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Читать онлайн книгу.am Horizont, nachdem sie noch einmal einen weiten Bogen beschrieben. Schiffe schwammen den Fluß hinauf und hinab, gezogen von Dampfern, die klein wie Fliegen aussahen, aber dicke Rauchwolken ausstießen. Inseln lagen im Wasser in einer Reihe, eine neben der andern oder auch durch weite Zwischenräume getrennt, wie ungleiche Perlen eines grünen Rosenkranzes.
Der Kutscher wartete, bis die Reisenden den Anblick genug genossen. Aus Erfahrung wußte er genau, wie lange bei den verschiedenen Besuchern die Bewunderung anhielt.
Aber als sie wieder weiterfuhren, sah Duroy plötzlich von weitem, ein paar hundert Meter entfernt, zwei alte Leute, ihnen entgegen kommen und sprang aus dem Wagen mit dem Ruf:
– Da sind sie! Ich habe sie erkannt!
Es waren zwei Bauern, Mann und Frau, die mit ungleichen Schritten daher kamen in wiegendem Gang, wobei sich ab und zu ihre Schultern berührten. Der Mann war klein, untersetzt, rot, mit leichtem Bauchansatz, kräftig trotz seines Alters; die Frau groß, trocken, gebeugt, traurig, die richtige Feldarbeiterin, die von Jugend auf geschafft hat und nie zum Lachen gekommen ist, während der Mann mit seinen Gästen schwatzte und trank.
Auch Magdalene war ausgestiegen und sah nun diese beiden armen Wesen auf sich zukommen, mit einem Herzklopfen und einer Trauer, die sie nicht für möglich gehalten. Sie erkannten ihren Sohn gar nicht, den feinen Stadtherrn, und hätten nie diese schöne Dame im hellen Kleide für ihre Schwiegertochter gehalten.
Ohne zu sprechen gingen sie schnell dem erwarteten Sohne entgegen und achteten gar nicht auf diese Stadtmenschen, denen der Wagen folgte. Sie wollten vorüber, als Georg sie lachend anrief:
– ‘n Morgen, ‘n Morgen, Vater Duroy!
Sie blieben beide sofort stehen, erst ganz erstaunt, dann wie betäubt vor Überraschung. Die Alte sammelte sich zuerst und sagte, ohne einen Schritt zu thun:
– Du bist unser Sohn?
Der junge Mann antwortete:
– Na ja! Gewiß doch Mutter!
Er ging auf sie zu, küßte sie kräftig auf beide Wangen wie ein Sohn; dann preßte er seine Backe an die des Vaters, der die Mütze abgenommen hatte, eine Mütze aus schwarzer Seide, hoch, wie man sie in Rouen trug, einer Viehhändlers-Mütze ähnlich. Dann sagte Georg:
– Das ist meine Frau! – Und die beiden Landleute blickten Magdalene an. Sie betrachteten sie wie ein Wundertier, mit geheimer Furcht und Unruhe; der Vater – mit einer Art von zufriedener Genugthuung, die Mutter – mit feindlicher Eifersucht.
Der Mann, der heiterer Gemütsart war und etwas von der Fröhlichkeit besaß, die süßer Apfelwein und Alkohol giebt, faßte Mut und fragte, indem er ein Auge zukniff:
– ‘nen Kuß wer’ ich ihr wohl geben können?
Der Sohn antwortete:
– Na, das versteht sich! – Und Magdalene, der nicht angenehm zu Mute war, hielt ihre beiden Wangen hin, um die lauten, schmatzenden Küsse des Bauern zu empfangen, der sich dann mit dem Rücken der Hand den Mund wischte.
Darauf küßte auch die Alte ihre Schwiegertochter mit feindseliger Zurückhaltung. Nein, das war nicht die Tochter, die sie sich gewünscht, ein frisches, dralles Landmädchen, rot wie ein Apfel und rundlich wie eine Zuchtstute.
Diese Dame da machte mit ihren Falbeln am Kleide und dem Moschusgestank den Eindruck wie so was nicht Richtiges; denn jedes Parfüm hielt die Alte für Moschus.
Man setzte sich hinter dem Wagen, der den Koffer des jungen Paares trug, wieder in Bewegung. Der Alte nahm seinen Sohn beim Arm, hielt ihn etwas zurück und fragte teilnahmsvoll:
– Na, sag mal, geht denn bei Dir’s Geschäft fein?
– Ja, ausgezeichnet!
– Na, das ist gut. Das freut mich! Sag mal, hat denn Deine Frau ooch was?
Georg antwortete:
– Vierzigtausend Franken!
