mit diesem tritt zum erstenmal einer jener abenteuernden Krieger auf, die wie fremde Dämonen in die aufgewühlte Zeit einbrechen. Zwischen den um ihren Glauben Kämpfenden stehen sie glaubenslos, kalt, selbstherrlich, ohne Volk, ohne Vaterland, ohne irgendeine andere Zügelung der nackten Begierde als die Ehre. Der Ehre gaben sie selbst den Inhalt: sie hinderte sie nicht, das gegebene Wort zu brechen, ihren Herrn oder ihre Richtung zu wechseln, nur der persönliche Mut mußte über dem Zweifel bleiben. Daß sie die Gefahr liebten, in den Schrecken des Krieges wie der Salamander im Feuer sich heimisch fühlten, im Griff des Todes nicht erblaßten, das war ihr Kennzeichen und ihre Würde. Mansfeld war der natürliche Sohn jenes Grafen Mansfeld, der beim niederländischen Aufstande als Statthalter von Luxemburg zu Spanien hielt; sein Ziel war, als rechtmäßiger Erbe des Vaters anerkannt zu werden, und da ihm das von Spanien nicht gewährt wurde, ging er zu den Protestanten über. Während er die Sache der Böhmen verfocht, stand er fast ununterbrochen in verräterischen Unterhandlungen mit dem Feinde; wieweit es ihm damit Ernst war, wußte er vielleicht selbst nicht immer. Die Möglichkeit, das Glück, wo es auch sei, zu ergreifen, wollte er sich offenhalten. Die größte Schwierigkeit bestand für Mansfeld in noch höherem Grade als für die meisten Heerführer der damaligen Zeit in der Geldnot, die in Böhmen besonders groß war. Die Finanzverwaltung war elend, die Opferwilligkeit gering. Die Regierung suchte sich durch Konfiskationen zu helfen, die sie über reiche Katholiken verhängte, und beschritt damit einen bedenklichen Weg, ohne dauernd Hilfe zu schaffen; die dadurch gewonnenen Summen wurden sofort von den Bedürfnissen des Augenblicks verschlungen. Erfolge, die greifbar nahe schienen, entgingen Mansfeld durch Meuterei der Soldaten, die ihren Sold verlangten. Es ist charakteristisch für die Zeit, daß, während das Notwendigste, die regelmäßige Besoldung der Soldaten, nicht zu erreichen war, an den Höfen sinnlose Verschwendung herrschte. Auch Friedrich, so ungesichert seine Lage war, richtete sich prunkvoll in Prag ein, sehr verschieden von dem sparsamen Herzog von Bayern, dessen Truppen auf pünktliche Entlohnung rechnen konnten. Sehr bald wurde es den Böhmen klar, daß sie keinerlei Nutzen von dem pfälzischen König hatten. An sein starres Bekenntnis gebunden, führte er sofort den Calvinismus ein und ließ die altehrwürdigen Kunstwerke von den Mauern des Domes herunterreißen, um ihm die frostige Strenge aufzuzwingen, die er für gottgefällig zu halten gelehrt war. Mit Schmerz und Entrüstung sahen die Utraquisten dieser Gewaltsamkeit zu, die ihnen ebenso widerwärtig war wie der Fanatismus Ferdinands und warme Anhänglichkeit an den deutschen König nicht aufkommen ließ. Hätte er wenigstens die Kampffreudigkeit und Unbeugsamkeit der Calvinisten gehabt! Aber die Niederlage am Weißen Berge unterhalb der Mauern Prags entmutigte ihn dermaßen, daß er den Widerstand aufgab und mit seiner Familie und einem Teil der Führer des Aufstandes entfloh.

      Der entscheidende Sieg des Kaisers war dem Herzog von Bayern und Tilly zu verdanken. In unglaublich kurzer Zeit, einer Stunde, war er erfochten; die ausgezeichnete Tapferkeit des jungen Grafen Thurn, Sohnes des Mathias, hatte die Flucht der Ungarn nicht aufwiegen können. Wenn sich Mansfeld auch noch hielt, konnte Ferdinand sich doch als Herr Böhmens betrachten, und er schritt dazu, die Unterwerfung des Landes so durchzuführen, wie sie ihm von Anfang an vorgeschwebt hatte. Wie nicht selten Herrscher, die persönlich gutmütig und nicht soldatisch sind, kannte er, nachdem der Sieg ihm die Macht gegeben hatte, keine Grenzen in ihrer Betätigung. Während der strenge und selbstbewußte Herzog von Bayern eine gewisse Schonung anempfahl, damit


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