Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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wollte. Was man von den steinernen Herzen der Sachsen sagte, ließ sich auf Heinrich anwenden: sein Trotz wich der Verständigung, die der Kaiser suchte, aus und zwang ihn dadurch, den Forderungen des Fürstenbundes nachzugeben, der den Herzog vernichten wollte. Friedrich hatte es ausgezeichnet verstanden, die hochmütige Adelsfamilie, die im Kaiser den von ihr erwählten Vertreter ihrer Interessen sah, zugleich zu ehren und zu beherrschen; um so weniger konnte er die offene Widersetzlichkeit eines der Ihren unbestraft lassen. Oft hatten seine vielen Feinde sich gegen ihn lahm gewütet, so, dachte der Herzog, würde es wieder einmal gehen; aber er mußte erleben, daß den Geächteten fast alle seine Anhänger verließen. Unter den wenigen, die bei ihm ausharrten, war der tapfere Graf Bernhard zur Lippe. Als der Herzog sich nach verzweifelter Gegenwehr unterwerfen mußte und unter kaiserlichem Geleit nach Lüneburg kam, wo der Kaiser sich aufhielt, sagte er zu den Rittern, die ihm entgegenkamen: »Sonst pflegte ich hierzulande von niemandem Geleit zu erhalten, sondern andern zu geben!« Nur dieser karge Ausdruck des Schmerzes ist von dem gestürzten Löwen überliefert. Am meisten gewann durch seinen Untergang der Erzbischof von Köln, Philipp von Hainsberg, der, kaum daß er seine Beute in Sicherheit gebracht hatte, zum Papst überging und des Kaisers Feind wurde. Er erhielt die westliche Hälfte Sachsens mit allen herzoglichen Rechten, mit der kleineren östlichen wurde einer der Söhne Albrechts des Bären belehnt.

      Bayern bekam Otto von Wittelsbach, nachdem die Steiermark davon abgetrennt worden war, Heinrich behielt seine Eigengüter, Braunschweig und Lüneburg, die später Friedrich II. mit der ehemaligen Grafschaft Stade vereinigt und zum Herzogtum erhoben einem Enkel Heinrichs übergab. Als der Kaiser den Kreuzzug antrat und die sächsischen Fürsten mit Recht fürchteten, Heinrich werde dessen Abwesenheit nützen, um sie zu überfallen, schlug Friedrich seinem Vetter vor, sich entweder mit einer sofortigen, aber nur teilweisen Wiedereinsetzung zu begnügen oder ihn ins Heilige Land zu begleiten, um nachher alle seine Lehen wiederzubekommen. Da er trotzig beides ablehnte, wurde ihm auferlegt, das Festland zu verlassen, und er ging nach England an den Hof des Königs, seines Schwiegervaters. Wie verderblich die Auflösung des sächsischen Herzogtums auch für das Reich war, im Augenblick genoß der Kaiser die Frucht seiner Zugeständnisse an die Fürsten. Sein Ansehen war größer als je und stellte sich auf dem Reichstage zu Mainz im Jahre 1184 eindrucksvoll dar. Die Schwertleite seiner beiden ältesten Söhne, Heinrichs, der schon den Königstitel trug, und Friedrichs, Herzog von Schwaben, gab Gelegenheit zu großartigen ritterlichen Spielen, an denen der Sechzigjährige sich rüstig beteiligte. Indessen war zwischen Papst und Kaiser bereits wieder eine Verstimmung eingetreten. Man hatte beim Frieden von Venedig, um nur zum Schlusse zu kommen, die Frage der Mathildischen Güter unerledigt gelassen; es war natürlich, daß sie wieder auftauchte und ebenso unlösbar blieb wie früher. Im Hinblick auf die Investitur sagte der Kaiser, er habe nachgeforscht und erfahren, daß seine Vorfahren, die alten Kaiser, Bischöfe nach Belieben gewählt und eingesetzt hätten. Soweit seine Vorfahren auf dies Recht verzichtet hätten, wolle er das auf sich beruhen lassen; was ihm aber an Rechten geblieben sei, wolle er sich nicht beschränken lassen. Da die Päpste nicht nur eine vom Kaiser ganz unabhängige Wahl der Bischöfe, sondern eine von ihnen abhängige wollten, bestand auch hierin ein unvereinbarer Gegensatz. Vollends erbitterte den Papst, was Friedrich als seinen größten Erfolg ansah, daß es ihm gelungen war, seinen Sohn Heinrich mit Constanze, der Erbin des Königreichs Sizilien, zu verloben. Wäre nicht Urban III. als Angehöriger einer Familie, die seinerzeit durch die Zerstörung Mailands schwer betroffen gewesen war, ohnehin ein unversöhnlicher Gegner des Kaisers gewesen, er hätte es werden müssen bei der Aussicht, den Kaiser als Besitzer desjenigen Landes zu sehen, auf das der Papst sich gegen den Kaiser zu stützen pflegte. Sowohl Lucius wie Urban weigerten sich, den jungen Heinrich zum König von Italien zu krönen. Großartig unbekümmert ließ Friedrich die Zeremonie durch den Patriarchen von Aquileja vollziehen und verlieh seinem Sohne selbst den Cäsarentitel. Um seinen Triumph zu vollenden, erbat sich die völlig versöhnte Stadt Mailand die Ehre, daß Heinrichs Hochzeit mit Constanze in ihren Mauern gefeiert werde.

