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Читать онлайн книгу.sofort wieder abzuwenden. »Schau, schau,« sagte er sich, »sollte ich die auch schon erobert haben?«
Die Geldsammlerinnen kamen vorbei, die Börsen waren bereits voll gefüllt mit Gold und Silber und ein neuer Zettel erschien auf dem Podium mit der Ankündigung: »Grrrroße Überraschung.« Die Mitglieder der Jury begaben sich auf ihre Plätze. Alles wartete.
Es erschienen zwei Frauen im Fechtkostüm mit dem Florett in der Hand. Sie trugen ein dunkles Trikot und ganz kurze Röckchen, die nur zur Hälfte die Schenkel bedeckten. Sie hatten, einen starken Schutzpolster auf der Brust an, so daß sie den Kopf hoch tragen mußten und nicht senken konnten. Sie waren hübsch und jung und lachten, als sie die Zuschauer begrüßten. Langer Beifall empfing sie.
Dann nahmen sie Stellung, während sich das Publikum galante und nette Scherze zuflüsterte. Ein liebenswürdiges Lächeln trat auf die Gesichter der Preisrichter, die jeden Treffer mit einem leichten Bravoruf begleiteten.
Den Zuschauern gefiel dieser Kampf und sie äußerten darüber ihre Freude. Sie erregten die Begierde der Männer und erweckten bei den Damen den angeborenen Sinn des Pariser Publikums für die etwas zweideutigen Keckheiten, für den knalligen Dirnenschick und für die Pseudoeleganz und Pseudograzie der Kabarett-und Operettensängerinnen.
Jedesmal, wenn eine der Fechterinnen ausfiel, durchlief ein Zucken der Freude das Publikum. Besonders die eine, die dem Publikum den Rücken zuwandte, ließ den Mund und die Augen der Zuschauer aufsperren, und es war nicht gerade das Spiel der Handgelenke, was man am gierigsten betrachtete.
Sie erhielten tosenden Beifall.
Es folgte ein Säbelfechten, das aber kaum beachtet wurde; denn alle lauschten neugierig, was über ihnen eigentlich vorging. Seit einigen Minuten hatte man ein Geräusch vernommen, als ob man eine Wohnung ausräumte; die Möbel wurden lärmend umhergerückt und über den Fußboden geschleift. Plötzlich ertönte durch die Decke Klavierspielen und man hörte ganz deutlich ein rhythmisches Stampfen der Füße. Die Gäste oben hatten einen Ball veranstaltet, um sich dadurch zu entschädigen, daß sie nichts gesehen hatten.
Das Publikum im Fechtsaal brach zuerst in lautes Gelächter aus, dann aber erwachte bei den Damen die Tanzlust, sie kümmerten sich nicht darum, was auf dem Podium vorging und sprachen ganz laut miteinander. Man fand den Einfall der Zuspätgekommenen, einen Ball zu veranstalten, sehr witzig; da oben langweilten sich die Leute offenbar nicht, und nun wollte man auch hinauf.
Inzwischen waren zwei neue Kämpfer aufgetreten; sie salutierten und nahmen Stellung ein, so sicher und gebieterisch, daß alle Blicke ihre Bewegungen aufmerksam verfolgten. Sie fielen aus und richteten sich auf mit solcher elastischen Grazie, mit so maßvoller Energie, mit so sicherer Kraft und so ruhigen kunstgerechten Bewegungen, daß auch die laienhafte Menge überrascht und hingerissen wurde.
Ihre Genauigkeit beim Treffen, ihre besonnene Gewandtheit, ihre schnellen Bewegungen, die so gut berechnet waren, daß sie langsam erschienen, zogen die Blicke auf sich und fesselten sie durch die Macht der Vollkommenheit ihrer Kunst. Das Publikum fühlte, daß ihm hier etwas selten Schönes vorgeführt wurde, daß zwei große Künstler in ihrem Fach das Beste vorführten, was es an Geschicklichkeit, List, Erfahrung und physischer Kraft geben konnte. Niemand sprach ein Wort, so sehr waren alle Blicke an sie gefesselt. Dann, als sie den letzten Stoß gewechselt, und sich die Hand geschüttelt hatten, brach ein tobender Beifallssturm aus. Man stampfte mit den Füßen, man schrie und heulte. Jeder kannte ihre Namen: es waren Sergent und Ravignac.
Die aufgeregten Gemüter wurden streitsüchtig. Die Männer sahen ihre Nachbarn mißtrauisch und feindlich an; man hätte eines Lächelns wegen leicht ein Duell provozieren können; sogar Leute, die nie ein Florett in der Hand gehalten hatten, probierten mit ihren Spazierstöcken alle möglichen Hiebe und Paraden.
