Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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folglich schon voraussetzen. Da indessen diese Voraussetzung sich nicht auf den bestimmten Gehalt der Begriffe, sondern nur allgemein auf ein Daseyn derselben erstreckt; so kann die Logik doch, im Ganzen genommen, für reine Vernunftwissenschaft gelten. In allen übrigen Wissenschaften hat die Vernunft den Gehalt aus den anschaulichen Vorstellungen erhalten: in der Mathematik aus den vor aller Erfahrung anschaulich bewußten Verhältnissen des Raumes und der Zeit; in der reinen Naturwissenschaft, d.h. in dem, was wir vor aller Erfahrung über den Lauf der Natur wissen, geht der Gehalt der Wissenschaft aus dem reinen Verstande hervor, d.h. aus der Erkenntniß a priori des Gesetzes der Kausalität und dessen Verbindung mit jenen reinen Anschauungen des Raumes und der Zeit. In allen andern Wissenschaften gehört Alles, was nicht aus den eben genannten entlehnt ist, der Erfahrung an. Wissen überhaupt heißt: solche Urtheile in der Gewalt seines Geistes zu willkürlicher Reproduktion haben, welche in irgend etwas außer ihnen ihren zureichenden Erkenntnißgrund haben, d.h. wahr sind. Die abstrakte Erkenntniß allein ist also ein Wissen; dieses ist daher durch die Vernunft bedingt, und von den Thieren können wir, genau genommen, nicht sagen, daß sie irgend etwas wissen, wiewohl sie die anschauliche Erkenntniß, für diese auch Erinnerung und eben deshalb Phantasie haben, welche überdies ihr Träumen beweist. Bewußtsein legen wir ihnen bei, dessen Begriff folglich, obgleich das Wort von Wissen genommen ist, mit dem des Vorstellens überhaupt, von welcher Art es auch sei, zusammenfällt. Daher auch legen wir der Pflanze zwar Leben, aber kein Bewußtseyn bei. – Wissen also ist das abstrakte Bewußtseyn, das Fixirthaben in Begriffen der Vernunft, des auf andere Weise überhaupt Erkannten.

      § 11

       Inhaltsverzeichnis

      In dieser Hinsicht ist nun der eigentliche Gegensatz des Wissens das Gefühl, dessen Erörterung wir deshalb hier einschalten müssen. Der Begriff, den das Wort Gefühl bezeichnet, hat durchaus nur einen negativen Inhalt, nämlich diesen, daß etwas, das im Bewußtseyn gegenwärtig ist, nicht Begriff, nicht abstrakte Erkenntniß der Vernunft sei: übrigens mag es seyn, was es will, es gehört unter den Begriff Gefühl, dessen unmäßig weite Sphäre daher die heterogensten Dinge begreift, von denen man nimmer einsieht, wie sie zusammenkommen, so lange man nicht erkannt hat, daß sie allein in dieser negativen Rücksicht, nicht abstrakte Begriffe zu seyn, übereinstimmen. Denn die verschiedensten, ja feindlichsten Elemente liegen ruhig neben einander in jenem Begriff, z.B. religiöses Gefühl, Gefühl der Wollust, moralisches Gefühl, körperliches Gefühl als Getast, als Schmerz, als Gefühl für Farben, für Töne und deren Harmonien und Disharmonien, Gefühl des Hasses, Abscheues, der Selbstzufriedenheit, der Ehre, der Schande, des Rechts, des Unrechts, Gefühl der Wahrheit, ästhetisches Gefühl, Gefühl von Kraft, Schwäche, Gesundheit, Freundschaft, Liebe u.s.w. u.s.w. Durchaus keine Gemeinschaft ist zwischen ihnen, als die negative, daß sie keine abstrakte Vernunfterkenntniß sind; aber dieses wird am auffallendsten, wenn sogar die anschauliche Erkenntniß a priori der räumlichen Verhältnisse, und vollends die des reinen Verstandes unter jenen Begriff gebracht wird, und überhaupt von jeder Erkenntniß, jeder Wahrheit, deren man sich nur erst intuitiv bewußt ist, sie aber noch nicht in abstrakte Begriffe abgesetzt hat, gesagt wird, daß man sie fühle. Hievon will ich, zur Erläuterung, einige Beispiele aus neuem Büchern beibringen, weil sie frappante Belege meiner Erklärung sind. Ich erinnere mich, in der Einleitung einer Verdeutschung des Eukleides gelesen zu haben, man solle die Anfänger in der Geometrie die Figuren erst alle zeichnen lassen, ehe man zum Demonstriren schreite, weil sie alsdann die geometrische Wahrheit schon vorher fühlten, ehe ihnen die Demonstration die vollendete Erkenntniß beibrächte. – Eben so wird in der »Kritik der Sittenlehre« von F. Schleiermacher geredet vom logischen und mathematischen Gefühl (S. 339), auch vom Gefühl der Gleichheit oder Verschiedenheit zweier Formeln (S. 342); ferner in Tennemanns »Geschichte der Philosophie«, Bd. 1, S. 361, heißt es: »Man fühlte, daß die Trugschlüsse nicht richtig waren, konnte aber doch den Fehler nicht entdecken.« – So lange man nun diesen Begriff Gefühl nicht aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtet und nicht jenes eine negative Merkmal, welches allein ihm wesentlich ist, erkennt, muß derselbe, wegen der übermäßigen Weite seiner Sphäre und seines bloß negativen, ganz einseitig bestimmten und sehr geringen Gehaltes, beständig Anlaß zu Mißverständnissen und Streitigkeiten geben. Da wir im Deutschen noch das ziemlich gleichbedeutende Wort Empfindung haben, so würde es dienlich seyn, dieses für die körperlichen Gefühle, als eine Unterart, in Beschlag zu nehmen. Der Ursprung jenes gegen alle andern disproportionirten Begriffs Gefühl ist aber ohne Zweifel folgender. Alle Begriffe, und nur Begriffe sind es welche Worte bezeichnen, sind nur für die Vernunft da, gehn von ihr aus: man steht mit ihnen also schon auf einem einseitigen Standpunkt. Aber von einem solchen aus erscheint das Nähere deutlich und wird als positiv gesetzt; das Fernere fließt zusammen und wird bald nur noch negativ berücksichtigt; so nennt jede Nation alle Andern Fremde, der Grieche alle Andern Barbaren, der Engländer Alles, was nicht England oder Englisch ist, continent und continental, der Gläubige alle Andern Ketzer, oder Heiden, der Adel alle Andern roturiers, der Student alle Andern Philister u. dgl, m. Die selbe Einseitigkeit, man kann sagen die selbe rohe Unwissenheit aus Stolz, läßt sich, so sonderbar es auch klingt, die Vernunft selbst zu Schulden kommen, indem sie unter den einen Begriff Gefühl jede Modifikation des Bewußtseyns befaßt, die nur nicht unmittelbar zu ihrer Vorstellungsweise gehört, d.h. nicht abstrakter Begriff ist. Sie hat dieses bisher, weil ihr eigenes Verfahren ihr nicht durch gründliche Selbstkenntniß deutlich geworden war, büßen müssen durch Mißverständnisse und Verirrungen auf ihrem eigenen Gebiet, da man sogar ein besonderes Gefühlsvermögen aufgestellt hat und nun Theorien desselben konstruirt.