      Stellt man sich vor, wie Christian von Mainz unter dem Segen des Papstes starb und wie die Mailänder Barbarossa umjubelten, als er seinen Sohn mit der Erbin Siziliens verheiratete, will es einem vorkommen, als wären die Taten der Menschen nicht anders als Naturerscheinungen, Wolken oder Winde, die kommen und gehen, sich bilden und verschwinden, zerstören und befruchten. Und doch ist in dem verschlungenen Wechsel und der scheinbaren Wahllosigkeit eine stetige Folge und ein fester, tragischer Gang, im Schicksal des Reiches wie in dem des Kaisers und jedes einzelnen, ja zuweilen ist es, als fügten weit entlegene Ereignisse sich zusammen, um vorbestimmte Ergebnisse zu erzeugen. Von solcher Wirkung war die Eroberung Jerusalems durch Saladin im Jahre 1187, die im Abendlande allgemeine Erregung hervorrief und den Kaiser veranlaßte, sich selbst an die Spitze eines Zuges zur Wiedergewinnung der Heiligen Stadt zu stellen. Auf dem Reichstage zu Gelnhausen, der ein Jahr vorher stattfand, verfaßten zahlreich versammelte Bischöfe ein Schreiben an den Papst, in dem sie sich für verpflichtet erklärten, dem Kaiser, von dem sie ihre weltlichen Güter hätten, zur Seite zu stehen, und in dem sie den Papst baten, seinen berechtigten Forderungen zu entsprechen. Wieder scharten sich weltliche und geistliche Fürsten um die Krone. Diese Einigkeit des Reiches, die Befestigung der Dynastie, die sichere Stellung dem Papst gegenüber, die Wahrung der Reichsrechte in Italien, alle drei großen Erfolge waren hauptsächlich dem Charakter des Kaisers zu danken. Wieviel der Geist und Wille eines einzelnen tragen und bewegen kann, erlebten die Menschen an ihm. Daß er immer das Große und Rechte wollte und seine Person mit allen Kräften einsetzte, um es durchzuführen, das trug ihm die dankbare Liebe seines Volkes und die Anerkennung der christlichen Nationen ein. Schon die äußere Erscheinung des alten Mannes, der sich zum Kreuzzuge rüstete, vergegenwärtigte die imponierende Existenz eines Kaisers, der in harten Kämpfen das Nur-Persönliche abgestreift hat und eins geworden ist mit seinem Reich. Entwaffnet durch die heilige Aufgabe, der der Kaiser sich unterzog, erbot sich der ohnehin versöhnliche Papst Clemens seinen Sohn Heinrich, dem er die Reichsregierung übertragen hatte, und Constanze in Rom zu krönen.

      Friedrich war bei den Vorkehrungen für den Feldzug so praktisch verfahren, daß man auf glückliches Gelingen hoffen konnte. Für die Verproviantierung auf der Reise war gesorgt, und damit nicht eine Menge Gesindel sich anschließe, das gewöhnlich die Kreuzzüge erschwerte, war verordnet, daß niemand, abgesehen von den Knechten und Handwerkern, mitgehen dürfe, der nicht Geld genug zum Ankauf von Lebensmitteln für zwei Jahre habe. Trotzdem ging die Reise nicht ohne Unfälle, Leiden und Kämpfe vor sich, die aber überwunden wurden, ohne daß der Kaiser an Frische und Zuversicht verloren hätte. Da, am 10. Juni 1190, ertrank er beim Baden im Flusse Saleph, womit er sich nach Übersteigung eines rauhen Gebirges erquicken wollte. Sein Sohn Friedrich führte das Heer nach Akkon, das von dem Teil des Kreuzheeres, der zu Schiffe gereist war, belagert wurde, und starb dort im Anfang des Jahres 1191 an einer Seuche.

       Inhaltsverzeichnis

      Durch den Chronisten Eckehard von Aura erfahren wir, daß von der Kreuzzugspredigt, die im Jahre 1096 die Westfranken so mächtig aufregte, nach Deutschland keine Kunde drang, so daß die Deutschen, als Kreuzfahrer aus dem Nachbarlande über die Grenze kamen, sie als Narren verhöhnten, Narren, die, wie sie sagten, das Gewisse für Ungewisses aufgaben, das Vaterland verließen, um ein unsicheres Land der Verheißung aufzusuchen, auf ihr Eigentum verzichteten, um fremdes Gut zu erwerben. Als etwa fünfzig Jahre später Bernhard von Clairvaux die Kreuzzugspredigt erneuerte, nannten die Jahrbücher von Würzburg dies Ereignis eine schwere Heimsuchung der abendländischen Kirche, und die Prediger, die zu einem so unsinnigen Unternehmen aufforderten, Söhne des Belial und Jünger des Antichrist. Spricht auch nicht die Meinung aller aus solchen vereinzelten Äußerungen, so geht doch aus den Tatsachen hervor, daß die Idee der Kreuzzüge vom Papst ausging und von den Franzosen und Normannen am feurigsten ergriffen wurde. Eckehard von Aura erklärt die Empfänglichkeit der Franzosen damit, daß Gallien in den letzten Jahren durch Bürgerkrieg und Hungersnot sehr gelitten habe und deshalb von seinen Bewohnern gern verlassen werde; allein der Grund ist gewiß auch darin zu suchen, daß die Ritterlichkeit und Abenteuerlust des französischen Adels daheim nicht genügend Nahrung fanden. In Deutschland war das anders. Im Norden und Osten waren die Deutschen


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