Der Vater pfiff leise vor Bewunderung und brummte nur: – Verflucht! – Solchen Eindruck hatte ihm die Summe gemacht. Dann fügte er in wirklicher Überzeugung hinzu:
– Gott verdamm mich, das is ‘n schönes Frauenzimmer! – Denn sie gefiel ihm. Er hatte seiner Zeit für einen Kenner gegolten.
Magdalene und die Mutter gingen neben einander her, ohne ein Wort zu sprechen. Die beiden Männer holten sie ein.
Sie kamen ans Dorf, einen kleinen Ort, der längs der Landstraße lag und aus zehn Häusern auf jeder Seite bestand, bald ansehnliche, bald elende Bauernhütten, die einen aus Ziegeln, die andern aus Stein. Diese trugen Strohdächer, jene waren mit Schiefer gedeckt. Das Wirtshaus des alten Duroy »Zur schönen Aussicht« genannt, war eine Bude, die aus einem Erdgeschoß und Bodenraum bestand. Es lag gleich am Eingang links, ein Tannenzweig über der Thür zeigte nach altem Brauch das Wirtshaus an.
In der Wirtsstube war an zwei an einander gerückten Tischen, auf denen Tischtücher lagen, gedeckt. Eine Nachbarin, die gekommen war um aufwarten zu helfen, machte einen tiefen Knix, als sie eine so feine Dame vor sich sah. Wie sie dann Georg erkannte, rief sie:
– Herr Jesses, bist Du’s denn, Kleener?
Er antwortete fröhlich:
– Ja, ich bin’s Mutter Brulin.
Und er umarmte sie sofort, wie er Vater und Mutter umarmt hatte.
Dann wandte er sich zu seiner Frau:
– Komm in unser Zimmer, daß Du den Hut absetzen kannst. Und er ließ sie durch die rechte Thür in einen mit Fliesen belegten, ganz weißen, kalten Raum treten, dessen Wände kalkbeworfen waren und in dem ein Bett stand mit Wollvorhängen. Der einzige Schmuck dieses reinlichen, aber ärmlichen Raumes waren ein Crucifix über einem Weihwasserbecken und zwei bunte Bilder, Paul und Virginie unter einer blauen Palme darstellend, und Napoleon I. auf einem gelben Pferde.
Sobald sie allein waren, küßte er Magdalene:
– Willkommen Magda, ich freue mich doch die Eltern wieder zu sehen. In Paris denkt man nicht daran, aber wenn man sie wiedersieht, freut man sich doch.
Aber der Vater brüllte, indem er mit der Faust an die Wand donnerte:
– Vorwärts, vorwärts, die Suppe ist da!
Und sie mußten sich zu Tisch setzen.
Ein langes Bauernmahl folgte, mit einer Menge Gerichten in ungeschickter Zusammenstellung, warme Fleischwurst nach einem Hammelrücken und ein Eierkuchen nach der Wurst.
Vater Duroy, den der Apfelwein und ein paar Gläser Landwein in Stimmung gebracht hatten, wartete mit seinen besten Witzen auf, die er für die großen Feste aufgespart, ziemlich gepfefferte, unanständige Geschichten, die wie er behauptete, seinen Freunden passiert waren. Obgleich Georg alle kannte, lachte er doch. Die Heimatluft, die angeborene Liebe zu seinem Vaterhaus packte ihn. Es rührte ihn, daß er wieder an dem Ort seiner Kindheit war. Alle die Eindrücke, die Erinnerungen die wieder auftauchten, alle die Dinge die er wiedersah, jede Kleinigkeit, ein Zeichen mit dem Messer in die Thür geschnitzt, das an irgend ein Ereignis von früher erinnerte, eine wacklige Stuhllehne, der Harzduft der von den Bäumen aus dem nahen Walde kam, der Geruch des Hauses, des Baches, des Mistes auf dem Hof, alles führte ihm die Kindheit zurück.
Mutter Duroy sprach kein Wort. Sie blieb immer ernst und traurig und betrachtete die Schwiegertochter mit stillem Haß im Herzen, dem Haß, den die, die immer gearbeitet hat, die Bauernfrau mit den rauhen Händen, mit den durch schwere Arbeit gekrümmten Gliedern, gegen die Stadtfrau haben mußte, die ihr zuwider war als etwas Lasterhaftes und Verworfenes, als ein unreines Wesen, nur zum Faulenzen und zur Sünde gemacht. Alle Augenblicke stand sie auf, um die Speisen zu holen und das gelbe scharfe Getränk aus dem Kruge oder den roten, schäumenden, süßen Apfelwein aus den Flaschen einzugießen, bei denen beim Öffnen der Pfropfen sprang, als wäre Brauselimonade darin gewesen.
Magdalene sprach kaum, aß kaum, blieb still, mit ihrem gewöhnlichen