Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.sagte kopfschüttelnd:
– Ich glaube, der wird’s nicht lange mehr machen.
Frau von Marelle bestätigte ernst:
– Ja, der ist verloren. Der hat mal Glück gehabt mit seiner Frau.
Duroy fragte:
– Hilft sie ihm viel?
– Nun sie macht eigentlich alles. Sie weiß überall Bescheid, sie kennt jeden Menschen ohne so zu thun, als bemerke sie jemanden, sie kriegt fertig was sie will, wie sie es will, wann sie will. O, die ist schlauer, geschickter, intriguanter als irgend eine; die ist ein wahrer Fund für jemand, der vorwärts kommen will.
Georg fragte:
– Sie wird sich wohl bald wieder verheiraten?
Frau von Marelle antwortete:
– Gewiß, ich würde mich garnicht wundern, wenn sie schon jemand in Aussicht hätte. Einen Abgeordneten … das heißt …. vorausgesetzt, daß er will …. denn …. denn ….. denn es könnte vielleicht ein großes Hindernis, ein ….. ein moralisches ….. nun, kurz, ich weiß nichts …
Herr von Marelle brummte mit leiser Ungeduld:
– Du läßt immer eine Menge Dinge ahnen, die ich nicht mag. Wir wollen uns doch nicht um anderer Leute Angelegenheiten kümmern. Unser Gewissen soll die einzige Richtschnur für uns sein. Und sollte es für jeden sein.
Duroy ging unruhigen Geistes und Herzens, und allerlei unbestimmte Pläne tauchten in ihm auf.
Am nächsten Tage machte er Forestiers einen Besuch, und er fand sie beim Packen. Karl lag auf dem Sofa, that als könnte er gar keine Luft bekommen und sagte:
– Ich hätte seit vier Wochen schon fortgemußt.
Dann trug er Duroy eine Menge Dinge auf für die Zeitung, obgleich alles schon mit Herrn Walter geordnet und abgemacht war.
Als Georg ging, drückte er seinem Kollegen kräftig die Hand.
– Na mein Alter, auf baldiges Wiedersehen!
Aber als Frau Forestier Duroy bis zur Thür brachte, sagte er lebhaft:
– Sie haben doch unsern Pakt nicht vergessen? Wir sind Freunde, unverändert, nicht wahr? Wenn Sie mich also in irgend etwas brauchen, zögern Sie nicht, Telegramm oder Brief, ich thue was Sie wollen.
Sie flüsterte:
– Tausend Dank, ich werde daran denken.
Und auch ihr Auge schien ihm tiefen und süßen Dank zu sagen.
Als Duroy die Treppe hinabging, begegnete ihm Graf Baudrec, der langsam heraufkam und den er schon einmal bei ihr getroffen. Der Graf schien traurig zu sein, vielleicht wegen ihrer Abreise?
Duroy wollte sich als Mann von Welt zeigen und grüßte überaus artig.
Der andere gab den Gruß höflich, aber doch ein wenig stolz zurück.
Das Ehepaar Forestier reiste Donnerstag abend ab.
VII
Karls Abwesenheit verlieh Duroy große Wichtigkeit in der Redaktion der › Vie française‹. Er durfte ein paar Leitartikel schreiben, während er jedoch beim lokalen Teil blieb, denn der Chef wollte, daß jeder für seine Arbeit verantwortlich sei. Duroy hatte ein paar Zeitungspolemiken, aus denen er sich geistreich zu ziehen wußte, und seine fortdauernden Beziehungen zu Staatsmännern bereiteten ihn allmählich darauf vor, ein geschickter und umsichtiger politischer Redakteur zu werden.
Er sah nur einen dunklen Punkt am Horizont. Der kam von einem kleinen Revolverblatt, das ihn fortwährend angriff, oder vielmehr, das in ihm den Chef des lokalen Teiles der › Vie française‹ angriff. »Der Chef von Herrn Walters Lokalen Erfindungen« wie der anonyme Redakteur dieses Blattes sagte, das die »Feder« hieß.