Nach und nach strömte jedoch die Menge die kleine Treppe wieder hinauf. Man wollte endlich etwas zu trinken haben. Ein allgemeiner Unwille entstand, als man feststellte, daß die Tanzlustigen das Büfett bereits vollständig ausgeplündert hatten, dann mit der Erklärung fortgegangen waren, es wäre unerhört, zweihundert Menschen hierher zu bestellen und ihnen überhaupt nichts zu zeigen.
Nichts war mehr da, keine Süßigkeit, kein Stückchen Kuchen, kein Tropfen Champagner, keine Limonade, Bier, keine Früchte, nichts. Alles war geplündert, geraubt und fortgegessen.
Man ließ die Diener die Einzelheiten erzählen; sie bemühten sich dabei ernste Gesichter zu machen, konnten jedoch das Lachen kaum unterdrücken. »Die Damen waren wilder als die Männer,« versicherten sie, »sie haben gegessen und getrunken, bis sie krank wurden.« Es klang fast so, als schilderten Überlebende den Überfall und die Plünderung einer Stadt während eines Raubzuges.
Nun mußte man also aufbrechen. Die Herren bedauerten die zwanzig Francs, die sie gespendet hatten und ärgerten sich über alle, die oben umsonst geschlemmt hatten.
Die Patronatsdamen hatten über dreitausend Francs gesammelt. Nach Abzug aller Unkosten blieben für die Waisenkinder des 6. Stadtbezirkes zweihundertzwanzig Francs übrig.
Du Roy hatte die Familie Walter hinausbegleitet und wartete auf seinen Landauer. Auf der Heimfahrt saß er Frau Walter gegenüber und begegnete wieder ihrem zärtlichen und flüchtigen Blick, der verlegen und verwirrt schien. »Ich glaube wahrhaftig, sie beißt an«, dachte er. Er lächelte dankbar und zufrieden, denn nun war er sicher, daß er wirklich Glück bei Frauen hatte, denn Madame de Marelle schien ihn auch, seitdem ihr Liebesverhältnis von neuem begonnen hatte, rasend und leidenschaftlich zu lieben.
Er kam sehr vergnügt nach Hause.
Madeleine erwartete ihn im Salon.
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte sie. »Die Marokkoangelegenheit wird immer verwickelter. Es ist sehr gut möglich, daß Frankreich schon binnen wenigen Monaten eine Expedition dorthin schicken wird. Auf jeden Fall wird man das benutzen, um das Ministerium zu stürzen, und dann bekommt Laroche-Mathieu endlich das Portefeuille des Auswärtigen.
Du Roy wollte seine Frau etwas necken, und tat so, als glaube er kein Wort. »Man würde doch nicht so töricht sein, mit den Dummheiten von Tunis von neuem zu beginnen.«
Sie zuckte ungeduldig die Achseln. »Aber ich sage dir, es ist so, es ist so! Begreifst du denn nicht, daß es eine wichtige Geldfrage für sie ist. Heutzutage, mein Lieber, bei allen wichtigen politischen Angelegenheiten, muß man sich fragen: ‘Wo steckt das Geschäft?’ Aber nicht wie früher: ‘Wo steckt die Frau? ’«
«Ah«, murmelte er mit gleichgültiger Miene, um sie noch mehr zu reizen.
»Du bist genau so naiv wie Forestier«, sagte sie wütend.
Sie wollte ihn verletzen und erwartete einen Zornesausbruch. Aber er lächelte und sagte:
»Wie Forestier, den du betrogen hast?«
»Oh! Georges!« murmelte sie getroffen.
»Was denn«, sagte er spöttisch. »Hast du mir nicht selbst gesagt, daß du Forestier betrogen hast?« Und im Tone tiefsten Mitleides setzte er hinzu: »Armer Teufel!«
Madeleine antwortete nichts und drehte ihm den Rücken; dann nach einer kurzen Pause sagte sie:
»Wir werden Dienstag Gäste haben. Frau Laroche-Mathieu kommt mit der Vicomtesse de Percemur zum Essen. Willst du noch Rival und Norbert de Varenne einladen? Ich will morgen Madame Walter und Madame de Marelle besuchen. Vielleicht kommt Madame Rissolin auch noch.«
Seit einiger Zeit nutzte sie den politischen Einfluß ihres Mannes aus, um neue Beziehungen anzuknüpfen, und die Frauen der Deputierten und Senatoren, die die Unterstützung der Vie Française brauchten, in ihr Haus zu ziehen.
»Sehr gut,« antwortete Du Roy, »Rival und Norbert werde ich einladen.«
Er rieb sich zufrieden die Hände, denn er hatte jetzt eine gute Waffe gefunden, um seine Frau zu ärgern und seinen heimlichen Haß, seine unklare und quälende Eifersucht, die in ihm seit jener Spazierfahrt im Bois erwacht war, zu befriedigen. Er redete nie anders mehr von Forestier, ohne darauf zu deuten, daß ihm Hörner aufgesetzt worden waren.