      § 12

       Inhaltsverzeichnis

      Wissen, als dessen kontradiktorisches Gegentheil ich soeben den Begriff Gefühl erörtert habe, ist, wie gesagt, jede abstrakte Erkenntniß, d.h. Vernunfterkenntniß. Da nun aber die Vernunft immer nur das anderweitig Empfangene wieder vor die Erkenntniß bringt, so erweitert sie nicht eigentlich unser Erkennen, sondern giebt ihm bloß eine andere Form. Nämlich was intuitiv, was in concreto erkannt wurde, läßt sie abstrakt und allgemein erkennen. Dies ist aber ungleich wichtiger, als es, so ausgedrückt, dem ersten Blicke scheint. Denn alles sichere Aufbewahren, alle Mittheilbarkeit und alle sichere und weitreichende Anwendung der Erkenntniß auf das Praktische hängt davon ab, daß sie ein Wissen, eine abstrakte Erkenntniß geworden sei. Die intuitive Erkenntniß gilt immer nur vom einzelnen Fall, geht nur auf das Nächste, und bleibt bei diesem stehn, weil Sinnlichkeit und Verstand eigentlich nur ein Objekt zur Zeit auffassen können. Jede anhaltende, zusammengesetzte, planmäßige Thätigkeit muß daher von Grundsätzen, also von einem abstrakten Wissen ausgehn und danach geleitet werden. So ist z.B. die Erkenntniß, welche der Verstand vom Verhältniß der Ursache und Wirkung hat, zwar an sich viel vollkommener, tiefer und erschöpfender, als was davon in abstracto sich denken läßt: der Verstand allein erkennt anschaulich unmittelbar und vollkommen die Art des Wirkens eines Hebels, Flaschenzuges, Kammrades, das Ruhen eines Gewölbes in sich selbst u.s.w. Aber wegen der eben berührten Eigenschaft der intuitiven Erkenntniß, nur auf das unmittelbar Gegenwärtige zu gehn, reicht der bloße Verstand nicht hin zur Konstruktion von Maschinen und Gebäuden: vielmehr muß hier die Vernunft eintreten, an die Stelle der Anschauungen abstrakte Begriffe setzen, solche zur Richtschnur des Wirkens nehmen, und waren sie richtig, so wird der Erfolg eintreffen. Eben so erkennen wir in reiner Anschauung vollkommen das Wesen und die Gesetzmäßigkeit einer Parabel, Hyperbel, Spirale; aber um von dieser Erkenntniß sichere Anwendung in der Wirklichkeit zu machen, mußte sie zuvor zum abstrakten Wissen geworden seyn, wobei sie freilich die Anschaulichkeit einbüßt, aber dafür die Sicherheit und Bestimmtheit des abstrakten Wissens gewinnt. Also erweitert alle Differentialrechnung eigentlich gar nicht unsere Erkenntniß von den Kurven, enthält nichts mehr, als was schon die bloße reine Anschauung derselben; aber sie ändert die Art der Erkenntniß, verwandelt die intuitive in eine abstrakte, welches für die


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