Jeden Tag standen Niederträchtigkeiten, Sticheleien und allerhand Verunglimpfungen darin.
Jacques Rival sagte eines Tages zu Duroy:
– Sie haben aber Geduld.
Der andere stammelte:
– Ja, es sind aber doch keine direkten Angriffe.
Da hielt ihm eines Tages, als er in das Redaktionszimmer trat, Boisrenard eine Nummer der »Feder« entgegen:
– Da steht wieder was recht Angenehmes für Sie drin.
– In welcher Beziehung?
– Wegen nichts, weil eine gewisse Aubert durch einen Sittenpolizisten festgenommen worden ist.
Georg nahm das Blatt, das jener ihm hinhielt und las unter dem Titel: »Duroys kleine Scherze.«
»Der berühmte Reporter der › Vie française‹ weiß uns heute mitzuteilen, daß die Festnahme der Aubert durch einen Beamten jener verwerflichen Sittenpolizei nur in unserer Einbildung stattgefunden habe. Nun, die in Frage stehende Person wohnt im Stadtviertel Montmartre, Rue de l’Ecureuil Nummer achtzehn. Wir verstehen übrigens sehr wohl, welches Interesse, oder welche Interessen die Kulis der Walterbank daran haben, die Sache des Polizei-Präfekten, der sie duldet, zu unterstützen. Der Reporter dagegen, um den es sich handelt, sollte uns doch lieber eine jener sensationellen Nachrichten auftischen, die seine Spezialität sind: Todesmeldungen, die am nächsten Tage widerrufen werden, Berichte von Schlachten, die garnicht stattgefunden haben, wichtige Aussprüche die irgend ein Herrscher gethan haben soll, der keinen Ton geredet hat, kurz alle die Nachrichten, die Walters Profit dienen; oder irgend eine jener Indiskretionen über eine Soirée bei einer vielgenannten Dame, oder über die Güte irgend welcher Fabrikate, die für gewisse Kollegen eine Goldgrube werden.«
Der junge Mann war mehr erstaunt als wütend, er begriff nur, daß darin etwas lag, was für ihn sehr unangenehm war.
Boisrenard begann vom neuen:
– Wer hat Ihnen denn diese Nachricht gebracht?
Duroy überlegte, aber er wußte es nicht mehr. Plötzlich fiel es ihm ein:
– Ach ja, Saint-Potin, – dann las er den Absatz der »Feder« noch einmal und ward plötzlich rot, so brachte ihn der Vorwurf, daß er käuflich sei, in Wut. Er rief:
– Was, die behaupten, ich würde bezahlt?
Boisrenard unterbrach ihn:
– Allerdings, und das ist sehr fatal für Sie. Bei so etwas ist unser Chef höllisch hinterher, das könnte sonst in den lokalen Nachrichten öfter vorkommen.
Da trat gerade Saint-Potin ein. Duroy ging auf ihn zu:
– Haben Sie die Notiz der »Feder« gelesen?
– Ja, und ich komme eben von der Aubert. Sie existiert tatsächlich, aber ist nicht festgenommen worden. Daran ist kein wahres Wort.
Da ging Duroy zum Chef. Er fand ihn etwas kühl, und Herr Walter blickte ihn argwöhnisch an. Dann antwortete er, nachdem er die Sache gehört, um die es sich handelte:
– Gehen Sie selbst zu dieser Frau Aubert, und dann widerrufen Sie auf eine Art, daß man nicht wieder solche Sachen über Sie schreiben kann. Ich meine das, was da noch steht, es ist für die Zeitung sehr unangenehm, für mich und für Sie. Der Ruf eines Journalisten muß ebenso unantastbar sein, wie der einer Dame.
Duroy nahm eine Droschke; Saint-Potin fuhr mit ihm, als Führer und rief dem Kutscher zu: – Rue de l’Ecureuil 18, Montmartre.
Das Haus war riesig. Sie mußten sechs Stock hinaufklettern. Ein altes Weib in wollener Blouse öffnete:
– Na, wat woll’n Se denn schon wieder? sagte sie, als sie Saint-Potin gewahrte.
Er